Die digitale Transformation bietet Organisationen enorme Potenziale zur Optimierung ihrer Arbeitsweise. Doch gerade wegen der Vielzahl an Tools und Technologien sehen sich viele Unternehmen mit einer fragmentierten IT-Infrastruktur konfrontiert.
Unterschiedliche Systeme, Endgeräte sowie Kommunikations- und Kollaborations-Tools existieren nebeneinander, ohne miteinander zu kommunizieren. Das führt zu ineffizienten Prozessen und ungenutzten Möglichkeiten. Der digitale Arbeitsplatz kann sein volles Potenzial erst entfalten, wenn Unternehmen eine vereinheitlichte Infrastruktur schaffen, die technologische Effizienz steigert und eine nahtlose Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitenden ermöglicht.
Boris Ovcak, Partner und Practice Division Head of Transformation of Work bei Campana & Schott, erläutert, warum die Harmonisierung nicht nur für den Erfolg des digitalen Arbeitsplatzes, sondern auch für die effektive Nutzung von Künstlicher Intelligenz entscheidend ist.
Herr Ovcak, wo stehen Unternehmen aktuell in Bezug auf den digitalen Arbeitsplatz und welche Herausforderungen gibt es?
Boris Ovcak: Der digitale Arbeitsplatz ist in vielen Unternehmen mittlerweile Realität – doch die tatsächliche Umsetzung entspricht oft nicht den Erwartungen. Das zeigt auch unsere Social Collaboration Studie 2025, die wir gemeinsam mit der TU Darmstadt durchgeführt haben: Während zwei Drittel der Unternehmen in der DACH-Region angeben, einen digitalen Arbeitsplatz implementiert zu haben oder aktiv daran zu arbeiten, gibt es nach wie vor Herausforderungen. Besonders die Fragmentierung bleibt ein wesentliches Hindernis. Im Laufe der Jahre hat sich ein Flickenteppich aus Tools und Systemen gebildet, die oft nicht miteinander harmonieren. Dieser Wildwuchs verursacht nicht nur unnötig hohe Lizenzierungs- und Wartungsausgaben, sondern beeinträchtigt auch die Effizienz der Mitarbeitenden.
Wie lässt sich diese Vereinheitlichung umsetzen? Müssen Unternehmen dazu ihre komplette IT-Infrastruktur umstellen?
Boris Ovcak: Es geht nicht darum, alles von einem einzigen Anbieter zu beziehen, sondern eine Infrastruktur zu schaffen, die zusammenarbeitet. Vereinheitlichung bedeutet, Systeme und Tools so zu konsolidieren, dass sie miteinander nahtlos kommunizieren können. Die Plattformen müssen offen und flexibel sein, um mit Drittanbieterlösungen zu interagieren und eine reibungslose Zusammenarbeit zu ermöglichen. Dadurch können Unternehmen ihre digitale Infrastruktur optimieren, ohne sich auf einen einzigen Anbieter festzulegen. Ich fasse das gerne unter dem Begriff „InfraPlay“ zusammen, der die notwendige Infrastruktur für digitale Kollaboration beschreibt.
Welche Vorteile bringt diese Vereinheitlichung für die Mitarbeitenden in ihrer täglichen Arbeit?
Boris Ovcak: Die Mitarbeitenden nutzen eine Plattform, die alle Funktionen vereint – von Kommunikation über Dokumentenmanagement bis hin zu Meetings. So wird die Komplexität reduziert und die Produktivität gesteigert, da weniger Zeit für den Wechsel zwischen Systemen verloren geht. Der Zugriff auf Informationen wird nahtlos: Mitarbeitende müssen nicht mehr herausfinden, aus welchem System die Daten stammen, weil alles integriert ist. Und ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Integration von KI, die dann erst effizient möglich wird.
Sie sprechen es an: KI wird immer wichtiger in der digitalen Transformation von Unternehmen. Welche Rolle spielt eine harmonisierte IT-Infrastruktur hier?
