Seit April ist TikTok offiziell auch in Deutschland als Verkaufsplattform aktiv – und mischt damit den Social-Commerce-Markt kräftig auf.
Die App, die bislang für virale Tanzvideos und kreative Kurzclips bekannt war, wird nun zunehmend zur Einkaufsbühne. Für Händler und Verbraucher beginnt damit ein neues Kapitel des Online-Shoppings – eines, das sowohl Chancen als auch Herausforderungen birgt.
Kauf per Wischbewegung: Wenn Unterhaltung zum Shop wird
TikTok verfolgt im E-Commerce einen eigenen Ansatz: Die Nutzer:innen konsumieren kurze, unterhaltsame Videos, während ihnen Produkte scheinbar beiläufig präsentiert werden. Der Kauf ist mit wenigen Klicks erledigt – dank integrierter Bezahlfunktionen innerhalb der App.
Im Gegensatz zum klassischen Online-Shopping, bei dem ein gezielter Suchprozess stattfindet, erfolgt der Einkauf hier oft spontan. Die Plattform kennt ihre Nutzer:innen gut – durch ausgeklügelte Algorithmen werden passende Inhalte und Produkte gezielt angezeigt. Was früher aktive Entscheidung war, passiert heute eher passiv: Man stößt auf ein Produkt – und kauft es direkt. Social Commerce wird damit zum emotionalen Erlebnis.
Impuls statt Planung: Die Schattenseite der Spontankäufe
Doch der Komfort hat seinen Preis. Denn wo impulsiv gekauft wird, wird auch häufiger zurückgeschickt. Genau hier beginnt das Problem für viele Online-Händler: Der logistische Mehraufwand, den eine steigende Zahl an Retouren mit sich bringt, ist erheblich.
Artjom Bruch, Geschäftsführer des Unternehmens Trusted Returns, sieht im wachsenden Social-Commerce-Trend nicht nur Umsatzpotenziale, sondern auch operative Risiken. Laut seiner Einschätzung braucht es dringend durchdachte Retourenprozesse, wenn spontane Käufe nicht zum logistischen Albtraum werden sollen.
Retourenmanagement wird zur strategischen Notwendigkeit
Eine aktuelle Studie von IFH Köln und KPMG bestätigt: Die Bereitschaft zum Einkauf über soziale Plattformen ist hoch – rund drei Viertel der befragten Konsument:innen haben bereits via Instagram, TikTok oder vergleichbaren Kanälen eingekauft. Besonders Mode, Technik und Freizeitprodukte stehen im Fokus.
Was dabei oft unterschätzt wird: Anders als im traditionellen E-Commerce fehlt bei Social Commerce häufig die rationale Abwägung. Dies führt zu mehr Fehlkäufen – und in der Folge zu einer Rückgabewelle. Unternehmen müssen daher frühzeitig auf nachhaltige und digitale Rückgabeprozesse setzen, um sowohl Umwelt als auch Betriebskosten im Griff zu behalten.
Post-Purchase-Prozesse dürfen kein Nebenschauplatz bleiben
Der Verkaufsabschluss darf nicht als Ende, sondern muss als Teil eines größeren Ganzen verstanden werden. Besonders Plattformen wie TikTok, die Shopping nahtlos in den Alltag integrieren, fordern auch im After-Sales-Bereich neue Antworten. Retouren müssen einfach, nachvollziehbar und effizient gestaltet sein – idealerweise so unkompliziert wie der Kauf selbst.
Bleibt dieser Bereich unterentwickelt, geraten Lieferketten schnell ins Wanken. Die Folge: Verzögerungen, steigende Kosten und unzufriedene Kunden. Ein stabiler, skalierbarer Retourenprozess wird so zur Grundvoraussetzung für langfristigen Erfolg im Social Commerce.
Zwischen Innovation und Verantwortung
TikTok zeigt, wie eng Unterhaltung und Konsum heute miteinander verflochten sind. Doch mit der neuen Leichtigkeit des Shoppings wächst auch die Verantwortung für Händler. Wer Social Commerce ernsthaft betreibt, muss nicht nur verkaufen – sondern auch zurücknehmen, verarbeiten und kommunizieren können.
Impulse sind schnell, Prozesse oft träge. Um diesen Widerspruch aufzulösen, braucht es ein Umdenken im E-Commerce: Weg vom reinen Fokus auf Conversion Rates, hin zu einer ganzheitlichen Perspektive, die den gesamten Kaufprozess einschließt – vom ersten Swipe bis zur potenziellen Rücksendung.