Dead Internet Theory: KI übernimmt die Kontrolle im Internet

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Das Mengenverhältnis im Internet verschiebt sich, nur noch die Hälfte der Nutzer sind menschlich. Beim Rest handelt es sich um Bots, gute wie böse. Doc Storage beschäftigt sich in seiner Kolumne mit der »Dead Internet Theory«: Ist das Internet bereits Tod und wird nur noch von KIs befeuert?

Antwort Doc Storage:

Seit seiner Einführung im Jahr 1989 durch Tim Burners-Lee ist das »Web« ein Raum für Menschen, an dem sie Gedanken und Ideen austauschen und allgemein kommunizieren können. Aber seit kurzem ändert sich daran etwas. Was wäre, wenn einige der Benutzer, mit denen wir in Kommentarbereichen oder auf Seiten der sozialen Medien interagieren, gar keine Menschen sind? Es gibt eine Theorie namens Dead Internet Theory, die noch weiter geht. Im Großen und Ganzen geht es darum, dass die meisten Aktivitäten im Internet tatsächlich das Werk von Bots sind.

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Sollten wir den Tod des Internets miterlebt und es nicht einmal bemerkt haben? Seit den Anfängen von Sprach-KI-Systemen rühmen sich die meisten Benutzer, ein menschliches Gespräch von einem mit einem KI-System unterscheiden zu können. Aber was passiert, wenn dies nicht mehr der Fall ist?

2021 veröffentlichte ein Benutzer namens Illuminati Pirate ein langes Dokument mit dem Titel »The Dead Internet Theory« im Agora Road Forum. Der ursprüngliche Beitrag enthielt einige fragwürdige Formulierungen, jedoch auch einige interessante Ideen. Die allgemeine These lautet: Jeden Tag werden Inhalte von Menschen erstellt, abgerufen und geteilt, aber zunehmend generieren Bots diese Inhalte.

Bots ohne Herzschlag, ohne Gedanken oder Gefühle. Das Internet ist im Grunde zu einem Meer von Bots mit einigen Inseln menschlicher Aktivität geworden und es ist »steril und menschenleer. Im Grunde genommen ist das Internet tot«. Die Dead-Internet-Theory besagt, dass KI-Inhalte massenhaft produziert werden, um die Gedanken und Gefühle der Benutzer zu manipulieren, Bevölkerungsgruppen zu kontrollieren und gefälschte Konsumenten für Produkte zu generieren.

Das hört sich zwar alles plausibel an, aber die Theorie gerät ins Wanken, wenn sie behauptet, dass das Internet von einer kleinen Gruppe von Menschen kontrolliert wird. Diese Internet-Overlords würden diese Bots nutzen, um uns auszuspionieren und die Menschheit zu kontrollieren. Allerdings dürfte der Aufstieg von KI-Bots eher mit Profit und gelegentlich mit geopolitischer ausländischer Einmischung zu tun haben. Es ist keine böse Gruppe von im Verborgenen arbeitenden James-Bond-Bösewichtern.

Außerdem gab es im Jahr 2021, als die Theorie erstmals veröffentlicht wurde, keine weit verbreitete generative KI. Das gesamte Internet mit Bots zu überfluten, hätte zu viele Ressourcen und viel zu viel Koordination gekostet, als dass dies für eine kleine Gruppe von Menschen machbar gewesen wäre. Abgesehen vom böswilligen Handlungsteil der Theorie – wie realistisch ist der Rest?

Die Dead-Internet-Theory kann nur eines von drei Dingen sein: absurd, die Realität oder eine Prophezeiung dessen, was kommen wird. Was ist sie nun? Das Verrückteste ist allerdings, dass die hier geäußerten Ideen mit der Zeit immer wahrer werden.

Das Problem der »bösen Bots«

Man kann sich der Tatsache nicht entziehen, dass sich das Mengenverhältnis zwischen Menschen und Bots verändert. Im Jahr 2021 zeigte eine Studie, dass nur etwas mehr als die Hälfte der Nutzer im Internet Menschen waren. Schädliche Bots machten ein Viertel aus, was einem Anstieg von mehr als zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr entsprach. Gute Bots können Dinge wie Suchmaschinen-Crawler sein, wohingegen schlechte Bots bösartige oder gar kriminelle Angriffe ausführen können. Das Gesamtwachstum bösartiger Bots war negativ, dies hat sich in jüngster Zeit allerdings umgekehrt – der Anteil der Menschen ist auf dem niedrigsten Stand seit acht Jahren.