Boris Ovcak: In unserer Studie gaben 41 Prozent der Unternehmen in der DACH-Region an, KI-Technologie bereits zu nutzen – um genauer zu sein: Generative KI-Tools wie ChatGPT, Copilot oder Gemini. Um ihr volles Potenzial auszuschöpfen, benötigt KI jedoch eine konsolidierte Datenbasis. Wenn Unternehmensdaten über verschiedene Systeme verstreut und nicht erreichbar sind, schränkt das den Nutzen von KI stark ein. Harmonisierung sorgt dafür, dass alle relevanten Daten problemlos für KI-Anwendungen zugänglich sind. Für Mitarbeitende bedeutet dies, dass die KI ihnen die Informationen in Echtzeit liefern kann, die sie gerade benötigen.
Ein zweiter Aspekt bezüglich Harmonisierung und KI ist das User Interface: Insbesondere Organisationen, die frühzeitig mit der Bereitstellung eigener GPTs begonnen haben, stehen heute vor der Herausforderung, ihren Mitarbeitenden ein zentrales User Interface für ihre KI-Anwendungen zu bieten – so dass nicht je Anwendungsfall erst die richtige Anwendung beziehungsweise der entsprechende GPT geöffnet werden muss.
Es geht darum, eine Infrastruktur zu schaffen, in der Systeme und Tools nahtlos miteinander kommunizieren. Das reduziert Komplexität und steigert Produktivität.
Boris Ovcak, Campana & Schott
Wie lässt sich IT-Sicherheit gewährleisten, wenn eine konsolidierte Infrastruktur sämtliche Systeme und Daten miteinander verknüpft?
Boris Ovcak: Die zentrale Speicherung und Verknüpfung von Daten stellt hohe Anforderungen an die IT-Sicherheit. Eine konsolidierte Infrastruktur ermöglicht es, Sicherheitsmaßnahmen effizient und gezielt umzusetzen. Moderne IT-Sicherheit verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz: Sicherheitsrichtlinien werden zentral implementiert und Zugriffsrechte präzise gesteuert. So können Unternehmen sicherstellen, dass nur autorisierte Mitarbeitende auf sensible Daten zugreifen können.
Während Büroangestellte oft Zugang zu den neuesten digitalen Tools haben, bleiben Frontline Worker, also Mitarbeitende ohne festen Arbeitsplatz, häufig außen vor. Stellt das langfristig ein Problem dar?
Boris Ovcak: Etwa 80 Prozent der weltweiten Belegschaft arbeiten ohne festen Arbeitsplatz. Diese Gruppe wird bei der Digitalisierung häufig übersehen und hat oft keinen Zugang zu den gleichen digitalen Tools wie der klassische Information Worker. Das schränkt ihre Produktivität und die Integration ins Unternehmen ein – viele relevante Unternehmensinformationen erreichen diese Personen schlichtweg nicht.
Unternehmen müssen Lösungen entwickeln, die ihnen denselben Zugang zu digitalen Tools wie ihren Kolleginnen und Kollegen im Büro ermöglichen. Mobile Mitarbeiter-Apps und cloudbasierte Kommunikationsplattformen sind hier gute Möglichkeiten, die Integration voranzutreiben. Wenn Frontline Worker dieselben Tools nutzen können, steigert dies ihre Effizienz, Motivation und Bindung ans Unternehmen – auch das hat die Social Collaboration Umfrage gezeigt.
Welche Stolperfallen sehen Sie bei der Einführung digitaler Arbeitsplätze oder Erweiterungen dieser, beispielsweise mit GenAI?
Boris Ovcak: Die Einbindung der Mitarbeitenden ist entscheidend. Technologie allein kann eine Transformation nicht erfolgreich machen – es braucht die Akzeptanz und aktive Beteiligung der Menschen, die mit ihr arbeiten. In unserer täglichen Arbeit mit Kunden sehen wir, dass der wahre Erfolg eines digitalen Arbeitsplatzes nicht nur in der Technologie liegt, sondern auch in der Bereitschaft der Mitarbeitenden, diese Veränderungen mitzutragen. Es geht darum, eine Kultur zu schaffen, die den digitalen Wandel aktiv unterstützt. Wenn Menschen und Technologie harmonieren, entfaltet sich das volle Potenzial der digitalen Transformation, und Unternehmen sichern sich nachhaltigen Erfolg.
Herr Ovcak, vielen Dank für dieses Gespräch.