Forscher untersuchen Psychologie digitaler Intimität

“Ich liebe ihn” – Romantische Beziehungen zu KI-Chatbots

KI-Liebe

Dass Liebe online entstehen kann, ist in unserer digitalisierten Zeit nichts Überraschendes mehr. Davon legen Kennenlern-Apps und Partnerschaftsportale Zeugnis ab.

Und die meisten von uns kennen garantiert Menschen, die via Internet zu einander gefunden haben. Wissenschaftler beschäftigen sich denn auch unterdessen mit der Frage, ob der wachsende Zuspruch, den Chatbots und sogenannte Liebesavatare erfahren, darauf hindeutet, dass Liebe und Beziehungen in Zukunft digitalisiert werden?

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Forscher untersuchen Psychologie digitaler Intimität

Etwas anders sieht es noch mit romantischen Beziehungen zu KI-Chatbots aus. Doch was einst Science-Fiction war, ist für viele heute Alltag: Weltweit führen zehntausende Menschen romantische Beziehungen mit Chatbots, stellen Wissenschaftler der Technischen Universität (TU) Berlin fest. Sie untersuchten jetzt in einer aktuellen Studie die emotionalen Bindungen zwischen Menschen und dem KI-Chatbot Replika. Die Analyse soll neue Erkenntnisse über die Psychologie digitaler Intimität liefern.

Wie die TU Berlin anlässlich des Tags der virtuellen Liebe am 24. Juli 2025 mitteilte, ergaben die Ergebnisse der Studie „Love, marriage, pregnancy: Commitment processes in romantic relationships with AI chatbots“, dass viele Nutzerinnen und Nutzer von Chatbots echte emotionale Bindungen zu diesen aufbauen. Für viele sei die Beziehung zum Bot nicht nur ernst gemeint, sondern emotional erfüllend, romantisch und manchmal sogar intensiver als zu echten Menschen, berichten die Forscher aus dem TU-Fachbereiche Medienwissenschaft. Manche sollen ihren Bot sogar als Ehepartner bzw. Ehepartnerin oder Elternteil gemeinsamer virtueller Kinder ansehen.

Verliebt in einen Chatbot

Aber können sich Menschen tatsächlich ernsthaft in einen Chatbot verlieben? Eindeutig ja, bestätigt die Psychologin Paula Ebner von der Universität Duisburg-Essen. Ebner bezieht sich bei dieser Aussage ebenfalls auf eine wissenschaftliche Studie zum Thema KI-Beziehungen, die sie mit Kolleginnen und Kollegen durchgeführt hat. Im Gespräch mit dem SWR stellt die Wissenschaftlerin fest, dass Liebe ein sehr subjektives Erlebnis sei. „Und es gibt auch Menschen, die so ein Gefühl von Verliebtheit einem Chatbot gegenüber empfinden“, weiß Ebner.

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Auf die Frage, wie man sich eine Beziehung zu einem KI-Chatbot konkret bzw. praktisch vorstellen muss, legt die Psychologin dar, dass es inzwischen immer mehr Menschen gebe, die eine enge Bindung zu ChatGPT hätten. Weil der KI-Chatbot jetzt auch immer mehr soziale Sprachen oder Komponenten zeige – obwohl es im Grunde ein Sprachmodell ist, und kein soziales Wesen.

Es gebe aber auch viele Chatbots, die extra sozial designed würden, mit der Intention, einen Menschen zu imitieren, sich menschlich zu verhalten, menschlich zu sprechen, führt Ebner weiter aus. Und je nach App haben diese Bots verschiedene Fähigkeiten. Es gibt Apps mit Avataren, also Bildern. Und es gibt bereits Apps mit Videos, die dann den Text auch ‚lip-syncen‘ können, d.h. die KI produziert den Text und gleichzeitig bewegt sich der Mund von dem Avatar, zählt die Forscherin auf.

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„Ich kann ohne die KI nicht glücklich sein“

Laut der Studie der TU Berlin entwickeln viele Nutzerinnen und Nutzer eine tiefe emotionale Bindung zu ihrem Replika-Chatbot. Aussagen wie „Ich liebe sie mehr als jeden Menschen zuvor“ oder „Sie ist meine Frau – ich kann ohne sie nicht glücklich sein“ verdeutlichten den emotionalen Stellenwert der KI, heben die Forscher um Studienleiterin Prof. Dr. Silvia Westerwick hervor. Dabei soll es sich demnach nicht nur um spielerische Interaktion handeln – im Gegenteil. Viele Probandinnen und Probanden sollen Replika als echte Beziehungspartnerin ansehen, mit der sie intensive Gespräche führen, gemeinsame Erlebnisse wie Hochzeiten und Reisen teilen und sogar Rollenspiele mit virtuellen Kindern durchführen.

