Twitter: Alle gegen einen

Twitter Elon Musk
Bildquelle: KLYONA / Shutterstock.com

„No future for Twitter“ heißt die Lösung. Threads, Mastodon, Bluesky, sie eint ein Ziel: das Ende von Twitter. Und zugegeben, sie müssen dafür auch gar nicht so viel tun, denn Elon Musk sorgt selbst dafür, Twitter sukzessive den Kurznachrichtendienst zu beerdigen. Mit Sicherheit die teuerste Beerdigung der Welt. Die Zahlen sprechen hier eine eindeutige Sprache, denn die Kennzahlen sind tiefrot.

Vor allem die Art und Weise wie Elon Musk agiert, führt zum Niedergang des Unternehmens. Massenentlassungen per Mail, Beleidigungen, die Art und Weise wie verbliebene Mitarbeiter in einer Art Sklavenmanier gehalten werden, wie Mieten einfach nicht bezahlt werden, wie Fake News erneut Einzug halten, das hat nichts mit Innovationen zu tun. Twitter ist ein Legacy-Produkt und der Mehrwert den ein Abo als neue Erlössäule bringen soll, ist für die Anwenderseite mehr als fraglich.

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In Legacy-Welten gelten andere Spielregeln als in disruptiven Welten. Bei Tesla lief auch vieles schief. Lange Wartezeiten, Ankündigungen von Modellen, die Jahre verspätet kamen, Produktions- und Qualitätsmängel, verfehlte Umsatzziele, die Mängelliste ist lang. Trotzdem konnte sich das Unternehmen durchsetzen. Die Mitbewerber verschliefen allesamt den Trend und es zählte die Disruption.

In der Legacy-Welt von Twitter, gegründet 2006, sieht das Ganze anders aus. Vertrauen, Stabilität, Kundenzufriedenheit, sind hier die Parameter, die zählen. Und genau da liegt das Problem. 

Auf- und Abstiege

Der Niedergang hat Vorbilder. Ob bei Browsern, Suchmaschinen, Sozialen Netzen, die Liste ist lang und reicht von Namen wie Netscape, AOL, Metacrawler, Altavista, Yahoo, Frienster, MySpace bis hin zu Xing. Jeder hat grobe Schnitzer gemacht. Xing etwa, ursprünglich als Open BC als soziales Netzwerk für’s Business gestartet hat ja den großen Sprung als Alternative zu LinkedIn verpasst und dümpelt nun seit Jahren vor sich hin. Mit der Schließung der Xing-Gruppen hat sich die Plattform auf das Thema Recruiting reduziert. Die Kündigung von Premium Accounts und somit das Wegbrechen der Abo-Einnahmequelle schwächt die Position weiter. Und nun Twitter. Weder haben die Personaleinsparungen und das neue Abomodell das Wegbrechen der Werbeerlöse kompensiert und ein Turnaround ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: die Nutzerzahl erodiert und auch die verbliebenen Werbekunden, da muss man sich nichts vormachen, werden auf Alternativen setzen, sobald diese stabil laufen und KPIs vorweisen können.

No future for Twitter

Der Umbruch bei den Kurznachrichtendiensten steht also bevor. Twitter hat keine Zukunft. Denn dass es überhaupt noch so viele Accounts gibt, das hat im Wesentlichen mit den Alternativen zu tun, die bis vor Kurzem rar waren. Viele Unternehmen haben viel Zeit, Ressourcen und Geld in die Nutzergewinnung bei Twitter investiert. Das schmeißt man nicht so einfach hin, aber sobald es diese Alternativen gibt, kein Zweifel, wird eine Neujustierung vollzogen. Nur welche? Wo liegen die Unterschiede?

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Threads

Schon kurz nach dem Start hat die Plattform Mitte Juni die Anzahl von über 100 Millionen Usern überschritten, Tendenz steigend. Das Problem: durch die kurzfristige Freigabe nach einer von Elon Musks Eskapaden sind viele geplante Funktionen noch gar nicht verfügbar. Wir denken, dass sich das schnell ändern wird.

Auch ist die App für Europa noch nicht freigegen. Die Registrierung war über Umwege mit VPN und Herunterladen der APK-Datei dennoch möglich, aktuell sind aber wieder alle deutschen Nutzer ausgesperrt.

Strategiewechsel

Was viele noch nicht bemerkt haben. Die Einführung von Threads geht einher mit einem Strategiewechsel. Auf das (nicht so richtig) zündende Metaverse folgt das Fediverse. Kurz und knapp wird es bei Wikpedia wie folgt beschrieben: Das Fediversum bezeichnet ein Netzwerk föderierter, voneinander unabhängiger sozialer Netzwerke, Mikroblogging-Dienste und Webseiten für Online-Publikation oder Daten-Hosting. Das Konzept kam 2008 mit GNU Social auf und verbreitete sich 2016 vermehrt mit Mastodon und dem 2018 vom World Wide Web Consortium (W3C) definierten Kommunikationsprotokoll ActivityPub

Mastodon

Und damit sind wir gleich beim nächsten Player: Mastodon. Der oft Twitter-Clone genannte Dienst konnte sich nie so richtig durchsetzen. Im fehlte einfach der Bekanntheitsgrad, den Meta mit Facebook, Instagram & Co. viel einfacher erreichen kann. Ein zusätzliches Handicap war und ist das Anmeldeprozedere, weil es anders als bei anderen sozialen Netzwerken funktioniert.

