Tool für IT-Führungskräfte

Was ist eine Balanced IT Scorecard?

Scorecard

Die Balanced IT Scorecard hat sich in den vergangenen Jahren zu einem wichigen Werkzeug für IT-Führungskräfte entwickelt, die ihre Abteilungen strategisch steuern und den Wertbeitrag der IT für das Gesamtunternehmen nachweisen wollen. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Konzept, und wie lässt es sich in der Praxis umsetzen?

Vom Controlling-Instrument zum strategischen Steuerungssystem

Die Balanced IT Scorecard ist eine spezialisierte Variante der klassischen Balanced Scorecard, die Anfang der 1990er Jahre von Robert Kaplan und David Norton entwickelt wurde. Während das ursprüngliche Konzept für die Gesamtunternehmenssteuerung konzipiert war, adaptiert die IT-Variante die Methodik für die spezifischen Anforderungen und Herausforderungen der Informationstechnologie.

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Der zentrale Gedanke: IT-Leistung lässt sich nicht allein an Kennzahlen wie Verfügbarkeit oder Ticketbearbeitungszeiten messen. Vielmehr bedarf es eines ausgewogenen Systems von Perspektiven, das sowohl finanzielle als auch nicht-finanzielle Aspekte berücksichtigt und die IT-Strategie mit der Unternehmensstrategie verknüpft.

Die vier Perspektiven der IT-Scorecard

Eine Balanced IT Scorecard strukturiert die IT-Steuerung typischerweise entlang von vier Perspektiven, die jeweils unterschiedliche Stakeholder-Interessen abbilden:

Finanzperspektive: Hier geht es um die monetäre Bewertung der IT-Leistung. Kennzahlen wie IT-Kosten pro Mitarbeiter, Return on IT Investment oder die Kostenstruktur nach Geschäftsbereichen zeigen, ob die IT wirtschaftlich arbeitet. Diese Perspektive beantwortet die Frage: Wie trägt die IT zum finanziellen Erfolg des Unternehmens bei?

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Kundenperspektive: Die internen Kunden der IT – also die Fachabteilungen – stehen hier im Mittelpunkt. Zufriedenheitswerte, Servicequalität und die Erfüllung von Service Level Agreements sind zentrale Messgrößen. Moderne Ansätze berücksichtigen zunehmend auch die User Experience und messen, wie gut IT-Services die Arbeitsabläufe der Anwender unterstützen.

Prozessperspektive: Diese Dimension analysiert die interne Effizienz der IT-Organisation. Wie schnell werden neue Anforderungen umgesetzt? Wie hoch ist die Fehlerquote bei Software-Deployments? Wie effektiv funktioniert das Incident Management? Die Prozessperspektive deckt Optimierungspotenziale in den IT-Abläufen auf.

Innovations- und Lernperspektive: Langfristiger Erfolg erfordert kontinuierliche Weiterentwicklung. Diese Perspektive erfasst Kennzahlen zur Mitarbeiterqualifikation, zu Innovationsprojekten und zur technologischen Zukunftsfähigkeit der IT-Infrastruktur. Themen wie Cloud-Readiness, Automatisierungsgrad oder der Anteil von Investitionen in neue Technologien finden hier ihren Platz.

Bestandteile der Balanced IT Scorecard
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Strategische Ziele und Kennzahlen definieren

Der eigentliche Wert einer Balanced IT Scorecard entsteht durch die systematische Verknüpfung von strategischen Zielen mit messbaren Kennzahlen. Dieser Prozess erfordert intensive Abstimmung zwischen IT-Management, Geschäftsführung und Fachabteilungen.

Zunächst gilt es, die übergeordneten IT-Ziele aus der Unternehmensstrategie abzuleiten. Will das Unternehmen etwa durch Digitalisierung neue Geschäftsmodelle erschließen, muss die IT-Strategie entsprechende Innovationsziele definieren. Strebt das Unternehmen Kostenführerschaft an, liegt der Fokus stärker auf Effizienz und Standardisierung.

