22-TByte-HDDs: Lasst uns über Performance-Werte sprechen

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Bis zu 22 TByte passen mittlerweile auf eine Festplatte. Mit wenigen Laufwerken lassen sich enorme Speicherkapazitäten darstellen. In kleinen Umgebungen sieht Doc Storage den Einsatz aber kritisch, vor allem in RAID-Systemen. Angesichts der Performance-Werte würde eine Wiederherstellung Tage bis Wochen dauern.

Kolumne Doc Storage:

Die Branche freut sich jedes Mal, wenn einer der führenden Hersteller (mal wieder) die Latte für rotierenden Speicher etwas höher legt. Glaubten wir vor Jahren noch, dass fünf TByte, vielleicht acht die maximal im dreieinhalb-Zoll-Format erreichbare Speichergröße sein würde, hat man vor kurzem die 20er Marke überschritten und bietet nun 22 TByte an. Wie gesagt, in einem Laufwerk, nicht in einem Speichersystem. Da jubeln natürlich erst einmal alle, die unaufhörlich und rücksichtslos viele Daten erzeugen. Von Informationen will man da ja gar nicht mehr reden. Nun werden viele wieder die Augenbrauen hochziehen, am Kaffee oder Tee nippen und sich denken »der alte Mann hat wieder seine fünf Minuten«.

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Aber gern möchte ich diese »fünf Minuten« auch mit Substanz füllen, bevor sie denn wieder vorüber sind. Schaut man sich das neueste, auch auf dieser Seite beschriebene NAS-Produkt an, bietet dieses mit ebensolchen Platten in RAID-garnix bis zu 44 TByte Speicher an. Gut und schön, jeder muss selbst wissen, ob seine Informationen schützenswert sind oder nicht. Allerdings, man schaue sich den gesamten Artikel an, wird dort immer nur über die Peripherieschnittstellen und deren maximal mögliche Leistungen gesprochen, niemals über die von den Platten erbrachten. Das wollen wir hier doch einmal nachholen.

Bei den im Moment verfügbaren Laufwerken dieses Kalibers handelt es sich um solche mit 7.200 U/min, die wahlweise mit SAS- oder SATA-Schnittstelle zu bekommen sind. Mit SAS transportieren diese 12 Gbit/s, mit SATA lediglich die Hälfte, also 6 Gbit/s. Damit bescheiden sich die Hersteller natürlich nicht in den Angaben – interessanter sind sowieso die Leistungen beim internen Datentransport. Hier werden zwischen 284 und 291 MByte/s erzielt, dies ist ein ungefähr die Hälfte der Leistung der SATA-Schnittstelle.

Bleiben wir weiter bei den Zahlen. Selbst, wenn die SAS-Schnittstelle mit ihren 12 Gbit/s auch entsprechend schnell beliefert würde (man beachte den Konjunktiv), würde das Laufwerk für seine 22 TByte lesend, also schnell, im günstigsten Falle etwas mehr als vier Stunden und vier Minuten brauchen. Mit SATA ausgestattet und damit bei 6 Gbit eben genau das doppelte, also acht Stunden und acht Minuten. Nur fürs lineare Lesen. Nehmen wir nun einmal den GAU in einem Speichersystem an, eine Festplatte versagt ihren Dienst, wird ausgetauscht und dann durch den zuständigen Controller aus einer anderen oder eben mehreren wieder hergestellt.

Bei RAID 1 hätten wir noch (relatives) Glück, wenn wir basierend auf unseren Erfahrungen bei SAS-Platten schreibend die 2,5fache Zeit annehmen – dann wäre eine volle 22er nach einem halben Tag wieder geschützt. Falls der Controller nebenher nichts anderes mehr zu tun hat. Und falls der Zugriff für die Wiederherstellung auf die noch funktionierende Platte exklusiv ist. Und falls, und falls, und falls… Jeder, der im richtigen Leben schon einmal mit solchen Situationen zu tun hatte weiß, dass hieraus auch gerne einmal die doppelte oder dreifache Zeit rauskommen kann. Wie gesagt, diese Annahme galt für RAID 1 und SAS. Am anderen Ende der Nahrungskette stehen hier RAID 6 und SATA, wobei diese Schutzklasse für diese großer Laufwerke sowieso zu empfehlen ist. (Ach ja, in die meisten Desktop-NAS-Gehäuse passen ja nur zwei Laufwerke…)

Jetzt werden die meisten Praktiker sagen »naja, mit RAID 6 kann ja ruhig ein Laufwerk ausfallen, und die anderen sind immer noch geschützt«. Stimmt auffällig, dafür gibt’s ja diese Schutzklasse. Allerdings sollte man sich entschließen, während der Produktion (und von der behaupten ja zunehmend viele Kollegen, dass sie 24×7 stattfindet) ein neues Laufwerk einzusetzen, dann geht die Rechnerei los. Und die ist, neben den wesentlich zahlreicheren I/Os durch den Controller, deutlich aufwendiger als unter RAID 5, nicht zu reden von RAID 1. Mit diesen Medien mit über 20 TByte Volumen ist also mit Wiederherstellungszeiten einer Woche und mehr zu rechnen. Tage, in denen die Produktion durch die laufenden Prozesse deutlich in ihrer Leistung eingeschränkt wird.

Bevor man also jubelt über die 20 TByte und mehr, sollte man sich bewusst machen, was das denn im normalen Leben heißt. Im Kleingedruckten steht dann auch, dass die Laufwerke für 500 bis 600 TByte ausgelegt sind. Pro Jahr. Also noch nicht einmal sieben Prozent Änderungsrate am Tag. In Produktion. Da kann sich jeder mit einem konventionellen Tischrechner ausmalen, wie lange diese Laufwerke in der richtigen Welt durchhalten und irgendwann im altbekannten »Revolververfahren« durchgetauscht werden müssen.

So, meine fünf Minuten sind rum. Ich hoffe bloß, dass die Festspeichermedien schnell genug aufholen. Auch im Preis. Dann müssen wir diese Themen hoffentlich nicht mehr zum xten Male diskutieren.

Gruß
Doc Storage

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Anmerkung der Redaktion

Der Inhalt des Artikels entspricht der persönlichen Ansicht des Autors und spiegelt nicht unbedingt immer die Meinung der Redaktion wider.

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