Maschinendaten in der Cloud: Das Grundwasser des „Data Lakes“

Data LakeDaten sind ein wertvolles Gut – und in gewisser Weise so etwas Ähnliches wie die Währung der Digitalisierung. Folglich werden in vielen Branchen nur jene Betriebe mit der digitalisierten Weltwirtschaft Schritt halten, die die wichtigen Daten erfassen und sie mit einem globalisierten Wertschöpfungsnetzwerk sinnvoll verknüpfen. 

Diese Erkenntnis reift branchenübergreifend auch in Produktionsunternehmen. Zumindest wachsen deren Bemühungen, beispielsweise ihre Maschinendatenerfassung (MDE) in die digitale Welt zu transformieren. In letzter Konsequenz geht dies allerdings nicht ohne die nach wie vor in diesem Kontext heiß diskutierte Cloud.

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MDE – eine Frage der Perspektive

Die Ursache für die Cloud-Kontroverse ist möglicherweise in den vier verschiedenen Nutzungsgraden beziehungsweise Entwicklungsstufen eines MDE-Systems zu suchen. Denn wie ein Unternehmen ein MDE-System betreibt und welche Mehrwerte dieses abbildet, steht in der Regel in direktem Zusammenhang mit der Abteilung, welche die Basisaktivitäten ursprünglich initiierte. Ein Blick in die Praxis zeigt dabei immer wieder vor allem zwei Perspektiven: die der Wertschöpfung und die der Maintenance. Erstere entsteht immer dann, wenn die MDE von den Bereichen Vertrieb, Controlling, Produktion oder Qualitätssicherung getrieben ist. Die zweite Perspektive ist vor allem einer Steuerung durch die Werkstattebene beziehungsweise Anlagentechnik geschuldet. Nur in den seltensten Fällen ist ein bereichsübergreifender Nutzungsgrad erreicht, der jedoch zweifelsohne das übergeordnete Ziel sein sollte.

Von der Vernetzung zur Digitalisierung – die 4 Stufen eines MDE-Systems

Stufe 1: Lokale MDE
Ein MDE-System der ersten Stufe oder des ersten Nutzungsgrades, hier als „lokal“ bezeichnet, setzen Unternehmen ausschließlich mit dem Ziel ein, einfache Maschinendaten digital nutzbar zu machen – zunächst recht einfach und an klar definierten Messpunkten. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um Messwerte wie Temperatur, Leistungsaufnahme, Drehzahl, etc., die im Grunde schon fast in ihrer Rohform als Trigger für einfache optische und/oder akustische Meldesysteme dienen. Mittlerweile immer verbreiteter sind darauf basierende Steuerungssysteme, die anhand der Messungen Störgrößen erkennen und zusätzlich einen Regelprozess initiieren – nicht selten zentral über eine Leitstandanbindung.

In dieser Stufe kommen häufig Insellösungen der Maschinenhersteller zum Einsatz. Dabei bleibt der Fokus auf gleichartige Arbeitsgruppen oder einzelne Maschinen beschränkt. Die Daten sind “flüchtig” und werden in der Regel nicht lange und dezentral gespeichert. Aus diesem Grund sind sie den Erfahrungen der expertplace-Berater für komplexere Analysen oder für die kontinuierliche Bereitstellung an Lieferanten oder Auftraggeber nicht verwertbar.

Stufe 2: MDE Retro-fit
In der zweiten Stufe, im Folgenden „Retro-fit” genannt, erfolgt ein Ausbau der Basisinvestitionen um gleichartige Daten über die gesamte Fertigung, also auch unter Einbezug alter Maschinen hinweg zu erheben. Neben dem Kontroll- und Steuerungsansatz, dient diese Ausbaustufe vor allem auch der Erfassung von “Prozessindikatoren”. Liefert eine Betriebsdatenerfassung (BDE) parallel die erforderlichen Prozessparameter, lassen sich hier beispielweise auch Betriebsleistungen über die Maschinenlaufzeiten wie Fehlerzeiten ermitteln.
Trotz der Gesamtfertigungsperspektive, werden auch hier ausschließlich lokale, wenn auch zentrale verwaltete, Datenbanken genutzt, welche ebenfalls „flüchtige“ Daten verarbeiten. Dabei sind deren meist begrenzte Speicherkapazität und Verfügbarkeit mit Blick auf die Betriebssicherheit – und – bereitschaft zwei (negative) Erfolgsfaktoren im Gesamtkontext.

Ähnlich wie in Stufe 1 ist der lokale Geräteaufwand verglichen mit modernen Anlagen eher hoch und sowohl in Betrieb und Wartung kosten- und ressourcenintensiv. Daher bieten die Komponenten- oder Maschinenhersteller Vertragsmodelle an, die beim Hersteller eine zentrale Wartung und Instandhaltung in den Vordergrund stellen und folglich die Funktionen entsprechend hierauf fokussieren. Die clevere Argumentation: Der Maschinenbetreiber kann sich ganz auf seine Kernkompetenz “Fertigung” konzentrieren, während der Hersteller sämtliche Maintenance-Aufgaben übernimmt. Auf diese Weise entsteht ein in sich geschlossener Zyklus, der über kurz oder lang in eine Abhängigkeit zum Anlagenhersteller führen kann.

