Die unterschätzte Währung

Digitale Beweise, globale Risiken – warum deutsche Daten in den USA zur Falle werden

Datenverarbeitung

Digitale Spuren sind längst keine Nebensache mehr. Jede E-Mail, jedes Chat-Protokoll, jeder Server-Log kann in Compliance-Prüfungen oder technischen Analysen eine zentrale Rolle spielen.

Für IT-Profis ist klar: Daten sind nicht nur Arbeitsmaterial, sie sind Beweise. Aber was oft unterschätzt wird: Sobald diese Daten die Grenze zu USA überschreiten oder von einem US-Anbieter verarbeitet werden, verändert sich die rechtliche Lage dramatisch. Für deutsche Unternehmen kann das schnell zur Falle werden.

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Ich habe 1993 begonnen, Rechner zu bauen, Netzwerke einzurichten und Systeme in Betrieb zu nehmen. Heute, mit über 30 Jahren Erfahrung in der IT, weiß ich: Die Technik ist rasant komplexer geworden, aber die eigentlichen Fallstricke liegen nicht mehr nur im Code oder in der Hardware – sondern im Zusammenspiel von Technologie, Recht und globaler Politik. Als ISO 17024 zertifizierter Sachverständiger für IT und Kfz habe ich in der Praxis immer wieder festgestellt, wie entscheidend der richtige Umgang mit Daten für Unternehmen sein kann.

„Die wichtigste Beweisquelle liegt heute nicht mehr im Aktenschrank, sondern im digitalen Postfach – und oft im geteilten Ordner.“

Digitale Beweise – die unterschätzte Währung

Im digitalen Alltag entstehen ständig Spuren, die weit mehr sind als bloße Datenreste. Sie bilden die Grundlage für Analysen, Prüfungen und ganze Verfahren – und entwickeln sich damit zur entscheidenden Währung moderner Rechtsprechung und Unternehmenssicherheit.

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Digitale Beweise entstehen heute überall:

  • E-Mails und Kalenderdaten aus Microsoft 365
  • Chat-Nachrichten und Videokonferenzen aus Teams oder Zoom
  • WhatsApp-Nachrichten, die trotz bekannter Datenschutzprobleme oft geschäftlich genutzt werden
  • Logdaten aus Firewalls, Backups oder Security-Systemen

Diese Daten sind nicht nur „Nebenprodukte“, sondern in Untersuchungen oft die Grundlage für Entscheidungen. Schon eine einzelne Metadaten-Spalte kann den Unterschied zwischen Schuld und Entlastung machen.

„Was wie technische Nebensache wirkt, entscheidet in der Praxis oft über ganze Verfahren.“

Europa vs. USA: Ein fundamentaler Gegensatz

Wenn es um Daten geht, prallen zwei Welten aufeinander. Während Europa mit der DSGVO auf Schutz und Begrenzung setzt, dominiert in den USA der Vorrang von Beweisen. Für Unternehmen entsteht dadurch ein Spannungsfeld, das im Ernstfall gravierende Folgen haben kann.

  • Europa (DSGVO): Datensparsamkeit, Zweckbindung, Schutz personenbezogener Daten.
  • USA (Discovery-Verfahren): Beweise haben Vorrang, Daten können in großem Umfang angefordert und offengelegt werden.

Das bedeutet: Was in Deutschland streng geschützt ist, kann in den USA in einem Gerichtsverfahren plötzlich ungeschützt offengelegt werden.

„Was in Deutschland vertraulich ist, kann in den USA schon morgen öffentlich werden.“

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Cloud-Dienste: Daten in Europa, Kontrolle in den USA

Viele Unternehmen nutzen AWS, Azure oder Google Cloud. Selbst wenn die Daten physisch in Frankfurt oder Dublin liegen – US-Recht kann trotzdem Zugriff erzwingen (CLOUD Act).

„Daten können physisch in Frankfurt liegen – rechtlich aber in den USA.“

Microsoft 365: Beweise im Postfach

Kaum ein IT-System ist in deutschen Unternehmen so verbreitet wie Microsoft 365. E-Mails, Termine, Teams-Chat, SharePoint-Dokumente – alles läuft dort zusammen. Was oft vergessen wird: Auch diese Daten unterliegen dem Zugriff nach US-Recht.

In Deutschland wird geprüft, welche Daten zulässig sind. In den USA kann ein Gericht die Herausgabe der kompletten Kommunikation verlangen – ohne Rücksicht auf Datenschutzstandards.

„Das Postfach ist heute der wichtigste Beweisraum.“

Collaboration-Tools: Teams und Zoom

Die Zusammenarbeit läuft heute fast ausschließlich über US-Tools. Jeder Chat, jedes Meeting, jede Datei kann später Beweiswert haben. Doch viele Unternehmen behandeln diese Daten wie flüchtige Notizen. In Wahrheit sind sie wertvoller als klassische Akten.

