Steigende Unternehmensinsolvenzen, stagnierende Investitionsbereitschaft und verschleppte Zahlungsziele belasten derzeit viele Branchen – auch die IT-Branche bleibt davon nicht verschont.
Während die Nachfrage nach Digitalisierung grundsätzlich bestehen bleibt, zeigen sich in der Praxis zunehmend Unsicherheiten. Projekte werden gestoppt, Zahlungen verzögert, Budgets eingefroren. Für den IT-Vertrieb bedeutet das eine neue Realität, die angepasstes Denken und Handeln erfordert.
Frühwarnsignale erkennen – bevor es zu spät ist
IT-Projekte sind in der Regel langfristig angelegt, oft mit mehreren Beteiligten auf Kundenseite und hoher Vorleistung. Wenn ein Auftraggeber in wirtschaftliche Schieflage gerät, kann das für den Anbieter existenzielle Folgen haben. Umso wichtiger ist es, mögliche Risiken frühzeitig zu erkennen.
Vertriebsteams sollten lernen, Warnsignale systematisch zu beobachten. Dazu zählen etwa häufige Projektverschiebungen, zunehmende Intransparenz in der Kommunikation, verspätete Zahlungen, personelle Fluktuation auf Kundenseite oder abrupte Budgetstopps. Wer hier aufmerksam ist, kann frühzeitig reagieren – etwa durch Vertragsnachverhandlungen, Teilabrechnungen oder interne Risikoeinschätzungen.
Hilfreich ist auch der gezielte Einsatz von Bonitätsprüfungstools oder Wirtschaftsauskunfteien. Diese liefern nicht nur Informationen über bestehende Zahlungsverzögerungen, sondern helfen, strategisch zu bewerten, wie stabil ein Kunde wirklich ist.
Kundensegmentierung überdenken
In wirtschaftlich unsicheren Zeiten reicht es nicht, Leads nur nach Projektgröße oder technischer Passung zu bewerten. Zunehmend wichtiger ist die Frage, wie zahlungsfähig und zukunftsfähig ein potenzieller Kunde ist. Das erfordert eine neue Art der Lead-Qualifizierung.
IT-Vertriebe sollten ihre Kunden- und Interessentendaten zusätzlich kritisch prüfen. In welchen Branchen oder Unternehmensgrößen mehren sich Zahlungsausfälle? Welche Zielgruppen zeigen sich trotz Krise investitionsbereit und krisenstabil? Oft erweisen sich gerade mittelständische Unternehmen mit stabilen Geschäftsmodellen oder Unternehmen aus dem öffentlichen Sektor als zuverlässige Partner.
Gleichzeitig ist es sinnvoll, konsequent neue Zielgruppen zu erschließen, etwa durch strategische Kooperationen, Empfehlungen, regionale Erweiterung, neue Lösungen und Dienstleistungen oder den gezielten Aufbau von Partnerkanälen.
Bestandskunden binden und absichern
In Krisenzeiten wird Kundenbindung noch wichtiger. Vertrieb bedeutet nicht nur Abschlüsse generieren, sondern vor allem auch Kundenbeziehungen stabilisieren und krisenresilente Kunden weiter ausbauen. Das erfordert regelmäßigen Austausch, transparente Kommunikation und ein offenes Ohr für die aktuelle Lage des Kunden.
IT-Dienstleister, Systemhäuser und Softwareanbieter können prüfen, ob sie bestehende Verträge flexibler gestalten können – etwa durch Staffelmodelle, modulare Angebote oder anpassbare Abrechnungsintervalle. Wer so agiert, zeigt sich als verlässlicher Partner und verringert gleichzeitig das Risiko von Vertragskündigungen oder Projektabbrüchen.
Ein weiterer Ansatz liegt im Ausbau von Managed Services oder Service-Level-Vereinbarungen. Diese sorgen für regelmäßige Einnahmen und stärken die Bindung, da sie nicht nur auf einmalige Projekte, sondern auf langfristige Zusammenarbeit setzen.
Vertriebsprozesse robuster gestalten
Vertrieb muss unter Krisenbedingungen belastbarer werden. Das beginnt bei der strategischen Steuerung und reicht bis zur operativen Umsetzung. Vertriebsteams sollten ihre Pipeline nicht nur nach Umsatzpotenzial bewerten, sondern auch nach Risikofaktoren und den Faktoren, die für den Erfolg nötig sind. Wie abhängig ist das Unternehmen von einzelnen Großkunden? Wie hoch ist der Anteil der Leads aus gefährdeten Branchen? Wie wahrscheinlich sind die jeweiligen Projekte realisierbar?
Ein resilienter Vertriebsprozess setzt auf ausgewogene Kundenstrukturen, klare interne Abstimmungen mit Finanzen und Projektleitung und ein strukturiertes Forderungsmanagement. Gerade Letzteres wird oft vernachlässigt, obwohl es in wirtschaftlich angespannten Zeiten über Liquidität entscheiden kann.
Wichtig ist auch, dass Vertrieb, Geschäftsführung und Buchhaltung enger zusammenarbeiten. So lassen sich Zahlungsbedingungen frühzeitig anpassen, Rechnungsfreigaben beschleunigen oder Sicherheiten wie Anzahlungen, Bürgschaften oder Factoring prüfen.
Chancen nutzen – nicht nur Risiken verwalten
Krisen bergen nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Viele Kunden suchen gerade jetzt nach effizienteren, kostensparenden IT-Lösungen. Wer zeigen kann, wie sich durch Automatisierung, Prozessoptimierung, IT-Sicherheit oder neuen KI-basierten Lösungen echte Einsparpotenziale heben lassen, verschafft sich einen Wettbewerbsvorteil.
Vertriebsteams sollten daher nicht nur defensiv reagieren, sondern auch offensiv agieren: mit gezielten Angeboten, die sich auf aktuelle Problemstellungen der Kunden beziehen. Was bewegt meinen Kunden konkret, wo ist sein “Schmerz” und welche Lösung kann mein Angebot bieten? Dazu zählen etwa Lösungen für hybride Arbeitsmodelle, Cloud-Kostentransparenz, IT-Outsourcing oder Sicherheitslösungen bei steigendem Cyberrisiko.
Fazit: Aktiv handeln, bevor der Markt es erzwingt
Die Insolvenzwelle ist auch in der IT-Branche angekommen. Wer sich jetzt mit einem starken, flexiblen und professionell trainierten Vertriebsteam gut aufstellt, gewinnt nicht nur Sicherheit, sondern auch Marktanteile. Das erfordert neue Denkweisen im Vertrieb: weg von kurzfristigem Verkaufsimpulsen , hin zu strategischer Kundenbewertung, konsequentem Projektmanagement, starkem Vertriebs Know-how im sinne verkäuferischer Befähigung und vorausschauendem Beziehungsmanagement.
Nicht das größte Projekt entscheidet über Erfolg oder Misserfolg, sondern die Fähigkeit, in unsicheren Zeiten die richtigen Kunden zu erkennen, neue Kunden zu begeistern, Risiken frühzeitig abzusichern und als verlässlicher Partner wahrgenommen zu werden.