Digitale Bildung ist mehr als ein Tablet 

Die Pandemie ist zum Stresstest für das deutsche Bildungssystem geworden. Lern-Plattformen brechen unter der Last zusammen, Chatprogramme werden von Trollen gestört, Lehrer verschicken Aufgaben per E-Mail, Prüfungen werden verschoben.

Unter dem Corona-Brennglas wurden die Missstände an Schulen, Universitäten und auch im Weiterbildungssegment sichtbar. Damit die Krise zu einem Sprungbrett für eine moderne Bildungspolitik werden kann, müssen wir aus den Erkenntnissen, die wir im letzten Jahr gesammelt haben, lernen. 

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Erkenntnis 1: Alle sprechen über die IT-Infrastruktur, aber viel zu wenig über verpflichtende Digitalkompetenzen. Lernen jenseits der klassischen Unterrichtsräume funktioniert vor allem dann, wenn bereits vor Corona digitale Medien und Formate in den Alltag integriert wurden, Schüler und Studenten die notwendigen Endgeräte besitzen und Breitband zur Verfügung steht. Diese infrastrukturellen Rahmenbedingungen müssen stimmen. Die passende IT lässt sich theoretisch schnell und einfach umsetzen. Infrastruktur ist aber nur eine Säule beim digitalen Unterricht, mindestens genauso wichtig sind die didaktischen Konzepte. Die Lehrer müssen mit der Technik umgehen können und das Lehrkonzept muss auf die neue mediale Ausrichtung abgestimmt sein. Durch verpflichtende, regelmäßige Fortbildungen könnten Lehrkräfte eigene Digitalkompetenzen ausbauen und festigen. 

Erkenntnis 2: Zu viel Bürokratie bremst Innovationen aus. Der Bund hat mit dem Digitalpakt Schule ein Förderprogramm für den Aufbau digitaler Infrastrukturen an Schulen aufgelegt. Nur ein Teil der Gelder wurde bislang ausgezahlt, was vor allem an zu viel Bürokratie liegen dürfte. Gelder fließen erst dann, wenn eine Investitionsmaßnahme abgeschlossen ist und die Rechnung vorliegt. Zuvor muss ein komplizierter Verwaltungsprozess inklusive dem Einreichen detaillierter Medienkonzepte durchlaufen werden, der in jedem Bundesland anders gestaltet ist. Die Bildungsverantwortlichen sollten sich lieber an agilen Projektmethoden, die in der Wirtschaft bereits gang und gäbe sind, orientieren: kurze Sprints, regelmäßige Reviews und entsprechendes Nachbessern. Das heißt, digitale Lernkonzepte finanziell fördern, ohne dass alles bereits von A bis Z durchgeplant ist. 

Erkenntnis 3: Technologie schließt keineswegs die digitale Kluft. Die Gefahr, dass die bereits existierende Schere in puncto Digitalisierung weiter auseinandergeht, wächst ausgerechnet mit dem Einzug der Technologie, die eigentlich alle verbinden soll. Kindern, denen digitale Geräte und Angebote nicht offenstehen, verlieren bildungstechnisch den Anschluss. Hier sollte sich Deutschland ein Beispiel an seinen europäischen Nachbarn im Norden nehmen. In Ländern wie Estland, Schweden oder Finnland wird bei Bedarf vom Staat ein Laptop gestellt und Familien mit schulpflichtigen Kindern haben das Recht auf einen kostenlosen Internetanschluss. Auch Digital-Lotsen für Schüler und Studenten mit Kompetenzlücken oder andere „Peer-to-Peer-Ansätze“, um Nachhilfe zu geben, sind sinnvolle Optionen. 

Erkenntnis 4: Eine App anklicken kann jeder, aber Programme entwickeln fast keiner. Künftig werden fundierte IT-Kenntnisse zu einer grundlegenden Fähigkeit. Auch wenn Kleinkinder von virtuellen Welten fasziniert sind – die Kompetenz der Digital Natives beschränkt sich in der Regel auf die Nutzung: So wissen die Kinder und Jugendlichen, wie man mit Apps umgeht, nicht aber, wie sie technisch funktionieren. Ein verpflichtendes Schulfach „IT“ ist die Antwort darauf. Nicht viel anders sieht es bei der Weiterbildung für Erwachsene aus – lebenslanges Lernen ist heute ein Muss.

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