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Kundenzentrierung im Zeichen des ROI

Es geht nicht nur um den ROI. Das klingt dramatisch, aber es ist zutreffend. Wir beobachten seit Jahren eine gewaltige Transformation. Die Zeiten der Produktzentrierung sind langsam aber sicher vorüber. Ein Fanal in diese Richtung war die Einstellung des Otto-Hauptkatalogs im Jahr 2018.

Ein Hauptkatalog ist ein Werbemittel. Dieses Werbemittel hatte aber den Status eines Kulturguts erreicht. Anders ist es nicht zu erklären, wieso Spiegel Online die Nachricht an dem Tag auf Position 1 hatte. Dieser Katalog war aber auch der Inbegriff der Produktzentrierung.

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Otto hat damit sein Geschäft natürlich nicht zu einem Geheimprojekt gemacht. Vielmehr ist – so zumindest meine Interpretation von außen – die Einstellung des Hauptkatalogs ein Meilenstein in der Transformation zu echter Kundenzentrierung.

Kundenzentrierung bedeutet für das Marketing-Programm, dass man einen Kunden zu jeder Zeit bestmöglich versteht und die jeweils bestmögliche Ansprache wählt. Ein großer Katalog ist da denkbar schlecht geeignet, wenn man schnell und auf den Punkt den Bedürfnissen der Kunden gerecht werden möchte. Verstehen Sie mich nicht falsch. Kataloge sind schon oft totgesagt worden. Viele unserer Kunden setzen weiterhin sehr erfolgreich auf dieses Instrument. Aber heute wird es immer mehr und effizienter in ein Konzert von Aktivitäten eingebunden.

Signale des Kunden verstehen

Aber wie kann das gelingen? Zunächst einmal muss man die Signale aufnehmen, die Kunden aussenden. Käufe sind die klassischen Treiber der Kundenanalysen. Und für die meisten Kundensituationen sind die Informationen darüber, ob jemand Geld ausgibt, auch immer noch sehr wertvoll.

Aber es gibt natürlich mehr. Und welche Daten man sammeln kann, hängt stark mit dem Geschäft zusammen, das man betreibt. Online getriebene Geschäftsmodelle werden eher Daten aus Shop- und App-Interaktionen nutzen können, Retailer möglicherweise den Einsatz von Kundenkarten und die geografischen Muster, die sich ergeben. Wieder andere Geschäftsmodelle haben vielleicht mehr klassische CRM-Kommunikation.

Um diese Daten verwenden zu können, muss man sie natürlich verfügbar machen. Das setze ich hier einmal voraus. Ich weiß, die Voraussetzung klingt hart und das ist sie auch. Und die Realität zeigt, dass man nie perfekte Daten hat. Für das Reporting kann das zum Problem werden. Für Kundenzentrierung ist es allerdings kein Problem. Beim Versuch, perfekte Daten zu generieren, verliert man viel Zeit, in der man bereits an der Kundenzentrierung arbeiten könnte (Sind Sie unsicher, ob Ihre Daten fit sind für Kundenzentrierung? Sprechen Sie uns an. Wir machen dann einen unverbindlichen Data Call).

Die Signale, die in den Daten stecken, müssen in ihrer Gesamtheit verstanden werden. Nur dann kann es gelingen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Diese Entscheidungen müssen rund um die Uhr und möglicherweise global getroffen werden. Wer soll das machen? Genau, ein Team kann man dafür nicht aufbauen. Man benötigt Algorithmen, die die Entscheidungen übernehmen.

Kundenzentriert arbeiten = viele Entscheidungen treffen

Können die Algorithmen gute Entscheidungen treffen? Ja, auf jeden Fall. Wenn man sich als Mensch die Zeit nehmen könnte, jede einzelne Kundenbeziehung in der Tiefe zu durchdringen, würde man vielleicht noch bessere Entscheidungen treffen. Aber das ist schlichtweg nicht machbar. Und wenn man einmal auf die Produktzentrierung schaut, muss man ja auch sagen, dass wir alle nicht aus so einer Situation kommen. Vielmehr wurden bereits in der Vergangenheit Konzepte wie RFM (Automate User Segmentation) um- oder Algorithmen eingesetzt.

Doch jetzt geht es darum, diese eher fixen und noch nicht feingliedrigen Entscheidungssysteme abzulösen. Wenn man kundenzentriert arbeiten möchte, dann muss man viele verschiedene Entscheidungspunkte gut abdecken. Häufig sind es hunderte, oft auch tausende von so genannten Touchpoints, an denen Entscheidungen zu treffen sind. Diese Entscheidungen müssen dann natürlich automatisiert werden.

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Hilft denn Machine Learning?

Und bei der Einführung von beispielsweise Machine Learning (ML) für diese Entscheidungen beobachten wir teilweise, dass die Erwartungshaltung gegenüber diesen Systemen teilweise zu hoch ist. ML ist verdammt gut, aber häufig sind bisher aufgebaute Entscheidungssysteme auch schon richtig gut.

