EnergieBroker

Digitale Lösungen für den Strommarkt von morgen

Energiewende

2. Technische Realisierung

Ein Forschungsaufbau der Hochschule RheinMain implementiert die standardisierten Schnittstellen eines Energie-Brokers. Hier übernimmt eine PV-Anlage die Rolle des Verkäufers und eine Wallbox die Rolle eines Käufers. Der Energie-Broker wird auf der Infrastruktur der Hochschule betrieben und simuliert.

2.1 Prognosen

Die Prognosen setzen sich aus der Ertragsprognose, der Verbrauchsprognose und der aus diesen beiden resultierenden Ertragsüberschussprognose zusammen.

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Ertragsüberschuss = Ertrag−Verbrauch

Die Verbrauchsprognose erfolgt durch ein KNN-ML-Modell, welches belastbare Ergebnisse liefert. Zur Ertragsprognose dient ein relativ einfaches physikalisches Modell, das auch Wettervorhersagen berücksichtigt.

Tabelle1 EnergieBroker

( Tabelle 1: Prognosen und tatsächliche Werte )

Die Abweichungen zwischen den prognostizierten und den tatsächlichen Werten sind größtenteils der Ertragsprognose geschuldet. Ein ausgefeilteres Modell mit besseren Wetterdaten soll die Genauigkeit der Prognose deutlich erhöhen.

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2.2 Ablauf

Das HEMS bezieht anhand seiner gesammelten Daten das passende vortrainierte ML-Modell von einem externen Server und betreibt es anschließend lokal.

Abb3 EnergieBroker

( Abbildung 3: Übersicht der HEMS-Funktionalitäten )

Mit den lokal erstellten Prognosen werden Angebote für den Energie-Broker gebildet und so lange aktuell gehalten, bis sie vermittelt oder widerrufen wurden. Wird ein Angebot vermittelt, teilt der Energie-Broker den Handelspartnern bindend mit, dass eine Transaktion zustande gekommen ist. Für die Dauer dieser Transaktion teilen die Partner dem Broker in festen Zeitscheiben mit, welche Energiemengen sie eingespeist bzw. entnommen haben (siehe Abschnitt 2.2.2 und Abb. 4).

2.2.1 Beispiel: Ablauf eines Verkaufs

Abb4 EnergieBroker

( Abbildung 4: Vereinfachter Ablauf einer Transaktion )

Der in Abb. 4 dargestellte vereinfachte Ablauf zeigt die grundlegende Struktur eines erfolgreichen Handels. Angebote und Gesuche werden vom Energie-Broker vermittelt. Solange der Handel aktiv ist, wird dieser als aktiver Bilanzkreis geführt. Einspeisung und Bezug werden so geregelt, dass die Einspeisung dem Bezug entspricht (Gleichzeitigkeitsnachweis, siehe Abschnitt 2.2.2.). Beendet der Käufer den Bezug oder ist das Ende des vereinbarten Handels erreicht, wird der Bilanzkreis geschlossen und die gesammelten Daten werden zur Rechnungsstellung verwendet.

2.2.2 Regelung der Entnahmeleistung

Für jede Zeitscheibe (max. 15 Minuten) meldet der Anbieter die momentane bzw. vorhersehbare Einspeiseleistung sowie die in der letzten Zeitscheibe eingespeiste Energiemenge an den Broker. Der Käufer meldet im gleichen Takt seine geplante nächste Ladeleistung sowie die während der letzten Zeitscheibe entnommene Energiemenge. Der Broker antwortet mit einer Vorgabe für die Entnahmeleistung der neuen Zeitscheibe. Diese kann von der gemeldeten Einspeiseleistung abweichen. Der Käufer regelt seine Entnahmeleistung für die neue Zeitscheibe dann möglichst genau nach dieser Vorgabe.

Der Energie-Broker übernimmt die Fortschreibung der mitgeteilten Energiemengen und greift ggf. regelnd ein, um Überträge zwischen Zeitscheiben möglichst rasch wieder abzubauen. Dies erfolgt durch Mitteilung einer abweichenden Entnahmeleistung an den Käufer.

Wird absehbar, dass die zugesagte Energiemenge bis zum geplanten Transaktionsende nicht mehr entnommen werden kann, ist der Energie-Broker befugt und auch verpflichtet, die Entnahmeleistung rechtzeitig zu erhöhen. Erforderliche Energie-Differenzen werden vom regulären Strom-Markt eingekauft und dem Anbieter berechnet.

Verhalten bei Störungen

Verkäufer, Broker und Käufer sind auf stabile Netzwerkverbindungen angewiesen. Netzwerkstörungen werden als seltene Ereignisse behandelt. Wegen der geringen Handelsbeträge pro Transaktion und um die Systemkosten gering zu halten, werden einfache Fallback-Regeln vereinbart:

  • Bei temporären Verbindungsstörungen verwendet der Käufer die Eckdaten aus dem Angebot. Insbesondere ist er an die dort genannte Maximalleistung gebunden (im Mittel über eine Zeitscheibe).
  • Bei anhaltendem Verbindungsabbruch während einer laufenden Transaktion verhalten sich alle Beteiligten gemäß Vertragsabschluss, d. h. sie speisen über die geplante Zeit ein bzw. entnehmen die vereinbarte Energiemenge unter Beachtung der maximalen Leistung.
  • Wenn möglich werden die Transaktionsdaten an den Broker nach Wiederherstellung der Verbindung nachgemeldet.
  • Falls nicht, wird die Transaktion bis zum Verbindungsabbruch auf Basis der gemeldeten Daten und darüber hinaus so abgerechnet, als wäre sie laut Vertrag erfüllt worden (sofern möglich).

