Die meisten Produktteams setzen heute bereits auf Künstliche Intelligenz, um ihre Produktivität zu steigern. Doch wer die Technologie nur zur Effizienzsteigerung einsetzt, verpasst ihr wahres Potenzial.
Denn KI definiert die Rolle des Produktmanagers komplett neu – und wer langfristig mithalten möchte, muss sich anpassen.
Immer mehr Produktmanager setzen heute Künstliche Intelligenz (KI) ein, um alltägliche Aufgaben schneller zu erledigen – sei es bei der Ausformulierung von Produktspezifikationen, einer Zusammenfassung von Forschungsergebnissen oder der Analyse von Nutzungsdaten. Solche Anwendungsfälle sind zweifellos hilfreich, kratzen jedoch nur an der Oberfläche dessen, was möglich ist.
Denn der KI-Wandel betrifft weniger die Frage, woran Produktmanager arbeiten, sondern vielmehr wie sie ihre Arbeit gestalten. Die Technologie verändert grundlegende Prozesse im Produktmanagement und stellt lange etablierte – heute oft überholte – Annahmen über Abläufe, Rollen und Verantwortlichkeiten infrage. So verzichten manche Teams bereits vollständig auf klassische Dokumentationen, andere verkürzen Entwicklungszyklen von mehreren Monaten auf nur wenige Wochen.
Um mit diesem Wandel mitzuhalten und ihre Rolle zukunftssicher zu gestalten, ist es für Produktmanager daher entscheidend, über reine Produktivitätssteigerung hinauszugehen und KI aktiv dafür einzusetzen, ihre Arbeitsweise von Grund auf neu zu denken. Dabei stehen drei Grundprinzipien im Zentrum, die sie beachten müssen.
Mehr als ein Tool: KI als Treiber für neue Arbeitsabläufe
Viele Produktmanager setzen KI heute ein, um Dokumentationen schneller zu erstellen oder Statusberichte effizienter aufzubereiten. Das bringt zwar kurzfristige Produktivitätsgewinne, schöpft aber das transformative Potenzial von KI noch nicht aus. Der eigentliche Mehrwert der Technologie liegt darin, die grundsätzliche Frage zu stellen: Brauchen wir diesen Arbeitsschritt überhaupt noch?
Ein Beispiel sind klassische Produktanforderungsdokumente (PRD). Statt ausführliche Spezifikationen zu verfassen, geben manche Teams nur Stichpunkte in ein KI-System ein, das daraufhin funktionsfähige Prototypen innerhalb weniger Stunden erstellt – Prototypen, die direkt mit Nutzern getestet werden können. Andere Teams ersetzen aufwändige Forschungspräsentationen durch automatisch generierte Insights, die gleichzeitig von mehreren Beteiligten weiterentwickelt werden können – ganz ohne Reibungsverluste.
Der entscheidende Fortschritt entsteht also, wenn nicht nur einzelne Aufgaben schneller erledigt, sondern deren Notwendigkeit grundsätzlich hinterfragt wird. KI gibt Teams die Chance, überholte Prozesse gänzlich aufzugeben, Abläufe neu zu gestalten und Strukturen stärker auf Effizienz, Klarheit und Qualität auszurichten. Das bedeutet: Der Einsatz von KI im Produktmanagement sollte nicht nur dabei helfen, das alte Handbuch schneller abzuarbeiten, sondern vielmehr, ein völlig neues zu schreiben. Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft, bestehende Prozesse kritisch zu prüfen und gezielt neu zu denken.
Weg von Silos: KI als Teamsport
In vielen Produktteams wird KI bislang noch sehr isoliert eingesetzt: Ein Produktmanager probiert einen neuen Chatbot aus, während ein Designer mit einem generativen Tool experimentiert. Die Produktentwicklung ist jedoch ein Teamsport – die besten Resultate entstehen, wenn KI zum festen Bestandteil des gemeinsamen Toolkits wird. Stichwort: Kollaborative KI.
So können Teams zum Beispiel gemeinsam an der Zusammenfassung von Recherchen oder Forschungsergebnissen arbeiten, Roadmaps entwickeln oder Brainstormings durchführen – immer gestützt durch KI. In der Praxis helfen hierbei etwa geteilte Prompt-Bibliotheken oder maßgeschneiderte KI-Copilots, die mit internen Daten trainiert sind. Auch ist es wichtig, bereichsübergreifend zu experimentieren: Entwickler, Designer und Marketer sollten gemeinsam testen, wie sich KI sinnvoll in ihre Abläufe integrieren lässt. Wird KI fest in den Teamrhythmus eingebunden, vervielfacht sich ihr Nutzen.
Während sich Entwickler meist schnell an KI-gestützte Codier-Hilfen gewöhnen, gestaltet sich die Integration im Designbereich oft komplizierter. Manche sehen KI als Kreativitäts-Booster, andere fürchten um die handwerkliche Qualität. Produktmanager übernehmen hier eine entscheidende Rolle: Sie sind dafür verantwortlich, die kulturelle Integration von KI im Team zu fördern. Dazu gehört, das Experimentieren mit der Technologie im gesamten Team zu normalisieren. KI sollte insgesamt weniger als Neuheit und mehr als gemeinsamer Wettbewerbsvorteil betrachtet werden. Denn zukünftig werden vor allem diejenigen Teams erfolgreich sein, die gemeinsam ihre KI-Kompetenzen ausbauen.
Keine Ablösung: Die Rolle des Produktmanagers gewinnt an Relevanz
KI ersetzt Produktmanager nicht. Aber diejenigen, die die Technologie konsequent in ihre Arbeit einbinden, werden sich gegen jene durchsetzen, die es nicht tun. Die Rolle verschwindet also nicht – sie entwickelt sich weiter und gewinnt an Bedeutung.
Für Produktmanager wird es nun immer wichtiger, aktive Treiber des Wandels zu sein: Sie sollten Teams bei Experimenten mit KI begleiten, funktionsübergreifende Workflows aufbauen und neue Formen der Zusammenarbeit gestalten. Gerade Start-ups, die typischerweise auf Geschwindigkeit und Flexibilität setzen, machen es bereits vor: Sie automatisieren Routineaufgaben und investieren die gewonnene Zeit in Kreativität und schnelle Produktzyklen. Unternehmen, die KI dagegen nur als nettes Zusatztool sehen, laufen Gefahr, den Anschluss zu verlieren.
Die Kernherausforderung und zugleich größte Chance für Produktmanager besteht darin, den Blick über die eigene Produktivität hinaus zu richten und ihr Team zu befähigen, ihre KI-Fähigkeiten auszubauen und als festen Bestandteil ihrer Arbeit zu nutzen.
Fazit
KI ersetzt Produktmanager nicht, sondern definiert neu, was exzellentes Product Management ausmacht. Erfolgreich werden diejenigen sein, die ihre Rolle nicht nur effizienter gestalten, sondern Abläufe von Grund auf neu denken, innovative Workflows entwickeln und KI in den Teamalltag integrieren. Damit steigern sie nicht nur die Effizienz, sondern fördern auch Kreativität und Arbeitsqualität.
Autor: Axel Sooriah, Product Management Evangelist bei Atlassian