Ein Beispiel: Wenn man bislang einen Katalog an seine Bestandskunden versendet hat, dann ist die Selektion der Empfänger über die Jahre fast immer ziemlich gut optimiert worden. Es kommen viele Erfahrungswerte zum Einsatz. Wenn man nun die gleiche Selektion mit ML-Verfahren macht, dann ist der so genannte Lift – also der zusätzliche Umsatz, den man aufgrund der ML-Verfahren erzielt – häufig nicht allzu hoch. Das hat nichts damit zu tun, dass die ML-Verfahren nicht gut sind. Sondern es hat damit zu tun, dass die bisher aufgebauten Verfahren bereits richtig gut waren.

Nun bekommt man ML natürlich nicht kostenlos. Egal ob inhouse oder über Software gelöst, fallen für den Einsatz Kosten an. Und deswegen liegt die ROI-Betrachtung nahe. Rechtfertigt der Lift die Kosten? Diese Frage MUSS man sich stellen. Sollte man mit den ML-Algorithmen schlechter performen als mit den bekannten Regeln, liegt fast immer noch ein Fehler in der Konfiguration des Machine Learnings vor. Die Algorithmen sind mittlerweile wirklich gut. Dass sie schlechter performen, gibt es eigentlich nicht mehr.

Entscheidungen skalieren

Aber es geht ohnehin um etwas anderes: Wenn ich Kundenzentrierung will, muss ich alle relevanten Touchpoints mit entsprechenden Entscheidungssystemen ausstatten. Das lässt sich mit Erfahrungswissen nicht skalieren. Wenn man anstelle von ein paar wenigen Selektionen auf 10 oder 20 Entscheidungspunkte hochgeht, sprengt bereits dies die Möglichkeiten, jeweils manuell und mit Erfahrungswissen Entscheidungssysteme aufzubauen, so wie es für die großen Selektionen noch möglich war. Und lernen diese manuell entwickelten Entscheidungssysteme selbst?

Das ist nur dann der Fall, wenn man immer wieder Zeit in diese Systeme steckt. Also, selbst lernen, findet nicht statt. Aber doch lernen – aber eben mit viel Aufwand. Wenn man nach dem ersten Einsatz von ML-Verfahren jetzt eine ROI-Betrachtung macht, läuft man Gefahr, den Wert deutlich zu unterschätzen. Hat man nur relativ wenig Lift gegenüber RFM erzielt, dann kommt eine ROI-Betrachtung möglicherweise zu dem Schluss, dass es nicht lohnenswert ist. Aber was ist mit den anderen Touchpoints?

Nehmen wir beispielsweise die Frage nach der Entwicklung neuer Kunden – ein Use Case, den wir als First to second order bezeichnen. Hier kann man mit RFM nur wenig bewirken. Alle Kunden haben per Definition eine geringe Recency. Sie haben auch alle die gleiche Frequency und der erste Warenkorb ist meistens relativ klein, so dass man auch über den Monetary Value noch wenig Möglichkeiten zur Unterscheidung der Kunden hat.

Aber natürlich steckt im ersten Kauf schon extrem viel Information. In welchen Größen wurden die Produkte bestellt, welchen Marken? Über welchen Kanal kam die Kundenbeziehung zustande? Was ist das (geschätzte) Alter? Alle diese Informationen ergeben zusammen ein ziemlich vollständiges Bild, wie die Entwicklungsmöglichkeiten in den einzelnen Kundenbeziehungen sind – und das bereits direkt mit dem ersten Warenkorb. Welchen Wettbewerbsvorteil kann man erzielen, wenn man in die neuen Kundenbeziehungen, die sich wirklich entwickeln lassen, richtig investieren kann, weil man vorher weiß, dass der Streuverlust sehr niedrig sein wird?

Ergebnis

Und hier verlassen wir die Messung der Bedeutung durch den ROI. In diesen Anwendungsfällen kommen die teilweise fantastisch klingenden Lifts zustande, die man in den Case Studies zu AI-Anwendungen findet. Auch wir sind hier durchaus schuldig.

Das faszinierende ist, dass man diese Analyse auch selbst als Mensch machen könnte. Wenn Sie sich die Infos zu einer neuen Kundenbeziehung in Ruhe ansehen, werden Sie gute Entscheidungen darüber treffen können, wie weiter vorzugehen ist. Nur diese Zeit hat man halt nicht. Der eigentlich Wert dieser Technologie steckt damit gar nicht in der Entscheidung selbst – sondern darin, dass Sie sehr schnell zu einer richtig guten Entscheidungsautomatisierung kommen.

Natürlich kann man einen ROI auf diese Use Cases rechnen. Man sollte es auch. Aber der Punkt ist, dass man das eigene Unternehmen auf ein ganz neues Level in der Wettbewerbsfähigkeit hebt. Stellen Sie sich vor, sie können zu jeder Zeit immer die bestmögliche Entscheidung treffen. Wie sehr würde das den Lebenswert der einzelnen Kunden heben? Hier ein Gutschein, den man gespart, dort auf Vorkasse umgestellt, weil das Retourenrisiko hoch ist und dann wiederum einen Kunden vom Abwandern abgehalten, weil Sie rechtzeitig erkannt haben, dass die Kundenbeziehung in Gefahr gerät. Das Bild mit dem ROI aus dem ersten Einsatz zu vergleichen, reicht nicht. Es geht um alles.

Björn

Goerke

CEO

Gpredictive

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