Allerdings ist am besorgniserregendsten, dass die Zahl der Schadbots jedes Jahr um mehr als fünf Prozent zunimmt. Eine andere Schätzung besagt nun, dass Bots bis zu zwei Drittel der Teilnehmer des Internets ausmachen könnten. Obwohl noch keine genauen Daten hierzu verfügbar sind, werden sich die wachsenden Fähigkeiten der generativen KI in Zukunft zweifellos auf diese Zahlen auswirken. Die Theorie spricht auch von KI-Influencern. Auch wenn es im Jahr 2021 nicht so einfach war, dürfte es heute nicht mehr schwer sein, ein Instagram-Profil einzurichten, welches komplett künstlich erstellt wird.

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KI-generierte Influencer

Der erste Schritt bei der Schaffung des nächsten viralen Influencers, des nächsten Charlie Demilio, des nächsten Addison Ray besteht also darin, die zehn Dollar für Mid Journey V5 bereitzustellen, um einen etwas weniger schrecklichen Influencer berühmt zu machen. Schaut man sich beispielsweise April Isabella an, kann man kaum glauben, dass dies keine echte Person ist.

Vor drei Monaten erstellte die Influencerin Karen Metri eine KI-Version von sich selbst, um diese dann an Fans zu verkaufen. Die Die-Hard-Fans können nun für einen Dollar pro Minute mit diesem Bot chatten. Dies ist also die KI-Version der Influencerin, die eine persönliche Freundin sein könnte. Sie stammt direkt aus Black-Mirror – davon werden wir in Zukunft immer mehr sehen.

Die Theorie geht weiterhin davon aus, dass es sich bei den Teilnehmern an sozialen Medien möglicherweise auch größtenteils um Bots handelt. In einem Artikel der Publikation The Atlantic wurden Beispiele Tweets mit genau demselben Text untersucht, der von unzähligen Accounts mit verdächtig ähnlichen Profilbildern geteilt wurde. Das Seltsamste ist, dass diese Konten ein enormes Engagement aufwiesen, weit mehr, als man von einem normalen humanoiden Konto dieser Art erwarten würde.

Künstliche Intelligenz übernimmt das Internet

Im Jahr 2018 warnte der Datenwissenschaftler Tom Leung vor einem Wendepunkt, an dem YouTube-Bots einen größeren Prozentsatz der Zuschauer ausmachen würden als echte Menschen. Dies würde die Analyse verzerren und es deutlich schwieriger machen, echten von künstlich generiertem Datenaustausch zu unterscheiden. Im Grunde würde dies die Grundlagen von Youtube zerstören. Laut Youtube gibt es noch keine Hinweise darauf, dass dies bereits geschehen ist, aber auf Facebook sieht dies schon ganz anders aus. Im Jahr 2019 hat man dort mehr als unglaubliche fünf Milliarden gefälschte Konten geschlossen – doppelt so viele wie echte Konten auf der Website.

Dieser Trend wird sich fortsetzen. Experten des Copenhagen Institute for Future Studies prognostizieren, dass in weniger als zwei Jahren fast 99 Prozent des Internets durch künstliche Intelligenz generiert werden. Die Bots werden diesen Wettbewerb gewinnen, sie werden den Menschen überlegen sein, und nach diesem Szenario ist das Internet möglicherweise doch bereits tot.

Allerdings wird nicht der gesamte Internetverkehr schlecht sein. Viele dieser Bots erledigen hilfreiche Aufgaben für Menschen, wie zum Beispiel Kundendienstunterstützung oder sogar Dinge im AutoGPT-Stil, bei denen Benutzer sie bitten können, ins Internet zu gehen und alles Mögliche für Sie zu tun. Aber unabhängig davon müssen Informatiker neue Wege finden, um den Schaden zu begrenzen.

Coexistenz »Künstlicher Intelligenz« und menschlicher Leistung

Früher war es leicht, Bots zu erkennen. Sie waren unbeholfen, unmenschlich in ihrem Aussehen und Kommunikationsstil. Also konnten diese Instagram-Direktnachrichten über Geschenkkarten oder Steuerrückerstattungen einfach ignorieren. Aber mit der Weiterentwicklung der KI verschwimmt die Grenze zwischen von Menschen produzierten und KI-generierten Inhalten.

