Cyber-Resilienz im KI-Zeitalter

Wenn jede Minute zählt: Fokus auf Time-to-Recovery

Recovery

Der Angriff läuft. Dashboards blinken, Alerts explodieren – und doch ist die wichtigste Zahl im Raum keine Prozentzahl, keine ID in einem Ticket-System, sondern eine schlichte Zeitangabe: Wie lange dauert es, bis alles wieder funktioniert?

Wenn künstliche Intelligenz (KI) Angriffe in Sekunden neu schreibt und Ransomware-Kampagnen sich permanent selbst anpassen, kommt das alte Paradigma der schnellen Erkennung zunehmend ins Wanken.

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Die Wiederherstellungszeit (Time to Recovery, TTR) steht im Mittelpunkt strategischer Überlegungen und misst, wie gut ein Angriff abgewehrt wurde. Vor allem aber überprüft sie auch, wie effizient und schnell ein Unternehmen seinen Betrieb wieder aufnehmen kann. Jahrelang war die Mean Time to Detect (MTTD) der Goldstandard der Cybersicherheit, wobei der Schwerpunkt auf der frühzeitigen Erkennung durch Signaturen, Verhalten oder bekannte Muster lag. Allerdings kann selbst die beste Erkennung einen Angriff nicht stoppen, der bereits Daten verschlüsselt oder Prozesse gestoppt hat. Folglich wissen viele Unternehmen nach wie vor nicht, wie viel Zeit tatsächlich benötigt wird, um die Geschäftsfähigkeit wiederherzustellen. Das ist vor allem auf einen Mangel an robusten Tests, dokumentierten Verfahren oder einer koordinierten Verantwortungsstruktur zurückzuführen. Diese Lücke ist die Unbekannte in modernen Cyberstrategien.

Time-to-Recovery als Gradmesser der Widerstandsfähigkeit

Anders als traditionelle Kennzahlen wird TTR durch regelmäßige Recovery-Übungen, Simulationen und automatisierte Wiederherstellungstests objektiv überprüft. Dadurch verschiebt sich der strategische Blickwinkel: Die Illusion absoluter Sicherheit durch Schutz tritt in den Hintergrund, während nachweisbare Widerstandsfähigkeit in den Vordergrund rückt. Kein System ist unangreifbar – entscheidend ist, wie schnell ein Unternehmen wieder arbeitsfähig wird.

Aktuelle Daten zeigen leider steigende Wiederanlaufzeiten: Laut dem jüngsten Rubrik Zero Labs Report glauben nur 32 Prozent der deutschen Unternehmen, dass sie sich innerhalb von zwölf Stunden vollständig von einem Cybervorfall erholen könnten; weltweit liegt der Wert sogar bei lediglich 28 Prozent. 2024 waren es global noch 43 Prozent – ein deutlicher Rückgang.

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Besonders Künstliche Intelligenz (KI) stellt das traditionelle Modell auf den Kopf. Bedrohungsakteure können ihre Tools jetzt in Echtzeit anpassen, Malware neu schreiben, die Infrastruktur neu konfigurieren und Angriffe innerhalb weniger Minuten neu starten. Die Zeit, die früher den Verteidigern in die Karten spielte, ist jetzt auf der Seite der Angreifer. Dies ist vielen bereits bewusst: Über die Hälfte der weltweiten Sicherheitsverantwortlichen rechnen damit, dass im kommenden Jahr mindestens 50 Prozent der Angriffe agentenbasierte KI nutzen werden. In Deutschland teilen 38 Prozent diese Einschätzung. Diese Entwicklungen treffen auf eine ohnehin steigende operative Belastung durch zunehmende Automatisierung und wachsende Cloud-Komplexität.

Budget und strategische Bedeutung von Cyber-Resilienz

Unternehmen, die Resilienz strategisch verstehen, sollten gezielt in Maßnahmen investieren, die eine schnelle Wiederherstellung erlauben:

  • Unveränderliche Backups, die selbst bei Angriffen unangetastet bleiben,
  • Automatisierte Wiederherstellungsprozesse, um Downtime zu minimieren,
  • Isolierte Testumgebungen, in denen Wiederherstellung realitätsnah erprobt werden kann,
  • Orchestrierte Workflows, die technische und organisatorische Reaktion verbinden.

Ziel ist es, die Auswirkungen eines Angriffs zu begrenzen und die Kontrolle über den Wiederanlauf zu behalten. Entscheidend ist nicht mehr die Zahl der abgewehrten Bedrohungen, sondern die Zeit bis zur vollständigen Erholung.

Cyber-Resilienz entscheidet über Geschäftskontinuität und wirtschaftliche Stabilität. Wenn Lieferketten stillstehen, Produktionslinien blockiert oder Kundendaten verschlüsselt sind, ist das kein reines IT-Problem, sondern ein Geschäftsrisiko: Datenverluste und Ausfallzeiten führen zu Rufschädigung, finanziellen Auswirkungen und Geschäftsausfällen. Laut dem Rubrik Zero Labs Report kommt es nach mehr als einem Drittel aller schwerwiegenden Cybervorfälle innerhalb weniger Monate zu einem Wechsel in der Führungsebene. Denn vernachlässigen Unternehmen die Vorbereitung einer schnellen Recovery, gefährden sie auch das Vertrauen in die Unternehmensführung.

Time-to-Recovery ist also nicht nur technischer KPI, sondern auch eine Führungskennzahl. Sie erlaubt Vorständen und CIOs, Worst-Case-Szenarien zu planen, Ressourcen strategisch zu verteilen und die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens zu steuern. Wer TTR misst und testet, kann den tatsächlichen Handlungsrahmen nach einem Angriff erkennen, regulatorische Anforderungen erfüllen und die Unternehmenssteuerung resilient gestalten.

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Fazit: Schnelligkeit neu gedacht

Wiederherstellung muss Teil der Unternehmensstrategie sein. Unternehmen, die regelmäßige Drills durchführen, klare Eskalationsroutinen etablieren und eine offene Lernkultur fördern, verbessern systematisch ihre Wiederherstellungsfähigkeit. Time-to-Recovery wird so nicht nur zu einem messbaren KPI, sondern auch zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil: Organisationen, die schnell wieder arbeitsfähig werden, sichern ihre Geschäftskontinuität selbst in einer KI-beschleunigten Bedrohungslandschaft. Resilienz schafft damit nicht nur technische Sicherheit, sondern auch Vertrauen bei Kunden, Partnern und Investoren.

Richard Cassidy

Richard

Cassidy

CISO EMEA

Rubrik

Richard Cassidy ist eine vielseitige Führungspersönlichkeit mit über 22 Jahren Erfahrung in der Skalierung von Tech-Start-ups und der Gestaltung digitalerSicherheit.
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