Führungskräfteentwicklung

Stromberg noch immer am Puls der Zeit?

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Bildquelle: picture alliance / dpa

„Als Chef bist du eigentlich ne Art Büro-Animateur. Ein Entertainer mit Schreibtisch.“ oder „Wenn du als Chef beliebt bist, hast du schon was falsch gemacht. […] Kinder und Angestellte brauchen klare Grenzen.“ Bernd Stromberg ist charmant, selbstgefällig und ein Desaster für jede Abteilung.

Der Leiter der Schadensregulierung in der Capitol-Versicherung steht sinnbildlich für das, was in Führung völlig schieflaufen kann. Die gleichnamige TV-Serie hat Millionen zum Lachen gebracht – und zugleich schonungslos offengelegt, wie toxisch Machtmissbrauch, Mikromanagement und fehlende Empathie in Unternehmen wirken.

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Doch wie weit ist die Realität wirklich von Strombergs Büroalltag entfernt? Und welche Lehren lassen sich aus der überzeichneten Satire für die moderne Führungskräfteentwicklung ziehen?

Als Sparringspartner begleitet Ben Schulz Unternehmerinnen und Unternehmer kleiner und mittelständischer Unternehmen. Sein Themenspektrum reicht von der Erarbeitung und Implementierung von Leitbildern über die Strategieentwicklung bis zur Führungskräfte-Entwicklung.

Herr Schulz, die Serie „Stromberg“ karikiert einen autoritären, zynischen und selbstzentrierten Führungsstil. Welche Aspekte dieser überzeichneten Darstellung begegnen Ihnen in der Realität tatsächlich noch in Unternehmen?

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Ben Schulz: Mehr, als mir lieb ist. Stromberg ist zwar Comedy, aber viele Führungskräfte erkenne ich darin wieder – und das ist eher tragisch als lustig. Da sitzen Geschäftsführer, die glauben, Führung sei eine Frage des Durchgriffs. Die halten Kontrolle für Stärke und Zynismus für Humor. Manche reden über „Team“, meinen aber Gehorsam. Da ist Stromberg gar nicht weit weg. Der Unterschied: Im Fernsehen lachen wir darüber. In der Realität kostet dieses Verhalten Motivation, Leistung und Vertrauen.

„Führung durch Angst“ ist ein wiederkehrendes Motiv in der Serie. Warum halten sich solche Führungsansätze – trotz moderner Führungsleitlinien – in manchen Organisationen so hartnäckig?

Ben Schulz: Weil Angst bequem ist – für die Führungskraft. Angst erzeugt kurzfristige Bewegung, ohne dass ich mich mit Menschen, Konflikten oder Vertrauen auseinandersetzen muss. Viele Führungskräfte haben nie gelernt, sich selbst zu führen. Sie stehen unter Druck, fühlen sich überfordert und greifen reflexartig zu dem, was sie kennen. Angst ist ein einfacher Hebel. Wirksame Führung ist ein schwieriger. Und genau deshalb bleiben viele beim Alten hängen.

Stromberg verwechselt Autorität oft mit Lautstärke und Kontrolle. Wie lässt sich Führungskräften heute vermitteln, dass Vertrauen, Beteiligung und psychologische Sicherheit nachhaltiger wirken?

Ben Schulz: Gar nicht durch PowerPoint-Folien. Nur durch Erfahrung. Ich nehme Führungsteams regelmäßig in Situationen, in denen ihr Kontrollreflex sie eher sabotiert als schützt. Dann wird spürbar, was Vertrauen bewirkt: Tempo, Klarheit, Engagement. Wer einmal erlebt hat, wie ein Team plötzlich Verantwortung übernimmt, weil es darf – der geht nie wieder zurück zu Stromberg-Methoden. Vertrauen ist kein weiches Thema. Es ist ein knallharter Performancefaktor.

