Überblick und Zukunft von Onlineshop-Systemen

Wie fit sind Shopsystem-Anbieter für den digitalen Wandel?

Die Umsätze im Online-Geschäft sind seit Erfindung des Internets stetig gestiegen, in den letzten 10 Jahren jedoch nahezu explodiert. Das Angebot und der Verkauf von Produkten in einem Webshop sind für zahlreiche Unternehmen bereits fester Bestandteil des Vertriebsmodells.

Dies gilt für kleine und mittelständische Unternehmen in gleicher Weise wie für große Unternehmen. Andererseits gibt es noch zahlreiche Nachzügler wie etwa Fachhändler, Großhändler und zunehmend mehr Hersteller, die beabsichtigen kurz- oder mittelfristig in das E-Commerce (Electronic Commerce) Geschäft einzusteigen. Häufig formuliertes Ziel der Einführung von E-Commerce ist es, am Umsatzwachstum im Bereich E-Commerce zu partizipieren, die eigene Reichweite zu erhöhen, den Kundenservice zu verbessern sowie die Effizienz der Auftragsabwicklung zu steigern. Für den Aufbau eines Onlineshops ist eine zukunftsfähige IT-Infrastruktur bzw. ein modernes Shopsystem erforderlich, um neuen und künftigen Herausforderungen des Internetgeschäfts gewachsen zu sein. Umso wichtiger ist es, die Shopsystem-Auswahl hinreichend zu fundieren.

Anzeige

Das Dortmunder Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) hat in der neuen Studie „Onlineshop-Systeme zur Digitalisierung des Handels“ 19 Marktführer der E-Commerce-Branche unter verschiedenen Gesichtspunkten verglichen. Neben der strategischen Ausrichtung und den allgemeinen Hintergrundinformationen der Systemanbieter wurde der Funktionsumfang der angebotenen Systeme im Front- und Backend detailliert untersucht. Ferner wurde der Innovationsgrad der Anbieter in Bezug auf den digitalen Wandel bewertet.

Die Studienergebnisse bezogen auf den funktionalen Vergleich der Systeme zeigen, dass die betrachteten Softwareprodukte einen hohen bis sehr hohen Funktionsumfang aufweisen. Es handelt sich um E-Commerce Lösungen mit einem hohen Reifegrad und einer stabilen Unternehmensstruktur im Hintergrund. Unter den Anbietern sind sowohl große Konzerne wie etwa IBM und Oracle als auch kleinere – aber durchaus attraktive – Anbieter, die ebenfalls moderne und umfassende Lösungen anbieten.

Vergleich der Shopsystem-Anbieter

Die Auswahl eines Onlineshop-Systems ist, vergleichbar mit der Auswahl eines ERP-Systems, eine Entscheidung von großer Tragweite. Die enge Verzahnung eines Shopsystems mit einem Warenwirtschafts- oder ERP-System und ggf. einem Warehouse Management System verkompliziert die Suche und Auswahl zusätzlich. Insbesondere im Mittelstand, aber besonders im gehobenen Mittelstand, gewinnt das Kriterium der Innovationsfähigkeit eines Onlineshop-Anbieters im Zusammenhang mit dem digitalen Wandel zunehmend an Bedeutung. Einige Unternehmen stellen sich die Frage, inwieweit einzelne Anbieter unter Berücksichtigung moderner Technologien der Industrie 4.0 für die Zukunft gewappnet sind.

Digitale Transformation bei Onlineshop-Anbietern spürbar

Der digitale Wandel, häufig auch als Prozess der digitalen Transformation bezeichnet, beschränkt sich längst nicht mehr auf die industrielle Fertigung (z.B. Smart Factory) und die Logistik. In der Industrie 4.0 werden Produktion und Logistik zunehmend durch Kommunikations- und Informationstechnologien miteinander verschmolzen. Der Effekt der digitalen Transformation ist mittlerweile jedoch weitreichender. Sowohl in der Forschung wie auch in der Praxis existieren zahlreiche Belege dafür, dass die Digitalisierung immer mehr Funktionsbereiche in Unternehmen erfasst und damit auch Handelsprozesse revolutioniert. Der rasante Aufschwung des E-Commerce ist ein anschauliches Beispiel für diese Entwicklung.

