Cybersecurity im Schatten der Großmächte

Wie geopolitische Spannungen die IT-Sicherheit bedrohen

Cybersicherheit ist längst keine rein technische Disziplin mehr,  sie ist ein geopolitisches Spielfeld geworden.

Hackergruppen mit staatlichem Auftrag, politische Sanktionen, unterbrochene Lieferketten: Die globale Ordnung ist fragiler denn je und mit ihr auch die IT-Sicherheit europäischer Unternehmen. Dieser Beitrag analysiert, warum klassische Schutzkonzepte nicht mehr ausreichen und warum Unternehmen heute gezwungen sind, ihre IT-Sicherheitsarchitektur durch eine geopolitische Brille zu betrachten. Wer nicht versteht, woher die Bedrohung kommt, wird sie nicht abwehren können.

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Die unsichtbare Front: Wenn Staaten angreifen

Die Landschaft der Cyberbedrohungen hat sich dramatisch verändert. Lange Zeit konzentrierten sich Unternehmen auf den Schutz vor Kriminalität und opportunistischen Hackern. Doch die Realität ist komplexer geworden. Heute agieren im digitalen Raum Akteure mit weitaus weitreichenderen Zielen: staatlich gesponserte Hackergruppen. Diese Advanced Persistent Threats (APTs) sind hochprofessionell, geduldig und verfügen über immense Ressourcen. Ihr Ziel ist oft nicht der schnelle finanzielle Gewinn, sondern Spionage, Sabotage oder die Störung kritischer Infrastrukturen.

Diese Entwicklung hat zur Folge, dass klassische Schutzkonzepte, die primär auf die Abwehr „gewöhnlicher“ Cyberkriminalität ausgelegt waren, an ihre Grenzen stoßen. Ein Deep Packet Inspection, ein herkömmliches Antivirenprogramm oder eine einfache Firewall reichen nicht mehr aus, um sich gegen Angriffe zu verteidigen, die von einem Staat orchestriert werden. Die Bedrohung kommt nicht mehr nur aus dem Darknet, sondern direkt aus den Machtzentren globaler Politik.

Globale Fragmentierung, lokale Risiken

Geopolitische Spannungen wirken sich unmittelbar auf die Cybersicherheit jedes einzelnen Unternehmens aus. Nehmen wir als Beispiel die Lieferketten. Politische Entscheidungen, Handelskonflikte oder sogar bewaffnete Auseinandersetzungen können dazu führen, dass Softwarekomponenten oder Hardware nicht mehr verfügbar sind oder nur noch über unsichere Kanäle bezogen werden können. Jedes Glied in der Lieferkette kann eine potenzielle Schwachstelle sein. Eine manipulierte Firmware, eine infizierte Softwarebibliothek oder eine umgeleitete Lieferung können ein Einfallstor für Angreifer darstellen, lange bevor die Systeme überhaupt beim Unternehmen ankommen.

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Darüber hinaus führen politische Sanktionen oder Exportkontrollen dazu, dass Unternehmen bestimmte Technologien oder Dienstleistungen nicht mehr nutzen dürfen oder können. Dies zwingt sie zu schnellen, oft überstürzten Umstellungen, die wiederum neue Sicherheitslücken aufreißen. Die vermeintliche Sicherheit eines etablierten Produkts kann sich über Nacht in ein Compliance- oder Sicherheitsrisiko verwandeln.

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Die geopolitische Brille: Ein Paradigmenwechsel in der IT-Sicherheit

Was bedeutet es konkret, die IT-Sicherheit durch eine geopolitische Brille zu betrachten? Es erfordert einen Paradigmenwechsel. Es geht nicht mehr nur darum, technische Schwachstellen zu identifizieren und zu beheben. Unternehmen müssen ein tiefes Verständnis für die geopolitischen Interessen und Fähigkeiten potenzieller Angreifer entwickeln.

