Studie

Startups als Schnellboote für Innovationen

Startups bringen in der COVID-19-Krise neue Produkte und Dienstleistungen rund neun bis zehn Tage schneller auf den Markt als etablierte Unternehmen.

Dies ist das Ergebnis einer Analyse der beiden Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Andreas Kuckertz und Prof. Dr. Bernd Ebersberger von der Universität Hohenheim in Stuttgart. In ihrer Studie befassten sich die beiden Forscher mit 136 Innovationen weltweit, die als Reaktion auf die Herausforderungen der COVID-19-Pandemie entstanden sind. Dabei war die durchschnittliche Zeitspanne vom Ausbruch der Infektion in der jeweiligen Region bis hin zur Einführung von Innovationen mit 38 Tagen weltweit gleich.

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Überraschend für die Forscher: Universitäten wiesen ähnliche Reaktionszeiten auf wie etablierten Unternehmen. Sie identifizierten zudem neun Megatrends, die als Haupttreiber für Innovationen angesehen werden können. In der Veröffentlichung ihrer Ergebnisse geben sie außerdem Empfehlungen für Startups, etablierte Unternehmen, Universitäten und Politik.

Herausforderungen wie die COVID-19-Krise und ihre Folgen verlangen nach innovativen Antworten. Schnelle und kreative Lösungen können dazu beitragen, schädliche Auswirkungen der Krise abzumildern. Denn die durch die Pandemie ausgelöste Situation betrifft nicht nur den Gesundheitssektor, sondern zieht auch Probleme wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Natur nach sich.

„Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie stellen Einzelpersonen, Organisationen und Nationen vor eine Vielzahl an unerwarteten Problemen. Es entstehen neue Verhaltensweisen und neue Bedürfnisse, die auch wieder zu Innovationen führen“, erklärt Prof. Dr. Kuckertz.

„Unsere Analyse weist insgesamt auf eine veränderte Innovationslandschaft hin, die durch COVID-19 ausgelöst wurde“, erläutert Prof. Dr. Ebersberger. „Diese Veränderungen gehen weit über die reinen Gesundheitsbelange hinaus. Die Krise betrifft die Gesellschaft als Ganzes.“

Startups als Schnellboote für Innovationen

In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur findet sich oft das Bild von etablierten Unternehmen als schwerfälligen Tankern, die nur langsam und behäbig auf Veränderungen reagieren und Neuerungen einführen. Ihnen gegenüber die Startups: Als kleinere und wendige Schnellboote können sie unmittelbar neue Trends aufgreifen und gelten allgemein als Schlüssel für schnelle Innovation in Krisen.

Prof. Dr. Kuckertz und Prof. Dr. Ebersberger sind der Frage nachgegangen, ob diese Metapher auch in der durch die COVID-19-Pandemie ausgelösten Krise zutrifft und Startups und etablierte Unternehmen unterschiedlich mit Innovationen auf die Krise reagieren.

Für ihre Untersuchungen zogen die Wissenschaftler Daten aus der ersten Pandemie-Welle zwischen dem 24. Januar und 1. Mai heran. Dazu nutzten sie Angaben der kommerziellen Datenbank Trendexplorer, in der weltweit mehr als 46.000 Innovationen erfasst werden, die über das Stadium der reinen Erfindung hinausgehen. Sie fanden 136 durch die Pandemie ausgelöste Innovationen. Dabei stammten 23 Innovationen aus Asien und Ozeanien, 39 aus Europa und 74 aus Nordamerika.

Insgesamt ist das Angebot der neuen Produkte und Dienstleistungen breit gefächert: Über ein Abstrichkit, das die Viruslast auf Oberflächen und in Abwässern erfasst, über einen GPS-Tracker, der Mitarbeiter über einen Signalton an die Einhaltung des Mindestabstands erinnert, bis hin zu virtuell erlebbaren Kinobesuchen oder dem digitalen Besuch des Friseurs.

Wichtige Megatrends in der Krise

Dabei finden sich Innovationen jedoch nicht in allen Bereichen gleichermaßen. Die Wissenschaftler identifizieren neun Megatrends, die in der COVID-19-Krise Haupttreiber für Innovationen sind. Vor allem technologiegetriebene Megatrends scheinen zu Innovationen in den Bereichen Gesundheit, Arbeit und Konsum mit künstlicher Intelligenz, der Nutzung von Big Data und Netzwerktechnologien zu führen.

