Ransomware: kritische Infrastrukturen im Fadenkreuz

RansomwareKritische Infrastrukturen werden mit ziemlicher Sicherheit die nächsten Ziele von Ransomware-Angriffen sein. Mittel, Gelegenheit und Motive sind in ausreichender Zahl und Menge vorhanden.

Prognosen zum Thema Ransomware sind das „Steckenpferd” von Scott Scheferman, Experte für künstliche Intelligenz und Director of Consulting bei Cylance. Seit er im Jahr 2014 seine erste Keynote zu diesem Thema gehalten hat beschäftigt er sich mit Ransomware-Prognosen. Seinerzeit wagte er etwa ein Dutzend Vorhersagen und tatsächlich sind alle eingetroffen.

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Dieses Mal sollten die Prognosen nicht nur spezifischer sein, sondern die Sache auf die Spitze treiben. Sprich, welche Prognosen kommen dabei heraus, wenn man die aktuellen Szenarien bis zu Ende denkt. Soviel lässt sich sagen, alle sind einigermaßen beängstigend. Soeben hat eine Analyse von David Formby eine der schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Kritische Infrastrukturen geraten zunehmend ins Visier von Ransomware-Attacken (Targeting Critical Infrastructure for Ransom).

Im letzten Frühjahr litten vornehmlich Krankenhäuser unter der sogenannten SamSam-Ransomware, und im Rahmen unserer Incident Containment-Methode haben wir drei Dinge übereinstimmend festgestellt:

  • Cyberkriminelle sind wahllos was die potenziellen Opfer anbelangt und kümmern sich nicht darum, dass sie Menschenleben gefährden,
  • Cyberkriminelle haben realisiert, dass sie mehr Lösegeld herausschlagen, wenn es um Menschenleben oder die öffentliche Sicherheit geht und genau deshalb konzentrieren sie sich
  • auf Kampagnen, die mit genau diesen Ängsten erfolgreich pokern.

Auf dieser Basis seine Prognose: Kritische Infrastrukturen werden mit ziemlicher Sicherheit die nächsten Ziele von Ransomware-Angriffen sein. Und zwar gleich aus mehreren Gründen. Es steht mehr auf dem Spiel und Angreifer haben bei kritischen Infrastrukturen bereits einen Fuß in der Tür. Denn seit etlichen Jahren beobacht Cylance sowohl opportunistische Attacken als auch hoch spezialisierte Angriffe. Und wenn mehr auf dem Spiel steht, zahlt sich das in aller Regel für die Angreifer auch aus. Ransomware-Attacken auf Institutionen und Unternehmen im Gesundheitswesen sind das beste Beispiel dafür.

In seiner Laufbahn als DoD IA hat Scott Scheferman gelernt, dass eine Bedrohung aus mindestens zwei dieser drei Komponenten resultiert: Mittel, Gelegenheit und Motiv (im Englischen nennt er es das MOM-Prinzip: Means, Opportunity, Motive).

Die Mittel stehen in ausreichender Zahl auf dem Markt zur Verfügung beispielsweise in Gestalt von FUD (fully undetectable) Ransomware, auch als Ransomware-as-a-Service (RaaS) bekannt. Dies ist eine bemerkenswerte Marktentwicklung verglichen mit den traditionellen Methoden. Cyberkriminelle waren vormals gezwungen ein Exploit Kit zu kaufen, es selbst zu konfigurieren und die Binaries entweder lokal oder in der Cloud zu kompilieren. Das ist inzwischen um ein Vielfaches einfacher geworden und erlaubt so gut wie jedem mit Malware umzugehen.

Es bietet sich ausreichend Gelegenheit, die Anfänge sind längst gemacht. Seien es zielgerichtete Angriffe auf kritische Infrastrukturen oder opportunistische Adware- oder Browser-basierte Angriffe (übrigens war auch das eine von Scott Schefermans Prognosen in Bezug auf die Vektoren, die bei Ransomware eine Rolle spielen werden).

Dazu kommen die allseits bekannten, aber deshalb nicht weniger gefährlichen Phishing- und Water-Holing- Angriffe.

Das Motiv ist simpel: Geld. Risikolos und viel.

Auf der diesjährigen RSA präsentierte Formby Annahmen, die Scott Schefermans These stützen: “Er (ein Hacker) kann beispielsweise damit drohen an diesem sensiblen Equipment langfristig Schäden anzurichten. So dauert es Monate einen defekten Power Grid Trafo zu reparieren“

Was aber letzten Endes zu diesem Beitrag geführt hat ist etwas, das in unmittelbarer Nähe des Autors passierte. 75.000 Kunden standen plötzlich ohne Strom da als in der Nähe einer Schule in Harris County ein Transformator explodierte. Auch wenn in diesem speziellen Fall nicht Ransomware die Ursache war, kam er doch ins Grübeln. Er fragte sich, wie dieses Geschehnis mit der Aussage von Formby in Zusammenhang stehen könnte. Was richtet ein defekter Transformator bei einem Energieversorger für einen Schaden an? Und wie wichtig ist es, dass 75.000 Menschen mit Strom versorgt werden? Die Tatsache, dass sich die Fragen nicht einfach so beantworten lassen, verdeutlicht, dass und wie ein Angreifer aus einer solchen Situation Kapital schlagen könnte. Theoretisch kann ein Hacker genau einen Dollar weniger als Lösegeld verlangen als die veranschlagte Schadenhöhe. Immer vor dem Hintergrund, dass es sich um kritische Infrastrukturen handelt, Menschenleben und Sicherheit bedroht sind.

