Wettlauf um die KI-Krone: Hektik im Silicon Valley

AI

Die Technologiebranche ist sich weitgehend einig: Als OpenAI am 22. November 2022 die neue Generation des Chatbot „ChatGPT“ herausgebracht hat, hat die Welt erneut einen iPhone Moment erlebt. Das von Microsoft mitfinanzierte Unternehmen war binnen weniger Tage in aller Munde und darf ohne Zweifel für sich beanspruchen, der Technologietrend des noch jungen Jahres zu sein.

Viele Branchen setzen sich bereits mit den Potentialen der generativen Künstlichen Intelligenz (KI) auseinander. Der Chatbot dürfte in vielen Bereichen alsbald eine mehr oder minder große Rolle einnehmen, ob an der Schnittstelle zum Endkunden – als 24/7 erreichbarer Ansprechpartner – oder aber als Effizienz-Booster im Backend von Unternehmen. Die Potentiale dabei scheinen groß, so kann mittels der KI das Wissen von Organisationen den Mitarbeitenden leichter zugänglich gemacht werden, Textbausteine machen das Arbeiten effizienter und Prozesse lassen sich dank schneller Nachfrage beschleunigen. Besonders beeindruckend sind zudem die Potentiale im Bereich der Softwareentwicklung und Programmierung. Es besteht kein Zweifel, dass die Technologie im Business-Bereich zahlreiche Anwendungsbereiche bietet. Besonders im Fokus des Interesses steht aktuell jedoch ein anderer Bereich: die Internetsuche. 

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Alphabets Cashcow weckt Begehrlichkeiten der Konkurrenz

Zum Jahresstart 2023 ließ sich ein wahres Wettrennen rund um die Implementierung von KI-Suchlösungen bei den US-Techriesen beobachten. Verschiedene Spieler beteuerten, den Entwicklungen rund um Künstliche Intelligenz hohe strategische Bedeutung für das eigene Geschäft beizumessen, zwischen den Giganten Microsoft und Alphabet entbrannte geradezu ein Wettrennen mit verschiedenen PR-Events. Microsoft, welches OpenAI bereits zuvor mitfinanziert hatte, kündigte an, ChatGPT zeitnah in verschiedene Lösungen – etwa den Browser sowie in die Suchmaschine Bing zu implementieren. Zudem sind Milliardeninvestitionen in den Bereich der Künstlichen Intelligenz geplant. 

Unverkennbar löste dies beim Rivalen Alphabet Alarmstimmung aus. Der Mutterkonzern von Google hat über seine Tochtergesellschaft Lambda AI in den letzten Jahren bereits selbst intensiv an Lösungen rund um Anwendungen einer KI gearbeitet, sich dabei allerdings in einem Dilemma befunden: Die Suchmaschine Google besitzt am Markt bis heute eine fast monopolartige Stellung und ist mit großem Abstand die wichtigste Cashcow des Unternehmens, jede Neuimplementierung droht, das eigene Kerngeschäft zu kannibalisieren. Ferner hatten die Strategen auch Bedenken hinsichtlich der Gefahren der Technologie angemeldet. Als Reaktion auf die Ambitionen des Rivalen Bing hat Alphabet nun aber seine Vorsicht binnen kürzester Zeit verworfen und einen eigenen Chatbot namens Bard forciert. Zudem wird man die Google-Suche um neue KI-Funktionen ausbauen und offene Schnittstellen für KI-Anwendungen bereitstellen. 