Wenig überraschend steht dabei die Gesundheit im Mittelpunkt. Weitere Megatrends beschäftigen sich mit der Frage, wie wir künftig leben und arbeiten werden. So entstehen Innovationen unter anderem im sogenannten Outernet, das Online- und Offline-Welt miteinander verbindet und beispielsweise Echtzeitinformationen zu COVID-19-bezogenen Themen bereitstellt. Andere Innovationen beschäftigen sich mit der Frage, wie über alle Kanäle hinweg eine nahtlose Beziehung zum potenziellen Kunden ermöglicht werden kann.

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Weltweit ähnliche Reaktionszeiten

Die Wissenschaftler interessierte vor allem, wie schnell Unternehmen auf neue und veränderte Bedürfnisse reagieren, die durch die COVID-19-Krise ausgelöst wurden. Zwar wurden die ersten Innovationen im asiatischen Raum auf den Markt gebracht, dies sei aber darauf zurückzuführen, dass das Virus und die Erkrankung dort als erstes auftraten, erklärt Prof. Dr. Ebersberger.

Dies wird deutlich, wenn man sich die sogenannte lokale Reaktionszeit ansieht. Sie erfasst die Zeit, wenn das Virus zum ersten Mal die Schwelle von 100 bestätigten COVID-19-Fällen in dem jeweiligen Land überschreitet bis hin zur Einführung von Innovationen. Hier reagierten mit durchschnittlich 38 Tagen weltweit alle Regionen der Welt gleichermaßen schnell.

Allerdings brauchten weltweit die Startups neun bis zehn Tage weniger als etablierte Unternehmen, um mit ihren Innovationen auf den Markt zu kommen. Einer der Gründe für diese wesentlich kürzere Reaktionszeit von Startups ist laut Prof. Dr. Kuckertz sicherlich darin zu sehen, dass sie anders organisiert sind. Dadurch können sie schneller den gesellschaftlichen Wandel aufgreifen und auf Probleme unterschiedlicher Art reagieren.

„Insbesondere die organisatorische Flexibilität und Energie können als Vorteile betrachtet werden, die Start-ups mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeprägter aufweisen als etablierte Unternehmen“, so der Experte.

Empfehlungen für Startups, Unternehmen, Universitäten und Politik

Aus ihren Daten leiten die beiden Experten zudem Empfehlungen ab, was Startups, Unternehmen, Universitäten und Politik tun können, um Innovationen in der Krise zu fördern. Ihrer Meinung nach sollte sich das Innovationsmanagement insbesondere auf die neun wichtigsten Megatrends fokussieren.

„Eine weitere Konsequenz aus unserer Analyse könnte für etablierte Unternehmen und deren Innovationsmanagement darin bestehen, während der Krise Innovationsaktivitäten nicht nur nicht abzubauen, sondern sogar dafür zu sorgen, dass Start-ups Teil eines ganzheitlichen und übergreifenden unternehmerischen Innovationssystems sind“, meint Prof. Dr. Ebersberger.

So können etablierte Unternehmen von der Wendigkeit und Schnelligkeit der Startups profitieren, indem sie die Zusammenarbeit mit ihnen suchen oder sich deren Denk- und Prozessmodelle zu eigen machen. Umgekehrt sollten Startups darauf achten, dass sie im Laufe ihres Wachstums die Zielorientierung nicht verlieren und eine zunehmende Trägheit vermeiden.

Auch die Politik kann ihren Teil dazu beitragen: Geeignete Maßnahmen können helfen, die Innovationsfreudigkeit von Startups zu nutzen und die Zusammenarbeit zwischen Startups und etablierten Unternehmen zu stärken – mit Vorteilen für alle Beteiligten. Universitäten sollten sich verstärkt zu unternehmerischen Universitäten entwickeln, indem sie beispielsweise den Transfer von Technologien fördern und auch einfordern.

Nachzulesen im Journal of Business Research.

www.uni-hohenheim.de

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