Halluzinationen und Paranoia

ChatGPT-Beratung führt zu Vergiftung aus dem 19. Jahrhundert

ChatGPT
Bildquelle: Bangla press/Shutterstock.com

Ein 60-Jähriger entwickelte nach drei Monaten eine Bromvergiftung, nachdem er blindlings den Ernährungsempfehlungen der KI gefolgt war.

Was als harmloser Versuch begann, die Salzaufnahme zu reduzieren, endete für einen 60-jährigen Mann mit einer unfreiwilligen psychiatrischen Unterbringung. Der Grund: Er hatte ChatGPT nach Alternativen zu Kochsalz gefragt und die Antworten der KI ohne weitere Überprüfung umgesetzt. Der spektakuläre Fall wurde jetzt als Fallstudie in der renommierten Fachzeitschrift Annals of Internal Medicine dokumentiert.

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Von der Salzreduktion zur Bromvergiftung

Der Mann wollte ursprünglich nur Natriumchlorid (gewöhnliches Kochsalz) vollständig aus seiner Ernährung streichen, nachdem er über die negativen Auswirkungen übermäßigen Salzkonsums gelesen hatte. Statt sich an medizinische Fachkräfte zu wenden, konsultierte er ChatGPT – mit fatalen Folgen.

Die KI erwähnte Natriumbromid als möglichen Salzersatz. Während diese Information technisch korrekt ist, bezieht sie sich auf industrielle Anwendungen wie Reinigungsmittel, keinesfalls jedoch auf den menschlichen Verzehr. ChatGPT versäumte es, explizit vor den Gesundheitsgefahren zu warnen oder nachzufragen, wofür der Nutzer die Information benötigt.

Symptome einer vergessenen Krankheit

Nach drei Monaten der selbstverordneten Diät suchte der Patient die Notaufnahme auf – mit der Behauptung, sein Nachbar würde ihn vergiften. Die Ärzte diagnostizierten klassische Symptome einer Bromvergiftung:

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  • Neue Gesichtsakne und Kirschangiome
  • Erschöpfung und Schlaflosigkeit
  • Übermäßiger Durst und Koordinationsstörungen
  • Hautausschlag
  • Zunehmende Paranoia
  • Akustische und visuelle Halluzinationen

Ein Fluchtversuch des Patienten führte schließlich zur unfreiwilligen psychiatrischen Unterbringung.

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Bromismus: Ein Relikt vergangener Zeiten

Die Bromvergiftung, medizinisch als Bromismus bezeichnet, war zwischen 1880 und 1930 weit verbreitet. Damals enthielten Beruhigungsmittel, Schlafhilfen und sogar rezeptfreie Kopfschmerztabletten Bromid-Verbindungen, die als sicherer galten als andere Alternativen.

Das Problem: Bromid wird nur sehr langsam ausgeschieden. Bei wiederholter Einnahme reichert es sich im Körper an und führt zu toxischen Konzentrationen. Schwere Fälle endeten mit Psychosen, Tremor oder sogar Koma.

Oft wurde Bromismus fälschlicherweise als Alkoholismus oder Nervenzusammenbruch diagnostiziert, bis Ärzte bemerkten, dass betroffene Patienten täglich Bromid-haltige “Nervenstärkungsmittel” einnahmen. 1975 beschränkte die US-Regierung schließlich den Einsatz von Bromiden in rezeptfreien Medikamenten.

Lars

Becker

Redakteur

IT Verlag GmbH

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