Telegram als Bühne für Desinformation

Software entlarvt Propaganda auf Telegram

Telegram
Bildquelle: kovop/Shutterstock.com

Ein interdisziplinäres Team der Ruhr-Universität Bochum und des Max-Planck-Instituts für Sicherheit und Privatsphäre hat eine Software vorgestellt, die Propaganda-Beiträge auf Telegram automatisch erkennt.

Das System erreicht eine Trefferquote von 97,6 Prozent und übertrifft damit die Leistung menschlicher Moderatoren deutlich. Nach den Angaben der Forschenden ist es um rund elf Prozent genauer als Menschen, die zufällig mit Propaganda-Beiträgen konfrontiert werden (via Pressetext).

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Netzwerke statt Einzelmeinungen

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stießen bei ihren Analysen auf ein charakteristisches Muster: Während normale Accounts in der Regel individuelle Beiträge verfassen, sind Propaganda-Profile stark vernetzt. Sie verbreiten wiederholt identische Texte und reagieren gezielt auf bestimmte Schlüsselwörter wie „Putin“ oder „Selenskyj“. Auf dieser Grundlage analysierte das Team um Professorin Rebekah Overdorf 13,7 Millionen Kommentare aus 13 großen Telegram-Kanälen. Rund 1,8 Prozent dieser Nachrichten erwiesen sich als Propaganda. Auffällig war vor allem ein pro-russisches Netzwerk, das in einzelnen Kanälen bis zu fünf Prozent aller Beiträge stellte. Auch ein kleineres pro-ukrainisches Netzwerk konnte identifiziert werden.

Die Untersuchung zeigte zugleich, wie ungleichmäßig die Arbeit menschlicher Moderatoren verläuft. In manchen Kanälen gelang es ihnen, fast 95 Prozent der propagandistischen Inhalte zu löschen, in anderen lag die Quote bei lediglich 20 Prozent. Neben dem hohen Zeitaufwand spielt dabei auch die psychische Belastung eine Rolle: Wer ständig mit Propaganda konfrontiert ist, leidet nicht selten unter den Auswirkungen. Genau hier setzt die neue Software an, die eine spürbare Entlastung verspricht und Moderationsteams unterstützt, statt sie zu ersetzen.

Telegrams Rolle im Informationskrieg

Gerade in Ländern wie Russland und der Ukraine ist Telegram ein zentraler Informationskanal. Da es keine unabhängige Instanz zur Faktenprüfung gibt, hängt die Qualität der Inhalte stark von den Kanalbetreibern ab. Diese löschen unerwünschte Beiträge häufig noch manuell oder setzen einfache Filter ein, die jedoch komplexe Propagandamuster nicht erfassen. Das neue Werkzeug könnte hier Abhilfe schaffen, indem es gezielt jene Netzwerke sichtbar macht, die im Hintergrund Meinungen beeinflussen wollen.

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Ausblick

Die Bochumer Forscherinnen und Forscher betonen, dass ihr Algorithmus kein Allheilmittel darstellt. Doch er zeigt, dass künstliche Intelligenz in der Lage ist, Propaganda zuverlässiger zu erkennen als Menschen und gleichzeitig deren Arbeitslast zu reduzieren. In Zeiten zunehmender digitaler Desinformation könnte dies ein entscheidender Schritt sein, um Debattenräume wie Telegram transparenter zu gestalten und die Verbreitung manipulativer Inhalte einzudämmen.

Pauline Dornig

Pauline

Dornig

Online-Redakteurin

IT Verlag GmbH

Pauline Dornig verstärkt seit Mai 2020 das Team des IT Verlags als Online-Redakteurin. (pd)
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