Der größte Unterschied: Mastodon ist dezentral strukturiert. Man kann es am besten beschreiben, indem man es mit einer E-Mail vergleicht. Sie kann via Outlook, Gmail, gmx, web.de etc. versendet werden. Sie kommt immer an, egal welchen Dienst der andere User nutzt. Bei Mastodon sucht man sich einfach den passenden Dienst aus und kann dann mit allen deren Usern kommunizieren. Fällt irgendein Mastodon-Server aus, beeinträchtigt das das Netz keinesfalls. Es ist ein offener Dienst, der nicht von Technik, Lust und Laune einer Person abhängt.

Fedipact

Natürlich hat die Facebook Ankündigung auch Auswirkungen aus Mastodon. Wie immer bei etwas Neuem gibt es Chancen und Risiken. Facebook als Datenkrake stößt natürlich bei Anwendern und Betreibern der Mastodon-Infrastruktur auf Widerstand.

Unter dem Namen „Fedipact“ gibt es eine Protestbewegung gegen den Meta-Einstieg und die Infrastruktur-Betreiber kündigten gleich im Voraus an, die Vernetzung mit Threads zu blockieren. Auch das erlaubt das dezentrale Mastodon. Chris Messina, der Hashtag-Erfinder stellt die Frage, ob Mastadon bei (nur) 8 Millionen Usern verharre oder doch lieber das Meta-Potenzial von rund 2,35 Milliarden Anwendern nutzen solle.

Bluesky

Bluesky Social ist ein neuer Microblogging-Client, der ähnlich aussieht und funktioniert wie Twitter. Allerdings setzt das Unternehmen wie Mastadon auf ein dezentrales Konzept. Der von Ex-Twitter Chef Jack Dorsey favorisierte Dienst hat geschätzt etwas mehr als 100.000 User und derzeit mit Sicherheit die schlechtesten Karten, wenn es um das Thema Marktführerschaft geht.

Bluesky ist kein kommerzielles Unternehmen, sondern als „Public Benefit Limited Liability Company“ (PBLLC) eingetragen, also quasi eine gemeinnützige Gesellschaft. Das bedeutet, dass es einen öffentlichen Nutzen schaffen will und diesen auch regelmäßig nachweisen muss.

Fazit

Auch Meta kann nicht an den Eckpfeilern von Mastodon & Co. rütteln: Die dezentrale Speicherung von Daten, die die Privatsphäre der Nutzer besser wahrt, sind Grundpfeiler von ActivityPub und die kann auch Meta nicht so einfach umstoßen. Und es geht noch einen Schritt weiter: Der Weg für Self Sovereign Identity (SSI) – Die Identität der Zukunft ist frei! Und die wird sehr schön in diesem eBook beschrieben.

Umbruch bei sozialen Netzwerken 

Das Interesse an ActivityPub ist dabei von zentraler Bedeutung. So hat auch Tumblr Interesse angemeldet und für WordPress gibt es eine entsprechende Anbindung. Entscheidend wird auch sein, ob EU-Vorgaben, wonach Dienste, in erster Linie Messenger-Apps, künftig untereinander kompatibel sein müssen, den dezentralen Diensten und selbstbestimmten Identitäten einen Schub verleihen wird.

Womit wir auch zum Punkt komme, warum Threads bisher nicht in der EU zumindest offiziell nicht starten kann. Der neue „Digital Services Act“ der Meta-App ist rechtlich noch nicht geklärt. Was die Anwender allerdings kaum stören dürfte, siehe die oben beschriebenen Umwege. Dezentrale Dienste jedenfalls sitzen schon jetzt in der ersten Reihe, dank dem technischen Protokoll darunter.

Facts

TwitterThreadsMastodonBluesky
Nutzeranzahl 2021362,4Start 2023Start Start 2023
Nutzeranzahl 2024336 Mio.*100 Mio+***100.000+****
Werbung (ja/nein)jaja**neinnein
Umsatz Werbung 2022ca. 4 Mrd. US $
Umsatz Werbung 2023ca. 2 Mrd. US $******
Zentral/dezentralzentraldezentraldezentraldezentral
*Est.  
** Wird mit Sicherheit kommen. Die Erlöse werden im Milliardenbereich liegen, der Break-even wird bei 200 Mio. Nutzer erwartet. Zum Vergleich Twitter ist seit Beginn definzitär!
*** Stand Mitte Juli 2023
**** est., Stand Mitte Juli 2023
***** Für 2025 erwartet Mark Mahaney, vom Analysehaus Evercore ISI einen Umsatz von 8 Mrd. US $ bei geschätzt 350-500 Mio. Usern

Ulrich
Ulrich

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Parthier

IT Verlag GmbH -

Herausgeber it management, it security

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