Für jede der vier Perspektiven werden dann konkrete strategische Ziele formuliert. Ein Beispiel aus der Finanzperspektive könnte lauten: “Reduzierung der IT-Betriebskosten um 15 Prozent bei gleichbleibender Servicequalität”. In der Kundenperspektive könnte das Ziel “Steigerung der Anwenderzufriedenheit auf einen Net Promoter Score von mindestens 40” definiert werden.

Entscheidend ist die anschließende Operationalisierung durch Key Performance Indicators (KPIs). Diese Kennzahlen müssen spezifisch, messbar, erreichbar, relevant und zeitgebunden sein, also den bekannten SMART-Kriterien entsprechen. Während strategische Ziele eher qualitativ formuliert sind, bieten KPIs quantitative Messgrößen für die Zielerreichung.

Ursache-Wirkungs-Beziehungen verstehen

Ein oft unterschätztes Element der Balanced IT Scorecard ist die Strategy Map – eine grafische Darstellung der Ursache-Wirkungs-Ketten zwischen den verschiedenen Zielen. Diese Visualisierung macht transparent, wie Maßnahmen in einer Perspektive auf andere Bereiche wirken.

Ein klassisches Beispiel: Investitionen in Mitarbeiterqualifikation (Innovations- und Lernperspektive) führen zu besserer Servicequalität (Prozessperspektive), was die Kundenzufriedenheit erhöht (Kundenperspektive) und letztlich Kosten durch weniger Eskalationen senkt (Finanzperspektive). Solche Zusammenhänge zu verstehen hilft dabei, Ressourcen sinnvoll zu priorisieren.

Implementierung in der Praxis

Die Einführung einer Balanced IT Scorecard ist kein Projekt für das stille Kämmerlein. Erfolgreiche Implementierungen zeichnen sich durch einen partizipativen Ansatz aus, der alle relevanten Stakeholder einbindet.

Zunächst empfiehlt sich eine Ist-Analyse: Welche Kennzahlen werden bereits erhoben? Welche Reporting-Strukturen existieren? Oft stellt sich heraus, dass viele benötigte Daten bereits vorhanden sind, aber nicht systematisch ausgewertet werden. Die Balanced IT Scorecard bringt diese disparaten Informationen in einen strukturierten Zusammenhang.

Bei der Auswahl der KPIs gilt: Weniger ist mehr. Eine typische Scorecard kommt mit 15 bis 25 Kennzahlen aus – vier bis sechs pro Perspektive. Zu viele Metriken verwässern den Fokus und machen das System schwerfällig. Besser ist es, sich auf die wirklich kritischen Erfolgsfaktoren zu konzentrieren.

Die technische Umsetzung reicht von einfachen Excel-basierten Lösungen bis zu spezialisierten Business-Intelligence-Systemen. Gerade in der Anfangsphase kann ein pragmatischer Ansatz mit Bordmitteln sinnvoll sein, um schnell erste Erfahrungen zu sammeln. Später lässt sich dann auf professionelle Scorecard-Software umsteigen, die Automatisierung und bessere Visualisierungen bietet.

Typische Herausforderungen und Lösungsansätze

Die Praxis zeigt: Die größten Hürden bei der Einführung einer Balanced IT Scorecard sind selten technischer Natur. Vielmehr scheitern Projekte an organisatorischen und kulturellen Faktoren.

Eine häufige Falle ist die Kennzahlen-Fixierung. Wenn Metriken zum Selbstzweck werden und ihre Verbesserung wichtiger erscheint als der tatsächliche Geschäftsbeitrag, läuft etwas schief. Die Scorecard sollte stets Mittel zum Zweck bleiben – ein Instrument zur strategischen Steuerung, nicht zur Mitarbeiterkontrolle.

Widerstand kann auch entstehen, wenn die IT-Abteilung die Scorecard als Bedrohung wahrnimmt oder befürchtet, durch transparente Kennzahlen angreifbar zu werden. Hier hilft nur konsequente Kommunikation: Die Balanced IT Scorecard dient nicht der Schuldzuweisung, sondern der gemeinsamen Verbesserung. Frühzeitige Einbindung der Mitarbeiter in die Entwicklung der Scorecard schafft Akzeptanz.