Im Filmformat ist Stromberg unterhaltsam, in der Praxis wäre er ein Compliance-Albtraum. Wo verläuft aus Ihrer Sicht die Grenze zwischen „authentischer Führung“ und „schädlichem Verhalten“?

Ben Schulz: Authentizität heißt nicht: „Ich bin halt so.“ Authentizität heißt: „Ich kenne meine Wirkung und übernehme Verantwortung dafür.“ Sobald meine Art andere klein macht, unsicher macht oder entwürdigt, ist eine Grenze überschritten. Viele verwechseln Authentizität mit Ego. Stromberg ist authentisch – aber eben destruktiv. Authentisch sein darf nie auf Kosten anderer gehen.

Viele Zuschauer erkennen in Stromberg Strukturen ihrer eigenen Arbeitswelt wieder. Was sagt das über die gelebte Führungskultur in deutschen Unternehmen aus – insbesondere im Mittelstand oder in Verwaltungen?

Ben Schulz: Dass wir ein Kulturproblem haben, kein Strukturproblem. Viele Unternehmen sind fachlich top, aber menschlich marode. Zu wenig echte Gespräche. Zu viel Politik. Zu viel Rechtfertigung. Zu wenig Haltung. In Verwaltungen kommt noch die Angst vor Fehlern dazu. Im Mittelstand häufig die Dominanz einzelner „Patriarchen“, die nie gelernt haben loszulassen. Die Folge: Mitarbeitende ziehen sich zurück und hoffen auf Besserung – statt zu gestalten.

In Zeiten von New Work, agilen Teams und Selbstorganisation: Welche Führungsleitlinien sind das genaue Gegenteil von Strombergs Verhalten – und warum funktionieren sie besser?

Ben Schulz: Drei Leitlinien wirken heute stärker als jedes Organigramm:

1. Klarheit statt Kontrolle. Klare Ziele ersetzen Mikromanagement. Menschen können nur führen, wenn sie wissen, wohin.

2. Vertrauen statt Überwachung. Vertrauen spart Zeit, Energie und Tonnen an Bürokratie.

3. Beteiligung statt Ansage. Teams, die mitdenken dürfen, leisten mehr als Teams, die gehorchen sollen.

Diese Dinge funktionieren, weil sie Realität anerkennen: Menschen sind keine Maschinen. Menschen folgen Sinn – nie Drohung.

Wenn Sie Stromberg als Schulungsbeispiel in einem Führungskräftetraining verwenden müssten: Welche Szene würden Sie zeigen, und was ließe sich daraus über „negative Leadership“ lernen?

Ben Schulz: Die Szene, in der Stromberg glaubt, beliebt sein zu müssen – und im nächsten Moment seine Leute öffentlich vorführt. Dieses Hin und Her zwischen Kumpelhaftigkeit und Demütigung ist in vielen Unternehmen Standard: Nähe, wenn es nützlich ist. Härte, wenn es unbequem wird. Lehre daraus: Führung braucht Haltung. Kein Theater.

Zum Abschluss: Welche drei Grundprinzipien würden Sie einer modernen Führungskraft ans Herz legen, um sicherzustellen, dass sie nicht zum Stromberg 2.0 wird?

Ben Schulz: 1. Selbstführung vor Mitarbeiterführung. Wer sich selbst nicht im Griff hat, führt immer aus Angst.

2. Verantwortung statt Ausreden. Führung heißt: Du bist die Kultur, die du zulässt.

3. Hoffnung stiften. Nicht als Parole. Sondern als Perspektive.

Menschen folgen denen, die Möglichkeiten sehen – nicht denen, die Probleme kommentieren.

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Ben Schulz & Partner AG

Die Ben Schulz & Partner AG ist ein 2001 gegründetes Beratungshaus mit Sitz in Dillenburg-Frohnhausen. Das Unternehmen unterstützt Mittelständler bei der Entwicklung und Umsetzung wirkungsvoller Unternehmensleitbilder, Führungsleitlinien, Strategien sowie Führungskräfteentwicklung.
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