Innovation & Sicherheit

So setzen CSPs neue Funktionen trotz Altsystemen und laufendem Betrieb erfolgreich um

Die Telco-Branche entwickelt sich rasant. Zu den Schlüsselthemen, die TM Forum für 2022 identifiziert und diskutiert, gehören beispielsweise End-to-End orchestrierte Abläufe für 5G, MEC und mobile private Netzwerke und der Telekommunikationsanbieter als Plattformbetreiber. Schon dieser Auszug aus aktuellen Trendthemen macht deutlich: Technologie spielt eine entscheidende Rolle im Erfolgskonzept eines CSPs, denn ohne passende technologische Grundlage lassen sich diese Aufgaben nicht stemmen.

Das Problem: Aktuell scheitern innovative Maßnahmen und Initiativen oftmals an der Last der Kompromisse, die ihnen eine Jahrzehnte alte IT auferlegt. Häufig handelt es sich um historisch gewachsene, träge, komplexe und vernetzte Systemlandschaften, in denen etliche ehemals monolithische Systeme über eine Vielfalt unterschiedlicher Schnittstellen um spezialisierte Satellitensysteme erweitert wurden. Die Folge: Die schnelle Anpassung der Geschäftsprozesse an aktuelle Markterfordernisse ist erschwert. Das gilt gleichermaßen für die OSS- wie für die BSS-Schichten.

Anzeige

Was zum Zeitpunkt der Entstehung und später als Quick Fix sinnvoll erschien oder ohne Alternative war, bringt nun neue Herausforderungen mit sich:

  • Komplexität und Abhängigkeiten: Ein heterogenes Anwendungsnetzwerk führt dazu, dass Releasewechsel genau geplant werden müssen und besonders aufwendig sind, da die Kommunikation zwischen den Anwendungen von definierten Releaseständen abhängt.
  • Fehleranfälligkeit und Sicherheitslücken: Anwendungskomponenten in einem heterogenen und komplexen Anwendungssystem, das möglicherweise auch noch geografisch verteilt ist, unterliegen oft unterschiedlichen Zuständigkeiten. Die Folge: Reibungsverluste und Missverständnisse bei der Koordination. Der Betrieb ist meist mit manuellen Interventionen verbunden. Dadurch steigt die Fehlerquote. Da durch die Heterogenität die Zahl der möglichen Angriffsvektoren steigt und Angriffe besser versteckt werden können, sinkt die die Sicherheit des Gesamtsystems.
  • Redundanzen und Inkonsistenzen: Durch eigene Datenhaltung werden Daten zwischen den Systemen repliziert; es existieren wenig klare Abgrenzungen. 
  • Kosten und Kundenerfahrung: Die Komplexität erschwert es zum einen, eine gute Kundenerfahrung zu bieten, zum anderen sich flexibel an wechselnde Einflussfaktoren anzupassen. Kosten für Betrieb, Support und Wartung steigen exponentiell. 

 

Unter diesen Bedingungen ist es natürlich schwierig, neue Funktionen schnell und unkompliziert zu integrieren, sprich: mit Innovationen zeitnah an den Markt zu gehen.

Wie würde das optimale System aussehen?

Aber gehen wir einen Schritt zurück und stellen uns vor, wie eine Systemlandschaft aussehen müsste, wenn sie auf modernen Technologien basiert und es einem CSP erlauben soll, innovative Neuerungen schnell und flexibel umzusetzen:

  • Umsetzung nach Design Thinking: nutzerzentrierter Prozess zum Entwickeln von Lösungsansätzen für komplexe Problemstellungen
  • Separation of Concerns: saubere Trennung der funktionalen Eigenschaften
  • Contract First: Definition der Schnittstellen vor der Definition der Funktionen
  • Headless Architecture: Trennung Backend und Frontend
  • Microservice-Architektur: Aufteilung der Kernfunktionen in Module
  • TMF-Standards: Interoperabilität mit anderen Anbietern, Kunden, Partnern und Zulieferern

Ein derart klares und modulares Architekturprinzip ermöglicht die schnelle Anpassung oder Kombination einzelner Services, und damit auch die zeitnahe Umsetzung von Innovationen – und schafft somit Zukunftssicherheit. Denn so können die IT-Prozesse einem geschäftlichen agilen Verhalten folgen. In seiner Gesamtheit nennt sich dieser Ansatz „Composable Business“. Modularität und Komponierbarkeit sind hierbei nicht nur grundlegendes Konzept für den Aufbau der IT, sondern auch um die gesamte Unternehmensarchitektur.

