Wie beeinflusst die Stimmung in sozialen Netzwerken wie Twitter oder Stocktwits die Entwicklung an den Finanzmärkten?
Eine Analyse der University of Toronto, durchgeführt von Wirtschaftswissenschaftlerin Runjing Lu, beleuchtet diesen Zusammenhang. Im Fokus der Untersuchung standen Beiträge von Privatanlegern und Finanzinteressierten zwischen 2013 und 2021 auf mehreren Plattformen (via Pressetext).
Die Ergebnisse zeigen: Eine besonders positive Stimmung unter Anlegern kann ein Warnsignal sein. Denn häufig folgte auf Tage mit auffällig optimistischen Kommentaren ein spürbarer Rückgang der Marktrenditen – innerhalb eines Zeitraums von etwa 20 Tagen.
Zwei zentrale Größen: Stimmung und Aufmerksamkeit
Die Studie unterscheidet präzise zwischen zwei Faktoren: der Stimmung und der Aufmerksamkeit. Während die Stimmung ausdrückt, wie Anleger die Entwicklung einer Aktie einschätzen (also ob sie eher zuversichtlich oder besorgt sind), zeigt die Aufmerksamkeit, worauf sie sich inhaltlich konzentrieren – also welche Unternehmen und Branchen überhaupt diskutiert werden.
Die Forschenden erstellten daraus zwei Tagesindizes: einen für die allgemeine Marktstimmung und einen für den kollektiven Aufmerksamkeitsfokus. Diese Unterscheidung erwies sich als wesentlich, denn beide Größen folgen unterschiedlichen Mustern und wirken sich verschieden auf die Marktentwicklung aus.
Nicht alle Beiträge in sozialen Netzwerken sind gleich aussagekräftig. Frühere Untersuchungen von Lu zeigen: Beiträge erfahrener oder institutioneller Anleger haben eine höhere Prognosekraft. Sie können Kursentwicklungen oft besser vorhersagen als Beiträge von Laien oder populären Social-Media-Influencern.
Diese Erkenntnis ist besonders relevant, seit Privatanleger eine größere Rolle auf den Märkten spielen – nicht zuletzt durch den Boom günstiger Online-Broker seit der Corona-Pandemie. Mit diesem Wandel haben sich soziale Medien zu einer wichtigen Quelle für die Sammlung und Analyse von Stimmungsdaten entwickelt.
Eine Strategie mit Potenzial
Eine auf diesen Erkenntnissen basierende Handelsstrategie, die sowohl Stimmung als auch Aufmerksamkeit berücksichtigt, hätte laut der Untersuchung eine Überrendite von durchschnittlich 4,6 Prozent pro Jahr erzielt – bei einer soliden Sharpe-Ratio von 1,2. Das deutet darauf hin, dass sich aus der Auswertung sozialer Medien ein echter Mehrwert für Anleger ergeben kann, sofern die Signale richtig eingeordnet werden.
Die Forschung zeigt: Die in sozialen Medien geäußerte Stimmung kann ein Frühindikator für kommende Marktentwicklungen sein. Doch entscheidend ist die Qualität der Beiträge. Wer also die Märkte über soziale Netzwerke beobachten möchte, sollte gezielt auf die Beiträge erfahrener Nutzer achten – und kurzfristige Euphorie eher als Warnzeichen interpretieren.