Im Rahmen der Marktstudie „Onlineshop-Systeme zur Digitalisierung des Handels“ hat das Fraunhofer IML u.a. untersucht, inwieweit sich Onlineshop-Anbieter mit dem Thema Industrie 4.0 / Handel 4.0 auseinandersetzen. Wer auf der Suche nach einem möglichst innovativen Systemhaus bzw. einem Hersteller eines E-Commerce Systems ist, wird bei der Betrachtung der zusammenfassenden Studienergebnisse schnell ernüchtert. Die Studie zeigt zwar, dass sich bereits ein signifikanter Anteil der Anbieter mit der Thematik Industrie 4.0 bzw. Handel 4.0 auseinandersetzt (79 Prozent). Bei Betrachtung der einzelnen konkreten Umsetzungs- und Forschungsprojekte zeigt sich jedoch ein etwas differenziertes Bild.


Katharina Kompalka

 

Der digitale Wandel berührt uns alle. Auch Onlineshop-Anbieter haben punktuell erkannt, dass Sie ihre Entwicklungen vorantreiben müssen, um mit der Digitalen Transformation Schritt halten zu können“

Katharina Kompalka, wissenschaftliche Mitarbeiterin Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML)

 


Ein Drittel der E-Commerce Systemanbieter erkennt die Vernetzung unterschiedlicher Systeme, Geräte (Devices) und Maschinen über API-Schnittstellen sowie die hierdurch erzielte Automatisierung von Geschäftsprozessen als einen wichtigen Bestandteil von Industrie 4.0. Dies ist positiv, denn nur diejenigen Anbieter, die es schaffen effiziente Standardschnittstellen und zu nutzen oder zu entwickeln, verschaffen sich langfristig Wettbewerbsvorteile. Die Verknüpfung unterschiedlicher Endgeräte und Systeme wird zunehmend wichtiger, insbesondere vor dem Hintergrund einer Zunahme an Expertensystemen im Bereich des E-Commerce (z.B. Payment Systeme, Search Engines, Logistiksysteme).

Einige Anbieter sehen in dem Ausbau der B2B-Funktionen für die systembasierte Vernetzung von Handelspartnern einen wesentlichen strategischen Schritt in Richtung Industrie 4.0. Es ist zu erwarten, dass immer mehr Shopsystem-Anbieter künftig auch B2B-Funktionen implementieren, um das Projektgeschäft mit Herstellern und Großhändlern aufzubauen oder zu erweitern. 63 Prozent der befragten Anbieter sind bereits heute in der Lage, B2B-Prozesse abzubilden.

Die Anbieter verfolgen ferner die nahtlose Verknüpfung der Online und Offline Welten im E-Commerce. Im Fokus steht dabei die Entwicklung von Funktionen, die das Omni-Channel Geschäft hinreichend unterstützen. Hierunter versteht man die Verbindung von Onlineshops, Filialen, Mobile Apps, Service Centern und Social Media Plattformen, sodass das Einkaufserlebnis einheitlich bleibt. Zentrale Herausforderung ist die Verknüpfung der Auftrags- und Bestandsinformationen (z.B. Bestandverfügbarkeit, Lieferzeit) der vorhandenen Vertriebskanäle.

Großes Potenzial wird der Cloud-Technologie zugesprochen. Da die Akzeptanz für Cloud-basierte Systeme und Anwendungen immer weiter zunimmt, wird erwartet, dass die Anzahl der angebotenen Cloud-Lösungen und Applikationen im E-Commerce Umfeld in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird. Ein größerer Konsens unter den Anbietern besteht auch darin, dass sich die Geschäftsmodelle in der E-Commerce Branche wandeln werden, um adäquat auf die neuen Trends zu reagieren. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die klassischen Onlineshop-Systeme in der Ausprägung von On-Premise Lösungen zwar nie verdrängt werden, jedoch zunehmend individualisierbare Services auf Basis der Cloud-Technologie nachgefragt und am Markt angeboten werden. Sollte sich diese Nachfrageprognose bestätigen, sind diejenigen Anbieter, die die Cloud-basierte Lösungen anbieten, klar im Vorteil.