„Unternehmenskommunikation ist längst nicht mehr flüchtig – sie ist ein Beweisarchiv.“

WhatsApp: Der blinde Fleck

WhatsApp ist in Deutschland allgegenwärtig – privat, aber auch geschäftlich. Aus Sicht vieler Datenschutzbeauftragter ist das problematisch, weil die Daten bei einem US-Unternehmen (Meta) liegen. Metadaten werden für KI- Training und Produktentwicklung genutzt.

Für Unternehmen bedeutet das: Geschäftsinterna landen möglicherweise in Trainingssystemen, ohne dass man es verhindern kann. In Streitfällen tauchen WhatsApp-Daten regelmäßig auf – als Beweis, aber auch als Risiko.

„Viele Unternehmen wissen gar nicht, dass sie Interna direkt an ein US-Unternehmen weitergeben.“

Risiken für deutsche Unternehmen

Wer Daten in US-Diensten speichert oder über amerikanische Plattformen kommuniziert, setzt sich rechtlichen und strategischen Gefahren aus. Oft zeigt sich erst im Ernstfall, wie schnell Kontrolle verloren geht und vertrauliche Informationen zur Belastung werden können.

Die zentralen Gefahren:

  • Daten in US-Clouds oder US-Tools können gegen deutsche Unternehmen verwendet werden.
  • Beweise, die in Deutschland geschützt sind, verlieren diesen Schutz in den USA.
  • WhatsApp-Nutzung im Alltag führt zu Kontrollverlust.
  • Kommunikationsdaten (Teams, Zoom) sind das schwächste Glied – und zugleich die wertvollste Beweisquelle.

„Die größte Schwachstelle ist oft nicht die Technik – sondern die Jurisdiktion.“

Handlungsempfehlungen für die Praxis

Um Risiken zu vermeiden, reicht technische Sicherheit allein nicht aus. Unternehmen brauchen klare Regeln, verlässliche Prozesse und ein Bewusstsein für die juristische Dimension der IT. Die folgenden Maßnahmen zeigen, wie sich Datenhoheit sichern und rechtliche Fallen vermeiden lassen.

  1. Datenhoheit sichern: Klären, wo Daten nicht nur physisch, sondern rechtlich liegen.
  2. Verträge prüfen: Cloud-Verträge auf US-Bezug abklopfen.
  3. Forensische Vorsorge: Prozesse definieren, wie Beweise gesichert werden – ohne Abfluss in die USA.
  4. WhatsApp einschränken: Klare Vorgaben, welche Tools erlaubt sind.
  5. Management sensibilisieren: IT-Sicherheit ist nicht nur Technik, sondern auch Recht und Strategie.

„Eine gute Datenstrategie schützt nicht nur Systeme, sondern auch Unternehmen vor juristischen Fallen.“

Erfahrungen aus drei Jahrzehnten IT

Ich habe in drei Jahrzehnten IT erlebt, wie sich die Schwerpunkte verschoben haben: von Hardware über Netzwerke hin zu Cloud und Compliance. Heute sehe ich meine Aufgabe als Sachverständiger darin, Unternehmen klarzumachen: Technik ist nur die halbe Wahrheit. Wer die rechtliche Dimension ignoriert, läuft in eine Falle. Aus meiner Arbeit weiß ich: Unternehmen unterschätzen die Risiken so lange, bis es zu spät ist.

„Technik kann man patchen – Rechtsrisiken nicht.“

Zukunftsszenario: Daten außer Kontrolle

Die Entwicklung wird nicht stehen bleiben. Mit dem Aufstieg von KI-Systemen, die auf massiven Datenmengen trainieren, wächst die Brisanz weiter. Jeder Datensatz, der heute unbedacht in einer US-Cloud landet, kann morgen Teil eines Trainingskorpus sein – und damit endgültig der Kontrolle entzogen. Für deutsche Unternehmen bedeutet das: Nur wer Datenhoheit als strategisches Ziel versteht, bleibt zukunftsfähig.

Daten sind Rohstoff, Beweis und Risiko zugleich.“

Fazit

Die Globalisierung der Daten ist Fakt. Doch deutsches Recht endet an der Grenze, US-Recht nicht. Für deutsche Unternehmen bedeutet das: Was in Europa geschützt ist, kann in den USA zur Waffe werden. Cloud, Microsoft 365, Teams, Zoom, WhatsApp – das sind keine Komfort-Tools, sondern potenzielle Risikofaktoren.

Wer das ignoriert, unterschätzt die Brisanz. Wer aber Datenkontrolle ernst nimmt, kann die Risiken managen. Deutsche Daten in den USA – das ist keine juristische Fußnote, sondern eine echte Falle.

Autor: Eric Schoedon, Informationstechniker und Kraftfahrzeugtechniker und ISO 17024 zertifizierter Sachverständiger für Informations- und Kraftfahrzeugtechnik

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