Stufe 3: Maschinendaten in der Cloud
Die Übertragung von MDE-Daten in die Cloud, wie sie bereits in der Stufe 2 erfassbar sind, hebt die Beschränkungen der Datenspeicherung und -Verarbeitung auf und ist das kennzeichnende Merkmal der dritten Stufe. Ist ein Weg der Online-Datenübertragung gefunden, bestehen nur noch wenige Beschränkungen hinsichtlich Kapazität und Verfügbarkeit. Denn Cloudspeicher sind 24/7 – also rund um die Uhr verfügbar und ihr Datenvolumen scheinbar unbegrenzt. Allein diese beiden Faktoren lassen es zu, alle verfügbaren Daten zumindest aufzunehmen und dauerhaft zu speichern. Hinsichtlich steigender Anforderungen an die Chargenrückverfolgung von Rohstoffen wie in der Lebensmittelindustrie und Metallverarbeitung oder der Verwaltung beziehungsweise Wartungsdokumentation von Teilen im Flugzeugbau ist dies ein enormer Vorteil.

Die Nutzung der Cloud bedeutet in diesem Zusammenhang ein deutliches Wachstumspotenzial, insbesondere in Hinblick auf die zukünftige Nutzung von historischen Daten. Gehen in Stufe 1 und 2 die Daten kurz nach ihrer Entstehung wieder verloren, bilden sie in der Cloud sozusagen das “Grundwasser” des „Data-Lakes“. Allerdings ist hier die Gewährleistung der Datensicherheit, also der Cyber Security, eine wesentliche Grundbedingung. Die Q-Loud-Experten empfehlen ihren Kunden hier, auf stabile und erprobte Systeme aufzusetzen, die nachweislich eine Ende-zu-Ende Sicherheit etablieren. Diese Anforderungen gelten in weiten Teilen aber auch ohne die Cloud-Nutzung für die Anlagen, welche oft mit ungeschützten Schnittstellen ausgerüstet und damit prinzipiell verwundbar sind.

Stufe 4: Prozess- und Verarbeitungsintegration
In der vierten Stufe sind schließlich sämtliche Datenspeicher miteinander verknüpft – es erfolgt eine “Cloud-to-Cloud”-Kommunikation. Auf dieser Grundlage lassen sich zukünftig Daten unterschiedlicher Bereiche für sehr aufwendige Analysen durch externe Dienstleister nutzen. Schon heute bieten Player wie Amazon oder IBM (Watson) ihre Rechenkapazitäten und Machine-Learning-Modelle an, um als Business-Intelligence-as-a-Service Unternehmen bei Ursachen- oder Marktforschungsvorhaben zu unterstützen. Denkbar ist beispielsweise sogar die Fehlerhäufigkeit an einzelnen Anlagen bis zu zehn Jahren zurückzuverfolgen, mit den Klimadaten der gleichen Zeit in Relation zu setzen und so Rückschlüsse auf die Auswirkungen von Feuchte und Temperatur auf die Prozess- und Produktqualität festzustellen.

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Weitblick ist gefordert

Systeme, die sich in den ersten beiden Stufen bewegen, sind in der Regel unter dem Blickwinkel “Maintenance” konzipiert und umgesetzt. Sie zielen also vor allem darauf ab, die operationale Effizienz zu erhöhen, also Stillstände und Problemfälle in der Fertigung zu verringern oder weitestgehend auszuschließen. Die Unterstützung intelligenter Monitoring-Systeme, welche die Mitarbeiter auf erforderliche Wartungszyklen und auf drohende Defekte hinweist, soll eine verbesserte Auslastung schaffen und einer Mittelverschwendung entgegenwirken. Diese Lösungen limitieren allerdings die Nutzungsmöglichkeiten der aufwendig erhaltenen Daten.

Evolutionäre und damit Industrie 4.0-kompatible Ansätze ermöglichen erst Systeme der Stufen 3 und 4 und eröffnen so eine viel breitere Perspektive der Wertschöpfung, wobei es hier keine Beschränkung des Machbaren geben darf. Sie eröffnen die Möglichkeit, Daten aus der laufenden Produktion kurz nach ihrer Entstehung zu diversen Kennzahlen (KPIs) zu transformieren, um die Prozess- und Produktqualität zu messen und zu steigern.

Fazit: Internet-of-Things unumgänglich

Bei aller Euphorie über die sich eröffnenden Chancen: Ein Garant für einen Wettbewerbsvorteil bedeutet der Einsatz eines MDE-Systems der Stufe 4, also cloud-basiert und unternehmensübergreifend vernetzt, keineswegs. Vielmehr ist er lediglich als Voraussetzung für ein Bestehen in der globalen Wirtschaftswelt zu verstehen, beziehungsweise als Gegenmaßnahme im Risiko-Logbuch eines international agierenden Unternehmens.

Auf dem Weg zur digitalen Fabrik darf also nicht die Frage stehen, ob ein Weg der MDE in die Cloud denkbar ist, sondern in welchen Schritten und jeweils mit welchem Ziel die Prozesse digitalisiert werden sollen. Erst aus einer gesamtunternehmerischen Perspektive, die sowohl die Maintenance-Ebene als auch die wertschöpfenden, strategischen Abteilungen und deren Anforderungen berücksichtigt, gelingt der notwendige Weg in die Cloud und damit die Teilhabe am „Internet der Dinge“.

Volker Altwasser Volker Altwasser, Senior Management Consultant, expertplace networks group AG
Christian Pereira Christian J. Pereira, Geschäftsführer, Q-loud GmbH

 

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