3. Diskussion

3.1 Stand der Entwicklung

Die erforderlichen Schnittstellen wurden auf Basis von REST detailliert entworfen und prototypisch mit Open-Source-Software implementiert. Zur Vermittlung des Energie-Broker-Prinzips entstanden ein Software-Demonstrator (Abb. 1) und ein vereinfachtes Hardware-Modell. Eine einfache Modell- und Wetterdaten-basierte Ertragsprognose wurde entwickelt und erste Machine-Learning-basierte Modelle zur Eigenverbrauchs-Prognose werden z. Z. validiert.

3.2 Herausforderungen

Für den Handel kleiner Energiemengen über einen Broker ist weder eine teure Installation von Zählern mit geeichter Zeitmessung noch eine Abschaltvorrichtung für Überangebote erforderlich, denn der Broker übernimmt bereits den Nachweis der Gleichzeitigkeit und den Ausgleich der gebildeten Bilanzkreise. Leider sind diese kostentreibenden Einrichtungen in Deutschland beim Handel mit PV-Überschüssen vorgeschrieben, selbst bei geringen Mengen. Bisher wäre auch eine EEG-Abgabe für die so gehandelten PV-Überschüsse zu entrichten. Diese Regelung widerspricht dem Ziel, Anreize zum Ausbau erneuerbarer Energiequellen zu schaffen und mindert auch den Anreiz zur Nutzung eines Energie-Brokers. Das Energie-Broker-Konzept bietet einen finanziellen Anreiz, PV-Kapazitäten auch über den jeweiligen Eigenbedarf hinaus aufzubauen. Es ist verwunderlich, dass dieser Ausbau immer noch regulatorisch behindert wird, obwohl er für die Energiewende dringend benötigt würde.

Während HEMS oder preisgünstige Steuer-Einheiten den Anbietern einen Anschluss an Energie-Broker relativ einfach ermöglichen könnten, ist eine einfache Nutzung durch Elektrofahrzeuge schwieriger erzielbar. Damit ein benutzerfreundliches „plug & charge“ entsteht, ist sowohl die Software der Ladesäulen als auch die der Fahrzeuge und letztlich auch die Norm ISO 15118 zu erweitern. Dies kann nur durch Einbindung der Automobilbranche als Partner gelingen.

Als technisch anspruchsvoll hat sich die Ertragsprognose herausgestellt. Sowohl beim Modellieren von Verschattungseffekten als auch bei der Präzision der vorhergesagten Sonneneinstrahlung im Tagesverlauf gibt es noch Verbesserungspotenzial. Schließlich wurde das mögliche Problem der Manipulation ausgetauschter Meldedaten durch unkooperative Marktteilnehmer noch nicht ausreichend adressiert.

3.3 Ausblick

Im hochschuleigenen Forschungsaufbau (Abschnitt 2) vereinfachen wir die Einbindung von Elektrofahrzeugen als Kunden eines Energie-Brokers. Dies geschieht zukünftig mit Hilfe von ISO-15118-basierten Dialogen. Zur Verbesserung der Ertragsprognosen ist eine engere Anbindung an Daten der Wetterdienste in Vorbereitung. Erste Feldtests („living labs“) werden aktuell konzipiert. Für den Betrieb der Energie-Broker streben wir eine Kooperation mit geeigneten Partnern aus der Energiewirtschaft an. Aktuell stellen wir die notwendigen technischen und vertraglichen Voraussetzungen her, um unser Konzept von Energie- Brokern in den Jahren 2023 bis 2028 in der Praxis zu implementieren.

Aufgrund der Klimaschutz-Ziele der Bundesregierung erwarten wir den Abbau regulatorischer Hindernisse und die Erörterung neuer Möglichkeiten, um den Weiterbetrieb der ständig steigenden Anzahl ausgeförderter PV-Anlagen zu sichern sowie einen Anreiz zur Installation neuer PV-Anlagen über den Eigenbedarf hinaus zu schaffen. Das große Interesse unserer Partner aus der Praxis an einem virtuellen Feldtest unter Realbedingungen deuten wir als starken Indikator dafür, dass Energie-Broker wie der von uns entwickelte einen effektiven, kostengünstigen und technisch vergleichsweise einfach zu implementierenden Beitrag zur Lösung der wachsenden Herausforderungen der Energiewende leisten könnten.

Hintergrund

EnergieBroker ist ein Teilvorhaben im Projekt IMPACT RheinMain an der Hochschule RheinMain, das aus dem Programm „Innovative Hochschule” des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Das Forschungsvorhaben zeigen wir auf der Hannover Messe Industrie vom 30. Mai bis 2. Juni 2022 auf dem Stand des BMBF (Halle 2, Stand C46). 

Professor

Dr. Heinz Werntges

Hochschule RheinMain -

Professor für Angewandte Informatik

Professor Dr. Heinz Werntges ist Professor für Angewandte Informatik an der Hochschule RheinMain und leitet das Teilvorhaben EnergieBroker im Rahmen des Projekts IMPACT RheinMain.

Patrick

Stoy

Hochschule RheinMain -

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Patrick Stoy ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Teilvorhaben EnergieBroker des Projekts IMPACT RheinMain an der Hochschule RheinMain.

Johannes

Kaeppel

Hochschule RheinMain -

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Johannes Kaeppel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Teilvorhaben EnergieBroker des Projekts IMACT RheinMain an der Hochschule RheinMain.
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