Viele moderne Softwaresysteme funktionieren tatsächlich auf diese Weise und profitieren dadurch beispielsweise von:

  • geringeren Abhängigkeiten zwischen den Anwendungsteilen
  • einfacher Pflege der Anwendungen
  • der Möglichkeit zur Organisation in Containerstrukturen (z. B. Docker und Kubernetes) und Cloud-Umgebungen
  • geringeren Kosten
  • Skalierbarkeit
  • Ausfallsicherheit
  • Komponierbarkeit: schnelles Anpassen, Ändern und Neuorchestrieren einzelner Services

Schritt für Schritt statt Big Bang

Nun haben CSPs heute aber nicht den Luxus, ihre IT auf der grünen Wiese völlig neu aufzubauen. Während auf der einen Seite die technologische Grundlage für zukünftige innovative Entwicklungen geschaffen werden muss, gilt es auf der anderen Seite, auch den laufenden Betrieb zu gewährleisten – und bei Umstellungen bestehende Altsysteme zu berücksichtigen, die häufig über Mainframe-Systeme als wesentliche und zentrale Elemente verfügen.

Es hat sich bewährt, solche Umstellungen schrittweise umzusetzen, anhand zuvor festgelegter Richtlinien für eine Zielarchitektur. Auf „Lift & Shift“-Projekte, bei den Legacy-Systeme einfach komplett in die Cloud gehievt werden, sollte zugunsten der neuen Architekturprinzipien dabei verzichtet werden. Ein stringenter Aufbau und eine modulare Struktur stellen sicher, dass die Einführung schrittweise in einem evolutionären Prozess erfolgen kann – ganze ohne Big Bang.

Werden die Abhängigkeiten der Module untereinander so gering wie möglich gehalten, können innerhalb des Projekts zudem bereits vorhandene Anwendungen und funktionale Elemente in diese Architektur eingepasst werden. Dadurch ist es möglich, die Umgebung und damit auch die geschäftlichen Abläufe im Rahmen eines kontinuierlichen Prozesses flexibel an veränderliche äußere Einflussfaktoren anzupassen.

Auch Marktforschungs- und Beratungsinstitut Gartner beschreibt in seinen „Predicts 2022: Reshaping CSP Technology and Operations Strategies“, dass der Erfolg neuer Produkte und Businessaktivitäten Anpassungen im Betriebsmodell erfordert:

 

operating model change

 

Newsletter
Newsletter Box

Mit Klick auf den Button "Jetzt Anmelden" stimme ich der Datenschutzerklärung zu.

Die richtige Software finden: „Buy & Build“-Prinzip

Weil kein Softwareprogramm auf Anhieb alle Anforderungen eines CSPs erfüllen kann, lohnt es sich, bei der Umstellung nach dem Ansatz „Buy & Build“ vorzugehen, also mit einer Standardsoftware mit passenden Basisfunktionen zu starten und weitere nach und nach zu erweitern. Dabei hat es sich als effektiv erwiesen, auf einen adaptiven Mix von Best-of-Breed und Open-Source-Software zu setzen. Folgende Elemente sind wichtig:

  • Funktionalität
  • Modularität und Granularität
  • Orchestrierung der Module
  • Architektur und Schnittstellen
  • Standards
  • Kostenstrukturen
     

Durch einen modularen Aufbau lassen sich die funktionalen Ebenen in Schichten gliedern, die sich jeweils spezifischer Aufgaben annehmen.

