Eine kritische Neubewertung

Krypto als Schattenbankensystem

Kryptowaehrungen

Ursprünglich sollte die Welt der Kryptowährungen eine dezentrale Alternative zum traditionellen Banken- und Staatsgeldsystem bieten. Doch eine aktuelle Untersuchung der Freien Universität Berlin zeigt ein ganz anderes Bild.

Die Krypto-Sphäre habe sich zu einem kreditbasierten Schattenbankensystem entwickelt, das eng mit dem bestehenden Finanzsystem verflochten ist. Eine politische Neubewertung sei dringend notwendig, so die Forderung der Forschenden (via Pressetext).

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Vom Gegenmodell zum etablierten Teil des Finanzsystems

Die Analyse, veröffentlicht im Review of International Political Economy, nimmt insbesondere die Entwicklungen des Jahres 2022 in den Blick, als prominente Stablecoins wie TerraUSD zusammenbrachen und die Kryptobörse FTX Insolvenz anmeldete. Diese Vorfälle waren für Studienautor Christopher Olk keine isolierten Einzelfälle, sondern Symptome einer tiefergehenden Dynamik. Er urteilt: „Die Krypto-Erfinder wollten ursprünglich ein Gegenmodell zum konventionellen, bankenbasierten Geldsystem schaffen. Das Gegenteil ist eingetreten: Die Krypto-Sphäre wird heute dominiert von Schattenbanken und ist ein fester Bestandteil des konventionellen Geldsystems geworden.“

Zentralisierte Plattformen übernehmen in der Krypto-Ökonomie inzwischen klassische Bankfunktionen: Sie schaffen Kreditbeziehungen, stellen Liquidität bereit und ermöglichen die Konvertierung von Krypto- in staatliches Geld. Damit funktioniert Kryptowährung zunehmend wie herkömmliches Geld – allerdings unter anderen Voraussetzungen.

Stablecoins: Schattengeld in Grauzonen

Ein besonderes Augenmerk legt die Studie auf Stablecoins – Kryptowährungen, die an nationale Währungen gekoppelt sind. Sie bieten scheinbare Preisstabilität und erleichtern den Umtausch in staatlich reguliertes Geld, ohne selbst unter staatlicher Aufsicht zu stehen. Laut Olk übernehmen Stablecoins somit zentrale Aufgaben innerhalb des Finanzsystems, bewegen sich dabei jedoch in „regulatorischen Grauzonen“.

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Die Stabilität dieser Konstrukte bleibt fragil: Während sie den Eindruck eines sicheren Werts vermitteln, fehlt ihnen die institutionelle Absicherung, wie sie bei klassischen Banken oder staatlichen Institutionen selbstverständlich ist.

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Kryptobörsen ohne Kontrolle

Auch die Rolle zentralisierter Kryptobörsen wird in der Analyse kritisch beleuchtet. Plattformen wie FTX agierten, so die Forscher, ähnlich wie Banken – allerdings ohne Banklizenz, ohne Aufsicht und mit oftmals hochriskanten Bilanzen. Dies machte sie anfällig für klassische Bank Runs, wie die dramatischen Entwicklungen im Jahr 2022 zeigten. Der plötzliche Vertrauensverlust führte zu einem Dominoeffekt, der sich über das gesamte Krypto-Ökosystem ausbreitete und einen massiven Werteverfall verursachte.

Angesichts dieser Erkenntnisse plädieren die Autoren der Studie für eine politische Neubewertung der Krypto-Sphäre. Eine stärkere Regulierung – orientiert an den Regeln für klassische Banken – müsse ernsthaft in Betracht gezogen werden, um systemische Risiken für das Finanzsystem insgesamt zu verringern.

Pauline Dornig

Pauline

Dornig

Online-Redakteurin

IT Verlag GmbH

Pauline Dornig verstärkt seit Mai 2020 das Team des IT Verlags als Online-Redakteurin. (pd)
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