Erste Testversuche der konkurrierenden Bots haben bereits Stärken und Schwächen der Lösungen sichtbar gemacht. Im Rennen um die KI-Lösung von morgen wirkt gerade Alphabet tatsächlich wie ein Getriebener. Doch taugen Bot-Lösungen, welche Sprachantworten liefern, tatsächlich als Disruptoren des klassischen Suchmaschinengeschäfts? Mit fast 85 Prozent der weltweit durchgeführten Suchanfragen hat Google einen immensen Vorsprung gegenüber Herausforderer Bing mit ca. 9 Prozent. Die derzeit bekannteste Version der Websuche ist aktuell ein zentraler Baustein der Werbebudgets sämtlicher B2C wie auch B2B Unternehmen. Auch ein Verlust von Marktanteilen an Bing dürfte bei wenigen Kunden zu der Entscheidung führen, die Google-Dienstleistungen nicht mehr zu benötigen. Die konversationsbasierte Form der Antwort funktioniert gänzlich anders als die Vielzahl der (häufig allerdings werbebasierten) Suchantworten von heute. Wie derartige Antworten überhaupt zu monetarisieren sind, bleibt bis dato noch weitgehend offen.

Stand heute sind die Lösungen auch gar nicht technologisch in der Lage, tagesaktuelle Informationen zu liefern, was den Service für viele Konsumanfragen ohnehin schwieriger nutzbar macht – man denke etwa an Preisanfragen oder Produktvergleiche. 

Zwar ist absehbar, dass die Bot-Lösungen die Nutzererfahrung bei der Suche deutlich verbessern können, ob für die Anbieter jedoch neue Monetarisierungsmöglichkeiten entstehen, welche an die derzeit bereits erzielten Cashflows im Werbebereich heranreichen, scheint nicht absehbar. Die Bot-Nutzung als bezahlpflichtigen Service anzubieten, dürfte für die breite Masse der Nutzer nicht zwingend attraktiv sein und wird im privaten Umfeld wohl nur eine untergeordnete Rolle spielen. Im unternehmerischen Umfeld ist das anders: hier rechnet sich der Business Case für eine gut funktionierende KI etwa im Umfeld von einfachen, wiederkehrenden Serviceanfragen sehr schnell. Gewerbliche Kunden werden schneller bereit sein, Nutzungsgebühren für den schnellen und stets verfügbaren Service zu bezahlen. Die hohen Kostensenkungspotenziale und der Service-Ausbau werden hier mittelfristig eine Investitionsoffensive lostreten. Die Monetarisierung wird sofern eher im Geschäftskundensegment und im Bereich B2B eine Rolle spielen.

Mobile Endgeräte bleiben Alphabet-Domäne

Nicht zu unterschätzen ist im Wettbewerb um die KI-Lösungen außerdem, dass Alphabet derzeit, wie kaum ein anderes Unternehmen im Besitz eines immensen Datenschatzes ist, welcher sich im technologischen Wettlauf mit Konkurrenten als wichtiges Asset bei der Entwicklung von abgestimmten Services entpuppen könnte.

Dass eine Disruption von Alphabets Services ferner extrem schwierig erscheint, liegt auch daran, dass der Riese aus dem kalifornischen Mountain View über einen extrem starken Burggraben im Bereich der mobilen Endgeräte verfügt. Durch die dominante Rolle des eigenen Android-Systems und die enge Kooperation mit Apples iOS Geräten, welche auch auf die Google Services zurückgreifen, hat man im besonders wichtigen Bereich der mobilen Suche schlicht eine komfortable Pole Position.

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Weichen stehen auf Innovation

Auch wenn Untergangsszenarien für die etablierten Geschäftsmodelle und dominante Player wie Alphabet reichlich verfrüht erscheinen, ist heute bereits absehbar, dass die Künstliche Intelligenz in den kommenden Jahren noch einmal dramatische Entwicklungsschübe im privaten wie auch im betrieblichen Bereich bringen wird. Mit dem ChatGPT Launch ist es gelungen, eine enorme Aufmerksamkeit für eine Technologie, ihre Potentiale aber auch Risiken zu generieren. Fast unterging dabei eine weitere KI-Revolution aus dem gleichen Hause: auch DALL-E strebt an, die (Kunst-)Welt in Teilen auf den Kopf zu stellen. KI scheint prädestiniert, einen echten wirtschaftlichen Superzyklus in Gang zu bringen. 

Volker

Pfirsching

Arthur D. Little

Partner und Head of Technology & Innovation Management in Zentraleuropa

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