Deutschland, lange als eine der führenden Industrienationen bekannt, muss im aktuellen internationalen Vergleich seiner digitalen Kompetenzen Rückschläge hinnehmen.
Der veröffentlichte Global Skills Report 2025 des Weiterbildungsanbieters Coursera zeigt: Im weltweiten Ranking der beruflichen Fähigkeiten fällt Deutschland von Platz drei auf Platz neun zurück. Noch deutlicher ist der Rückstand beim Reifegrad in Künstlicher Intelligenz – hier landet die Bundesrepublik nur auf Rang 14.
KI-Reifegrad: Europäische Nachbarn ziehen davon
Mit dem erstmals erhobenen AI Maturity Index bewertet Coursera nicht nur die Lernaktivitäten auf der Plattform, sondern verknüpft diese mit globalen Marktanalysen zur KI-Entwicklung. Das Ergebnis ist ernüchternd: Deutschland liegt beim Thema KI-Readiness hinter zehn anderen europäischen Ländern, darunter Dänemark, die Schweiz und Finnland. Besonders auffällig ist das geringere Wachstum bei Einschreibungen in GenAI-Kurse – mit einem Zuwachs von 96 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bleibt Deutschland hinter Spitzenreitern wie der Schweiz (127 Prozent).
Trotz der hohen wirtschaftlichen Bedeutung von generativer KI – bis 2031 soll der Markt in Deutschland auf fast 18 Milliarden Euro anwachsen – gelingt es bislang nicht, das vorhandene Potenzial in konkrete Innovationskraft umzusetzen.
Technologische Kompetenzen unter Druck
Nicht nur im KI-Bereich zeigt sich Nachholbedarf. Auch in den Kategorien Technologie und Datenwissenschaft rutschte Deutschland im Vergleich zum Vorjahr jeweils um vier Plätze nach hinten. Im Bereich Business-Fähigkeiten verbleibt das Land zwar auf Rang neun, doch auch hier fehlt es an Dynamik.
Interessant ist jedoch, dass deutsche Lernende überdurchschnittlich häufig bestimmte Kompetenzen nachfragen: Besonders gefragt sind „Corporate Accounting“ sowie technologische Fähigkeiten wie „Data Architecture“ und „Infrastructure Architecture“. Dies deutet auf einen gezielten, aber begrenzten Schwerpunkt bei der individuellen Weiterbildung hin.
Die wirtschaftlichen Folgen dieses Kompetenzrückgangs sind bereits spürbar. Allein im März 2025 blieben über 387.000 Stellen unbesetzt – das entspricht mehr als einem Drittel aller offenen Positionen. Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften stellt eine zentrale Herausforderung für die deutsche Wirtschaft dar, die ohnehin mit einer schwächelnden Konjunktur zu kämpfen hat.
Lernkultur im Wandel – doch nicht schnell genug
Siemens-Experte Bas Puts betont die Bedeutung der kontinuierlichen Weiterbildung in Unternehmen: Die Anforderungen an Mitarbeitende verändern sich rasant, und wer nicht rechtzeitig umschult, riskiert Wettbewerbsnachteile. Auch Coursera-Manager Nikolaz Foucaud sieht Deutschland grundsätzlich gut aufgestellt, weist jedoch darauf hin, dass andere Länder schneller und entschlossener handeln.
Die Botschaft ist klar: Um international mithalten zu können, müssen Unternehmen, Bildungseinrichtungen und die Politik enger zusammenarbeiten. Nur mit einer gemeinsamen Strategie zur Kompetenzentwicklung lässt sich der Fachkräftemangel überwinden und die Innovationsfähigkeit Deutschlands langfristig sichern.