In den ersten Minuten nach der Ankunft eines schwer verletzten Menschen entscheidet sich oft, ob eine Behandlung erfolgreich verläuft. Gerade im Schockraum greifen viele Fachkräfte parallel ineinander, jede Sekunde zählt und alle relevanten Informationen müssen unmittelbar klar sein.
Um diese komplexen Abläufe zu erleichtern, entwickeln die Deutsche Telekom, das Fraunhofer IAIS und das Krankenhaus Merheim gemeinsam eine KI-Anwendung, die medizinische Teams in eben solchen Situationen unterstützen soll.
Ein digitales Assistenzsystem für höchste Belastung
Im Zentrum des Projekts steht ein KI-Agent, der die Gespräche im Schockraum in Echtzeit erfasst, medizinische Inhalte erkennt und priorisiert und diese Informationen grafisch aufbereitet. So sollen Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte schnell sehen können, welche Befunde und Maßnahmen bereits vorliegen und welche Schritte unmittelbar notwendig sind.
Die gewonnenen Daten fließen zudem in die Dokumentation der Behandlung ein und werden automatisch gespeichert. Das Ziel ist es, die Teams spürbar zu entlasten und Fehlerquellen zu reduzieren.
Technische Umsetzung im europäischen Cloud-Edge-Konzept
Die Anwendung kann sowohl lokal im Krankenhaus als auch in der Cloud betrieben werden. Da keine Internetverbindung notwendig ist, bleiben alle Daten vollständig unter europäischem Schutz. Grundlage bildet ein modularer Softwarebaukasten für KI-Lösungen, der im Rahmen des europäischen Förderprogramms IPCEI CIS entsteht.
Die Partner setzen auf eine robuste und flexible Infrastruktur, die selbst bei Ausfällen der Internetverbindung arbeitsfähig bleibt. Dafür steht unter anderem der Super-Minicomputer DGX Spark zur Verfügung. Das System soll später für weitere Einsatzfelder und KI-Agenten übertragbar sein.
Unterstützung entlang des ABCDE-Schemas
Schockraumteams arbeiten nach einem klaren Ablauf, dem ABCDE-Schema. Dabei werden Atemwege, Atmung, Kreislauf, neurologische Auffälligkeiten und zusätzliche Informationen nacheinander bewertet.
Der KI-Agent ordnet erkannte Sprachhinweise automatisch diesen Kategorien zu. Wird zum Beispiel ein auffälliges Atemgeräusch beschrieben, zeigt die Anwendung dies unmittelbar im passenden Bereich an. Die Visualisierung erfolgt in einer Ampellogik, sodass kritische Zustände sofort ins Auge fallen.
Fraunhofer IAIS gestaltet die Systemarchitektur und Sprachverarbeitung. Das Krankenhaus Merheim bringt medizinische Erfahrung und realistische Simulationen ein, um die Anwendung eng an den Alltag eines Schockraums anzupassen. Die Telekom steuert die technische Infrastruktur und die Cloud-Komponenten bei.
Weitere Einrichtungen wie das Bundeswehrkrankenhaus Berlin und das Florence-Nightingale-Krankenhaus in Düsseldorf beraten das Projekt mit ihrer Expertise aus der Notfallmedizin.
Bis zum Jahr 2026 soll ein Prototyp im klinischen Alltag getestet werden. Dieser wird lokal im Krankenhausbetrieb funktionieren und vollständig offline nutzbar sein. Ziel ist ein System, das Notfallteams unterstützt, ohne deren Arbeitsabläufe zu stören, und gleichzeitig maximale Sicherheit bietet.
Das Projekt baut auf dem Vorhaben TraumAInterfaces auf, das bereits vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert wurde. Die Anschlussförderung durch das IPCEI CIS soll nun den Schritt zur praktischen Anwendung ermöglichen.