In den letzten Jahren haben sich Cyber-Versicherungen vom Schmankerl zur Notwendigkeit jeder Risiko-Strategie entwickelt. Doch viele Unternehmen übersehen die unbequeme Wahrheit: Eine Police ersetzt keine gute Cyber-Abwehr.
Die Branche wird daher oft nicht von hochkomplexen Cyber-Angriffen erschüttert, sondern von Nachlässigkeit. Die Daten sprechen hier eine deutliche Sprache: 22 Prozent aller Verstöße beginnen mit gestohlenen oder missbrauchten Zugangsdaten, 20 Prozent mit offenen Schwachstellen und 16 Prozent durch simples Phishing. Das sind Routinefehler, die Versicherer längst nicht mehr durchgehen lassen.
Versicherungen zahlen nicht für vernachlässigte Basics
Wer glaubt, eine Police sei ein Blankoscheck, der irrt gewaltig. Versicherer zahlen nicht automatisch, sondern sie prüfen streng, wie bei jedem anderen Schutzbrief auch. Viele Policen knüpfen Leistungen sogar explizit an grundlegende Sicherheitsmaßnahmen. Dazu gehören Multi-Faktor-Authentifizierung, Patch-Management, Credential-Hygiene und dokumentierte Incident Response. Wer diese Anforderungen nicht konsequent und nachweisbar erfüllt, riskiert gekürzte Leistungen oder eine komplette Ablehnung.
Genau hier entsteht ein gefährlicher Kreislauf, der viele Unternehmen in falscher Sicherheit wiegt. Ein Beispiel:
Ein Unternehmen schließt eine Cyber-Versicherung ab und bekommt somit das Gefühl, ausreichend geschützt zu sein. Anschließend richtet sich der Fokus stärker auf vermeintlich spektakuläre, hochkomplexe Bedrohungen, während alltägliche Routinekontrollen zunehmend vernachlässigt werden oder nur noch inkonsistent stattfinden. Früher oder später führt genau diese Nachlässigkeit dazu, dass ein Angreifer eine banale Schwachstelle ausnutzt, beispielsweise eine offene Lücke, weil der Patch noch nicht eingespielt wurde, oder über kompromittierte Zugangsdaten. Wenn es schließlich zum Schadensfall kommt und das Unternehmen auf die Versicherung angewiesen ist, prüft der Versicherer den Vorfall und stellt fest, dass grundlegende Sicherheitsanforderungen nicht eingehalten wurden. In der Folge wird die Leistung reduziert oder komplett verweigert.
Die wahren Ursachen liegen im Alltag
Aktuelle Zahlen zeigen, dass gerade die vermeintlich banalen Bedrohungen den größten Schaden anrichten. So machte Credential Harvesting im Jahr 2024 immerhin 29 Prozent der Kompromittierungen aus und es dauert im Median 94 Tage, bis Unternehmen abgeflossene Geheimnisse auf GitHub bereinigen konnten. Gleichzeitig professionalisieren die Hacker ihre Phishing-Infrastrukturen mit gefälschten Websites, langanhaltenden Impersonation-Kampagnen und täuschend echten Profilen. Das sind keine exotischen Risiken, sondern die tägliche Angriffsrealität.
Die Versicherer wissen das. Deshalb werden sie zunehmend strenger, fordernder und misstrauischer. Manche Policen verlangen den ausdrücklichen Nachweis, dass der Sicherheitszustand dem beim Abschluss angegebenen Zustand mindestens entspricht. Das gilt nicht nur beim Abschluss, sondern auch bei der Erneuerung und im Ernstfall. Wenn die Realität dann nicht zur Selbstauskunft passt, ist die Deckung in Gefahr.
Fazit: Resilienz beginnt nicht bei Tools, sondern mit Disziplin
Die Ironie: Die meisten dieser Angriffe wären vermeidbar. Dafür braucht es jedoch keine zusätzlichen Tools, sondern konsequente Disziplin. Permanentes Credential Monitoring und regelmäßige Entfernung von Phishing-Domains sowie Fake-Profilen. Außerdem sollte Patching nach Exploitability erfolgen, statt nach Excel-Listen.
Eine Cyber-Versicherung ist somit kein Schutzschild, sondern ein Spiegel. Sie zeigt schonungslos, ob ein Unternehmen die Grundlagen beherrscht oder nicht. Wer darauf setzt, dass ein Schutzbrief die Folgen mangelnder Cyber-Sicherheit auffängt, spielt also ein riskantes Spiel. Nicht, weil die Angriffe zu gut geworden sind, sondern weil viele Unternehmen bei den grundlegenden Dingen zu oft nachlässig sind.