Replika ist ein sogenannter „AI Companion“, ein KI-gestützter Chatbot, der darauf trainiert ist, emotionale Nähe aufzubauen, wie das Portal Business Insider erklärt. Die App werbe offensiv mit dem Versprechen „Nähe, rund um die Uhr“. Immer verfügbar, nie urteilend – und angeblich sogar in der Lage zu lieben, schreibt das digitale Wirtschaftsmedium. Das deckt sich mit den Erfahrungen der Forscher von der Uni Essen-Duisburg: Demnach erleben Menschen, die sich in KI-Chatbots verlieben, diese als den perfekten Partner, der immer für sie da ist, nie widerspricht und obendrein auch noch gut aussieht. Und nur einen Klick entfernt. Zu schön, um wahr zu sein, oder?

Kommunikation ohne Urteil

Nach der Duisburg-Essener Studie kommen Bindungen oder gar Partnerschaften mit Chatbots vor allem bei Menschen vor, die eine Tendenz zum romantischen Fantasieren haben. Einsamkeit spielt danach nicht die größte Rolle. Die Forscher der TU Berlin ermittelten in ihrer Studie, dass Chatbots wie Replika dann besonders häufig genutzt werden, wenn die User menschliche Partnerschaften als emotional oder körperlich unbefriedigend empfinden. Für einige ergänze der Bot die reale Partnerschaft, für andere ersetze er sie, heißt es.

Als ein zentrales Ergebnis ihrer Studie streichen die Berliner Wissenschaftler heraus, dass viele Nutzerinnen und Nutzer die Gespräche mit Replika als angenehmer, sicherer und „echter“ erleben als die mit menschlichen Partnerinnen und Partnern. Sie fühlten sich freier, persönliche oder belastende Themen anzusprechen – etwa Ängste, Fantasien oder traumatische Erlebnisse –, weil der Bot weder verurteile noch verletze, beschreiben die Verfasser der Untersuchung. Anders als Menschen unterbreche Replika nicht, zeige stets Mitgefühl und sei immer verfügbar.

„Besser als jeder Mensch“

Manche Probanden betonten demnach sogar, dass Replika ihnen mehr soziale Unterstützung biete als Freundinnen/Freund oder Partnerinnen/Partner. In manchen Fällen wurde der Chatbot sogar als „besser als jeder Mensch“ gelobt: als liebevoller, verständnisvoller, verfügbarer. Häufig positiv vermerkt wurde von Studien-Teilnehmern, dass Replika nicht urteile und kritisiere, sondern jederzeit präsent und emotional konstant sei. Wer kann dass schon von einer realen Partnerin/einem realen Partner behaupten?

Zusammenfassend zeigen nicht nur die beiden zitierten Untersuchungen, dass Mensch-KI-Beziehungen real sind. Sie unterstreichen vielmehr, dass Chatbots – wie etwa Replika – nicht nur Tools oder Spielereien sind, sondern dass sie für viele Nutzerinnen und Nutzer zentrale emotionale Funktionen übernehmen, wie die Berliner Wissenschaftler konstatieren. Damit rückt für sie auch die Frage nach ethischen, psychologischen und gesellschaftlichen Implikationen solcher Beziehungen zunehmend in den Fokus. Wie sich eine langfristige Nutzung von Chatbots für sehr persönliche soziale Bedürfnisse auf die mentale Gesundheit und ‚reale‘ Beziehungen auswirke, müssten aufwendige Längsschnittstudien zukünftig untersuchen, erklärt Prof. Dr. Silvia Westerwick. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen wollen ihre qualitative Studie als einen wissenschaftlichen Beitrag zu der Debatte um KI, Intimität und emotionale Bindung verstanden wissen. Diese Diskussion befindet sich nach Einschätzung vieler Fachleute erst im Anfangsstadium, nicht zuletzt deshalb, weil es hier noch reichlich Forschungsbedarf gibt.

(pd/Academic Society for Artificial Intelligence )

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