In den 1950er Jahren entwickelte der britische Informatiker Alan Turing seinen berühmten Test. Dieser sollte die Fähigkeit einer Maschine messen, intelligentes Verhalten zu zeigen, das nicht von dem eines Menschen zu unterscheiden ist. Dieser Turing-Test ist zum Maßstab für realistische Sprach-KI geworden. Wenn man ihn selbst ausprobieren möchten, haben die AI21 Labs eine vereinfachte Version des Tests mit dem Titel Mensch oder nicht veröffentlicht. Dieser Test lädt Benutzer zu einem Gespräch ein. Hier können sie entscheiden, ob sie mit einem Menschen oder einem Roboter sprechen.

Wie wir alle wissen, schreiten die Entwicklungen auf diesem Feld rasant voran. Bis heute sind jedoch nur zwei KI-Systeme in der Lage, den Turing-Test zu bestehen, wenn auch in sehr engen Grenzen: Googles Lambda war der erste Chatbot, der ihn im Juli 2022 bestanden hat, und natürlich auch ChatGPT von OpenAI. Viele Studien deuten darauf hin, dass Menschen beginnen, der KI bei Entscheidungen mehr als anderen Menschen zu vertrauen. Eine solche von Forschern der University of Georgia aus dem Jahr 2020 kam zu dem Ergebnis, dass Benutzer eher den von der KI bereitgestellten Informationen in medizinischen Ratschlägen vertrauen als solchen, die von Menschen gegeben würden.

Zukunftsaussichten: KI mit KI begegnen

In einer Zeit, in der die Online-Informationen unbegrenzt scheinen, kann sich komischerweise das Surfen im Internet eintönig anfühlen, als gäbe es nichts Neues zu sehen. Aber schon bald könnte es große Mengen von Texten, Gesprächen, Bildern, Videos und ganzen Websites geben, die von KI generiert werden. Von Betrügern über gefälschte Bewertungen bis hin zu online generierten Informationen, die mit Lügen und Halbwahrheiten gefüllt sind. Wenn wir nicht aufpassen, werden wir damit in eine postfaktische Welt hinübergleiten.

Es kommen also viele Probleme auf uns zu, aber es gibt auch einen Hoffnungsschimmer. Viele Unternehmen beginnen, KI mit KI zu bekämpfen. Es gibt einen zunehmenden Trend zur Entwicklung von KI-Erkennungs-Tools. Prototypen nehmen sich bereits Textabschnitte und stellen fest, ob sie von KI generiert wurden oder nicht. Die Software passt die Auswahl der von beispielsweise ChatGPT ausgewählten Wörter an und sucht spezifisch nach diesen oder Kombinationen von diesen. All dies soll in Zukunft für den Benutzer jedoch nicht mehr wahrnehmbar sein, wenn die Werkzeuge in andere Programme integriert werden.

Eine solche Technologie könnte auch an andere Formen der generativen KI angepasst werden. Google und Microsoft arbeiten beispielsweise an eigenen Versionen für Bilder. All dies sind bedeutende Schritte, und wenn immer mehr Unternehmen diesen Beispielen folgen, haben wir vielleicht zumindest eine gewisse Chance, der Welle minderwertiger KI-Bots entgegenzuwirken. Kritisches Denken, die Suche nach gesicherten Kontexten und technologische Kompetenz werden demnach immer wichtiger.

Fazit: Alle müssen anspruchsvoller werden

Auch wenn die ursprüngliche »Dead Internet Theory« im Ganzen etwas verrückt sein mag, ist sie letztendlich die Vorhersage einer durchaus wahrscheinlichen Zukunft – wenn sich nichts ändert. Generische, von KI generierte Kommentare und Beiträge werden immer größere Teile der Online-Bereiche einnehmen, aber im Ende muss eine positive Aussicht stehen: es gibt etwas, was dagegen getan werden kann. Von Googles digitalen Märkten bis hin zu Microsofts Content-Referenzen ist die Weiterentwicklung dieser Schutzmaßnahmen wohl ebenso wichtig wie die Entwicklung der Technologie selbst.

Auch die Vermittlung von Medienkompetenz und Fähigkeiten zum kritischen Denken kann viel bewirken. Hierzu sollte jeder Nutzer die Schrift Computer Power and Human Reason des Kollegen Weizenbaum kennen. Und die ist von 1977!

Gruß
Doc Storage

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