TikTok hat sich längst über seine Funktion als reine Unterhaltungsplattform hinausentwickelt – insbesondere für junge Nutzer unter 30 Jahren ist es zunehmend eine Nachrichtenquelle.
Doch wie wirkt sich das auf den politischen Diskurs aus? Eine aktuelle Analyse unter der Leitung von Zicheng Cheng von der University of Arizona, gemeinsam mit Forschern aus Spanien und den USA, wirft einen kritischen Blick auf die politische Struktur der Plattform (via Pressetext).
Die Untersuchung zeigt: Viele TikTok-Nutzer folgen vor allem Accounts, die ihre eigenen Überzeugungen widerspiegeln. Dieser Trend verstärkt einseitige politische Ausrichtungen und erschwert den Zugang zu unterschiedlichen Perspektiven.
Ein zentrales Ergebnis der Analyse: Rechte politische Communitys auf TikTok sind deutlich homogener strukturiert als linke. Sie bestehen aus enger vernetzten Gruppen, die kaum mit gegensätzlichen Positionen oder etablierten Nachrichtenmedien interagieren. Anders als liberale Nutzer, die tendenziell auch anderen Meinungen ausgesetzt sind, bewegen sich viele rechtsgerichtete Nutzer fast ausschließlich in ideologisch gefestigten Netzwerken.
Die Rolle des Algorithmus und sozialer Bestätigung
Ein weiterer Einflussfaktor ist das algorithmische Design von TikTok. Inhalte mit hoher Interaktion – also vielen Likes, Kommentaren oder Shares – werden bevorzugt ausgespielt. Das belohnt polarisierende Beiträge und motiviert Nutzer, weiter ähnliche Inhalte zu produzieren. Cheng beschreibt dies als eine Art “soziales Belohnungssystem”, das die politische Meinungsbildung auf der Plattform maßgeblich beeinflusst.
Politische Inhalte entstehen auf TikTok nicht nur durch Rezeption, sondern zunehmend durch aktive Beteiligung. Zwischen 2019 und 2023 wurden über 16 Millionen politische Videos aus mehr als 160.000 öffentlichen Accounts analysiert. Insbesondere rund um die US-Wahl 2020 war ein deutlicher Anstieg politischer Aktivität auf der Plattform zu beobachten.
Fragwürdige Informationsqualität
Während viele junge Menschen TikTok regelmäßig als Nachrichtenquelle nutzen – laut einer Umfrage des Pew Research Center betrifft das rund 40 % der US-Amerikaner unter 30 –, bleibt die Qualität dieser Inhalte häufig fragwürdig. Denn der Großteil politischer Informationen stammt nicht von journalistischen Quellen, sondern von Influencern und Privatpersonen. Dies erschwert die Überprüfung von Fakten und gefährdet eine ausgewogene politische Meinungsbildung.
Plattform mit politischem Einfluss – aber ohne redaktionelle Kontrolle
TikTok vereint Unterhaltung, soziale Interaktion und zunehmend auch politische Kommunikation in einem einzigartigen Format. Gerade weil der politische Einfluss der Plattform wächst, sind strukturierte Untersuchungen wie die von Cheng und seinen Kollegen essenziell. Sie zeigen, wie soziale Medien nicht nur Meinungen abbilden, sondern durch ihre Struktur aktiv formen – oft ohne dass sich Nutzer dessen bewusst sind.