Die Blockchain-Technologie ist bei den Onlineshop-Anbietern dagegen noch nicht angekommen. Lediglich 3 von 19 Herstellern haben diese Technologie als Chance wahrgenommen und nehmen forschungsseitige Bemühungen in diese Richtung auf. Anders sieht es bei dem Thema der Marktplatzanbindung aus. Die Verknüpfung von Webshops mit Marktplätzen wie etwa Amazon, Ebay etc. wird von den befragten Anbietern als sehr wichtig angesehen, da zunehmend mehr Händler diese Vertriebskanäle parallel zu einem Onlineshop erschließen wollen. 79 Prozent der Systemanbieter bieten eine Schnittstelle zu Amazon, 74 Prozent der Anbieter eine standardisierte Anbindung zu Ebay an.

Eine größere Rolle spielen die Themen Data Analytics und Spracherkennung (auch bekannt als Voice Commerce). Wie auch ERP-Lösungen müssen Onlineshop-Systeme künftig nicht nur in der Lage sein, große Datenvolumina und heterogene Datenformate (z.B. Sprachdaten) zu analysieren. Darüber hinaus wird auch erwartet, dass sie diese Dateninterpretieren können, um daraus Maßnahmenvorschläge abzuleiten. Die Umwandlung von riesigen Datensätzen (Big Data) in brauchbare Daten (Smart Data) wird immer wichtiger. Einige Anbieter sind dabei, Algorithmen zu entwickeln, die das maschinelle Lernen unterstützen. Denn eins ist klar: Künftig wird die Bedeutung der Interpretation des Navigations-, Such- und Kaufverhaltens von Nutzern im Internet zunehmen, da die technologischen Instrumente hierfür bereits vorhanden sind. Die Analyse und Interpretation dieser Massendaten soll künftig zunehmend von Onlineshop-Systemen übernommen werden und die Entwicklung von Anwendungen in Richtung Künstliche Intelligenz wird zunehmen wahrscheinlicher.

Wie sieht die Zukunft der Onlineshop-Systeme aus?

Der exponentiell steigende Bedarf an professionellen Lösungen zur technischen Implementierung eines Onlineshops hat dazu geführt, dass die Dynamik der Entwicklung von Funktionen in Onlineshop-Systemen zugenommen hat. Das Wettbewerbsumfeld ist durch mehr Nachfrager, aber auch mehr Anbieter gekennzeichnet. In den letzten 20 Jahren haben sich die Systeme von reinen Storefront-Systemen, mit ausschließlichem Fokus auf die Warenpräsentation, zu komplexen Expertensystemen mit umfassenden Features für die automatisierte Auftragsabwicklung und das Marketing entwickelt. Was noch zu Gründungszeiten der ersten Vormodelle von Shopsystemen undenkbar war, ist heute bereits eine als Standard verbreitete Kernfunktion. Es ist zu erwarten, dass diese Entwicklungsdynamik in den nächsten Dekaden anhalten wird. Personalisierung wird künftig eine größere Rolle spielen, um sich sowohl auf Anbieter, als auch auf Händlerseite von der Konkurrenz abzugrenzen. Unter Personalisierung fällt nicht nur die Individualisierbarkeit des Frontends eines Shops, sondern auch die Bereitstellung von personalisierbaren Suchergebnissen.

Mit Blick auf den digitalen Wandel befinden sich die Anbieter von Onlineshop-Systemen den Studienergebnissen zu Folge in einer Übergangs- bzw. Transformationsphase. Die zentralen, bereits vorhandenen, Technologien der Industrie 4.0 werden seitens der Anbieter anvisiert (AR, VR, 3D, Sprachsteuerung, Blockchain). Einige Anbieter sind hier Vorreiter, andere Hersteller haben im Bereich der Forschung und Entwicklung noch Nachholbedarf. Um den Unternehmenserfolg nachhaltig zu sichern, ist es erforderlich, dass Anbieter von Shopsystemen die voranschreitende Digitalisierung nicht ignorieren und technische Projekte in Industrie und Forschung definieren, aus denen später Alleinstellungsmerkmale entstehen können.

Katharina Kompalka, wissenschaftliche Mitarbeiterin Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML)

www.iml.fraunhofer.de
 

Anzeige

Weitere Artikel

Newsletter
Newsletter Box

Mit Klick auf den Button "Jetzt Anmelden" stimme ich der Datenschutzerklärung zu.