Was also steht als nächstes auf der Liste? EMS-Systeme? Controller-Systeme in kritischen Infrastrukturen? Wasseraufbereitungsanlagen? In diesen Fällen scheint es ungleich sicherer zu sein das geforderte Lösegeld zu zahlen statt eine aufwendige Wiederherstellung zu riskieren. Insbesondere wenn es um Menschenleben und öffentliche Sicherheit in einem brisanten Mix geht. Bis eine Cloud-basierte Backup-Strategie für ein komplettes Netzwerk greift, ist es unter Umständen längst zu spät. Wir sind dahingehend an einem Scheideweg angekommen und müssen uns bei Ransomware auf gnadenlosen Zeitdruck und dem Gegenstand angemessene immense Lösegeldforderungen einrichten.

Vorhersagen zu treffen ist vergleichsweise einfach. Der schwierige Part ist der, den Forscher übernehmen, wenn sie den Tatbestand benennen und versuchen eine Lösung zu entwickeln. Wenn möglich bevor wir einen „Patienten Zero“ haben.

Vorkehrungen zu treffen ist schwierig. Aber unumgänglich, denn wir werden genau die Szenarien zu sehen bekommen, die wir erwarten. Wir haben ein Stadium erreicht, in dem mit kritischen Infrastrukturen selbst die Sicherheit unserer Familien bedroht ist. Die Antwort kann also nur lauten: Alle müssen an einem Strang ziehen und die Gefahr ins öffentliche Bewusstsein zu bringen. Es geht darum, eine gesamtgesellschaftliche Antwort zu finden wie wir die richtigen Ressourcen, Richtlinien und Technologien kombinieren um dieser Bedrohungen Herr zu werden.

Cylance geht solche Herausforderungen anders an als es üblicherweise der Fall ist. Nämlich mithilfe künstlicher Intelligenz, die in der Lage ist Vorhersagen zu treffen. So ist es gelungen Ransomware-Varianten und Kampagnen Wochen, Monate und manchmal sogar Jahre im Voraus zu verhindern. Bevor es einen „Patienten Zero“ gibt und bevor die Binaries ausgeführt werden. Um das in die richtige Perspektive zu setzen: Bereits sechs Monate vor der ersten gelungenen Infektion mit ZCryptor ist es uns gelungen die Ransomware am Endpoint vorausschauend zu erkennen. Dies würde in der Folge verhindern, dass die Malware überhaupt ausgeführt wird. Wahrscheinlich noch bevor die Autoren ihr erstes Binary kompiliert hätten und sicherlich bevor der Rest der Welt mit der Analyse der Malware beginnt. Bevor IOCs extrahiert werden, bevor der C2-Server oder Verschlüsselungsschemata identifiziert werden würden und bevor andere Maßnahmen zur Beschreibung und Identifizierung der Malware greifen.

Um Bedrohungen dieser Art mit EDR, Backups und Wiederherstellung entgegenzutreten steht einfach zu viel auf dem Spiel. Wir befinden uns im Jahr 2017 und mitten in der 4. Industriellen Revolution auch als künstliche Intelligenz bekannt. Wir sollten jeden technischen Fortschritt nutzen, um ökonomische Katastrophen aufgrund von Ransomware-Attacken auf kritische Infrastrukturen zu verhindern.

Vielleicht zum ersten Mal überhaupt befinden wir uns in der Position den „bösen Jungs“ einen kleinen Schritt voraus zu sein. Zum ersten Mal ist der Zeitvorsprung auf Seiten der Verteidigung und nicht auf der der Angreifer. Das hätte vermutlich vor einigen Jahren noch niemand zu prognostizieren gewagt.

Hut ab noch ein Mal vor diesen Forschern, Ihren Anstrengungen haben wir es zu verdanken, dass das Thema in die Öffentlichkeit gelangt ist. Es wurde viel in Sachen Malware und PLCs geforscht, aber es braucht genau diesen Imperativ um den Dialog in Bezug auf die reale Gefährdung kritischer Infrastrukturen zu starten.

Scott Scheferman, Cylance

Weitere Informationen:

Weitere Informationen wie Cylance ICS-Sicherheitsherausforderungen über Malware und Ransomware hinaus begegnet finden Sie hier.
Den von Scott Scheferman ursprünglich in englischer Sprache veröffentlichten Blog finden Sie hier.
 

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