Risikobewertung neu definieren: Traditionelle Risikobewertungen müssen um eine geopolitische Dimension erweitert werden. Woher könnten Angreifer kommen? Welche Ressourcen haben sie? Welche Motive könnten sie haben? Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen IT-Sicherheit, Risikomanagement und gegebenenfalls externen Beratern, die geopolitische Entwicklungen analysieren.

Lieferkettenresilienz aufbauen: Unternehmen müssen ihre Abhängigkeiten in der Lieferkette genau kennen und bewerten. Das bedeutet, nicht nur die direkten Lieferanten zu prüfen, sondern auch deren Unterlieferanten. Diversifizierung, die Nutzung von Open-Source-Lösungen, wo sinnvoll, und das Aufbauen von Notfallplänen für den Ausfall kritischer Komponenten werden unerlässlich.

Threat Intelligence aufwerten: Klassische Threat Intelligence konzentriert sich oft auf bekannte Malware-Signaturen und Angriffsmuster. Im Kontext geopolitischer Bedrohungen muss sie erweitert werden. Es gilt, Informationen über staatlich gesponserte Akteure, deren Taktiken, Techniken und Prozeduren (TTPs) sowie politische Entwicklungen zu sammeln und zu analysieren.

Resilienz statt Perfektion: Eine absolute Sicherheit ist ein Trugschluss. Angesichts staatlicher Akteure ist es wahrscheinlicher, dass ein Unternehmen irgendwann Ziel eines erfolgreichen Angriffs wird. Der Fokus muss sich daher von reiner Prävention hin zu maximaler Resilienz verschieben. Das bedeutet, Angriffe schnell zu erkennen, einzudämmen und die Geschäftsprozesse zügig wiederherzustellen.

Der Mehrwert einer geopolitisch informierten Sicherheitsstrategie

Eine IT-Sicherheitsarchitektur, die geopolitische Faktoren berücksichtigt, schafft messbaren Mehrwert für Unternehmen.

Proaktiver Schutz: Statt nur auf bekannte Bedrohungen zu reagieren, können Unternehmen potenzielle Angriffsvektoren vorab identifizieren und absichern.

Verbesserte Entscheidungsfindung: Strategische Entscheidungen, etwa über die Wahl von Technologiepartnern oder Cloud-Anbietern, können fundierter getroffen werden, da geopolitische Risiken von Anfang an mitberücksichtigt werden.

Reputationsschutz: Ein erfolgreicher Angriff mit geopolitischem Hintergrund kann verheerende Auswirkungen auf das Unternehmensimage haben. Eine vorausschauende Strategie minimiert dieses Risiko.

Geschäftskontinuität: Durch den Aufbau von Resilienz und die Kenntnis potenzieller Ausfallursachen können Unternehmen auch in Krisenzeiten handlungsfähig bleiben.

Risiko oder Investition? 

Die Implementierung einer geopolitisch informierten Sicherheitsstrategie ist keine Kleinigkeit und verursacht Kosten. Sie erfordert Investitionen in spezialisierte Threat Intelligence, Schulungen für Sicherheitsteams, gegebenenfalls neue Technologien und die Anpassung von Beschaffungsprozessen. Das Risiko, diese Investitionen nicht zu tätigen, ist jedoch weitaus höher. Ein einziger erfolgreicher Angriff mit staatlichem Hintergrund kann Millionen kosten, den Geschäftsbetrieb lahmlegen und das Vertrauen von Kunden und Partnern unwiederbringlich zerstören. Der Nutzen liegt klar in der langfristigen Sicherung der Unternehmenswerte und der Wettbewerbsfähigkeit in einer immer unsichereren Welt. Wer nicht versteht, woher die Bedrohung kommt, wird sie nicht abwehren können.

Thomas Kress TKUC Group

Thomas

Kress

IT-Sicherheitsexperte und Inhaber

TKUC Group

Thomas Kress ist IT-Sicherheitsexperte und Inhaber der TKUC Group mit den Marken TKUC und TheUnified. Nachdem er über 25 Jahren als IT-Consultant und Projektmanager für namhafte Unternehmen arbeitete, beschloss er, sich im Bereich IT-Sicherheit und Telekommunikation selbstständig zu machen.
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