Ein weiteres Problem ist die Datenqualität. Kennzahlen sind nur so gut wie die zugrundeliegenden Daten. Unvollständige oder inkonsistente Erfassungen führen zu verzerrten Ergebnissen. Deshalb muss die Implementierung einer Scorecard oft mit der Etablierung oder Verbesserung von IT-Service-Management-Prozessen einhergehen.

Integration mit ITIL und anderen Frameworks

Die Balanced IT Scorecard spielt gut mit etablierten IT-Management-Frameworks zusammen. ITIL beispielsweise liefert mit seinen Service-Management-Prozessen viele der benötigten Kennzahlen für die Prozess- und Kundenperspektive. Incident-Zahlen, Change-Success-Rates oder die Einhaltung von SLAs sind ITIL-Metriken, die direkt in die Scorecard einfließen können.

Auch mit COBIT, dem Framework für IT-Governance, gibt es natürliche Schnittstellen. COBIT fokussiert stark auf Kontrolle und Compliance – Aspekte, die in der Finanz- und Prozessperspektive der Scorecard abgebildet werden. Die Verbindung beider Ansätze ermöglicht eine umfassende IT-Steuerung, die sowohl strategische als auch operative Dimensionen abdeckt.

Agile Organisationen können die Scorecard mit DevOps-Metriken anreichern. Deployment-Frequenz, Lead Time for Changes oder Mean Time to Recovery sind moderne Kennzahlen, die die Agilität und Innovationsfähigkeit der IT messbar machen.

Digitalisierung verändert die Scorecard

Die fortschreitende digitale Transformation stellt neue Anforderungen an die Balanced IT Scorecard. Wenn IT nicht mehr nur unterstützende Funktion ist, sondern zum strategischen Differenzierungsfaktor wird, müssen die Kennzahlen dies widerspiegeln.

Moderne Scorecards berücksichtigen zunehmend Aspekte wie Time-to-Market für digitale Services, die Anzahl erfolgreicher digitaler Innovationen oder den Beitrag der IT zu neuen Geschäftsmodellen. Die klassische Kundenperspektive erweitert sich um externe Kunden, wenn die IT kundenorientierte digitale Plattformen betreibt.

Auch Themen wie IT-Sicherheit und Datenschutz gewinnen an Gewicht. Viele Organisationen ergänzen ihre Scorecard um spezifische Security-KPIs oder integrieren eine fünfte Perspektive für Risikomanagement und Compliance.

Ausblick: Von der Scorecard zur IT-Strategie-Execution

Die Balanced IT Scorecard ist nicht nur ein Reporting-Instrument. Richtig eingesetzt, wird sie zum Motor für die Umsetzung der IT-Strategie. Regelmäßige Scorecard-Reviews schaffen einen strukturierten Rahmen für strategische Diskussionen im IT-Management.

Viele Organisationen nutzen die Scorecard heute als Grundlage für ihre IT-Roadmap. Wenn Kennzahlen zeigen, dass strategische Ziele nicht erreicht werden, löst dies gezielte Initiativen aus. Die Scorecard macht sichtbar, wo Handlungsbedarf besteht und hilft bei der Priorisierung von IT-Projekten.

In Zeiten zunehmender Geschäftsorientierung der IT ist die Balanced IT Scorecard ein Werkzeug, das die Brücke zwischen technischer Exzellenz und Geschäftswert schlägt. Sie übersetzt IT-Leistung in eine Sprache, die auch das Top-Management versteht, und schafft damit die Grundlage für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen IT und Fachbereichen.

Für IT-Führungskräfte, die den Wertbeitrag ihrer Abteilung demonstrieren und ihre Organisation strategisch weiterentwickeln wollen, führt heute kaum ein Weg an einer systematischen, ausgewogenen Erfolgsmessung vorbei. Die Balanced IT Scorecard bietet dafür einen erprobten und flexiblen Rahmen.

Lars

Becker

Redakteur

IT Verlag GmbH

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