Auch die einheitliche Kundenansprache wird so möglich, wenn der Kundenkontakt im Rahmen integrierter Abläufe über unterschiedlichste Plattformen und Schnittstellen unterstützt wird, etwa Webseiten, mobile App, E-Mail, aber auch Call Center und Filialen. 

Ein nach diesen Prinzipien aufgebautes System ist nicht nur enorm leistungsfähig, sondern auch mit weitreichenden Funktionalitäten ausgestattet (und erweiterbar) und kann zudem cloud-native betrieben werden.

e commerce suite

Beispiel für ein komponierbares, modulares System

 

Composable Business: Potenzial für die Zukunft, Sicherheit für die Gegenwart

Legacy-Systeme und laufender Betrieb sind also kein Hindernis dafür, Innovationen umzusetzen, neue Leistungen zu entwickeln und das Geschäftsmodell nahe an den Bedürfnissen der Nutzer:innen kontinuierlich an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Langfristig effektiv wird ein solches Vorgehen vor allem, wenn der CSP einen Composable-Business-Ansatz verfolgt.

Für die schrittweise Umstellung lohnt sich die Zusammenarbeit mit Partnerunternehmen, die über Expertise und Erfahrung in Systemanalyse, Planung, Implementierung und Durchführung entsprechender Projekte verfügen.

 

Autoren:

StevenSteven Bailey, Chief Strategy Officer, AOE GmbH, www.aoe.com/de/home.html

Steven Bailey verfügt über eine langjährige Expertise in der digitalen Transformation internationaler Unternehmen und der Entwicklung ihrer Business- und IT-Visionen. Als Chief Strategy Officer verantwortet er bei AOE das Business Development und die Kundenberatung im Bereich Digitalisierungs- und Omnichannel E-Commerce-Strategien. Ein Schwerpunkt dabei: die Entwicklung von B2X-Transaktionsportalen und mobilen Lösungen, die es Unternehmen möglich machen, neue Geschäftsmodelle abzubilden und nachhaltige Umsatzströme zu generieren. Die von ihm betreuten Kunden umfassen die gesamte Branchen-Bandbreite – von Groß- und Einzelhandel über Telco, Aviation, Automotive und Industrie bis zu Life Science. Ergänzend blickt der gebürtige Brite auf mehr als 20 Jahre Erfahrung in International Brand Communications zurück und hat zahlreiche Corporate Design-Preise gewonnen. Bailey verantwortet darüber hinaus Idee und Konzept des kürzlich erschienenen Telco Trendbooks „In 4 Schritten Richtung “Composable Business. 

 

UweRitter 160 NEUUwe Ritter, Vorstand und COO, People at Work Systems AG, www.paw-systems.com/

Uwe Ritter kann auf über 35 Jahre IT-Erfahrung zurückblicken. Nach Abschluss eines Informatik-Studiums 1983 in Ulm arbeitete er zunächst zwei Jahre als Entwicklungs-Ingenieur bei der Dornier System GmbH in Friedrichshafen. Danach trat er 1985 in die Nixdorf Computer AG ein, der er bis 1990 im internationalen Marketing für Unix Systeme und als Leiter des International Targon Supports angehörte. Von 1990 bis 1996 baute er bei der Oracle Deutschland GmbH die Abteilung für Technisches Marketing auf. 1996 wechselte Uwe Ritter als Gründungsmitglied zu Siebel Systems Central Europe. Hier war er während der ersten Jahre für den Aufbau der Vertriebsunterstützung und der Marketing-Aktivitäten verantwortlich, übernahm dann verschiedene Management Positionen im Siebel Produktmarketing und verantwortete zuletzt als Executive Director die gesamte Technologiebasis von Siebel im EMEA Markt. Uwe Ritter trat zu Beginn des Jahres 2004 als Gesellschafter und Vorstand in die People at Work Systems AG ein. Ihm unterstehen die Bereiche Produkte, Beratung und Entwicklung.

Anzeige

Artikel zu diesem Thema

Weitere Artikel

Newsletter
Newsletter Box

Mit Klick auf den Button "Jetzt Anmelden" stimme ich der Datenschutzerklärung zu.