Die rasante Entwicklung generativer KI setzt Führungskräfte weltweit unter enormen Handlungsdruck. Laut dem aktuellen Global AI Confessions Report befürchten 69 Prozent der deutschen CEOs, dass gescheiterte KI-Strategien bis Ende 2025 zu Führungswechseln führen werden. Parallel dazu warnen Experten vor dem wachsenden Phänomen des AI Washing, also der irreführenden Vermarktung vermeintlicher KI-Lösungen ohne echten Mehrwert.
Deutsche CEOs gehen im internationalen Vergleich mit 39 Prozent am häufigsten davon aus, dass eigene KI-Initiativen mehr der Optik als der Wirkung dienen. Unternehmen benötigen daher dringend strategische Ansätze, um echte KI-Transformation von oberflächlichem Technologie-Marketing zu unterscheiden und nachhaltigen Geschäftswert zu schaffen.
Das AI Washing-Dilemma: Wenn Druck zu Fehlentscheidungen fĂĽhrt
AI Washing entsteht primär unter Wettbewerbsdruck, wenn Unternehmen zu reaktivem Aktionismus neigen. Ein typisches Resultat ist die schnelle Implementierung von Insellösungen oder generischer Standardlösungen, die nicht an die unternehmenseigenen Prozesse und Anforderungen angepasst sind. Diese Praxis offenbart eine irrefĂĽhrende Marketingstrategie, bei der Unternehmen die Verwendung von KI in ihren Anwendungen ĂĽberspitzt darstellen oder sogar erfinden, um ein innovativeres und fortschrittlicheres Bild zu erzeugen. Ein prominentes Beispiel hierfĂĽr lieferte Amazon mit seiner „Just Walk Out”-Technologie. Entgegen der vollständig KI-gesteuerten Vermarktung ĂĽberprĂĽften in Indien tatsächlich rund 1.000 Mitarbeitende manuell fast drei Viertel der Transaktionen. Anhand solcher Fälle zeigt sich der Innovationsdruck, der zu ĂĽbertriebenen Technologieversprechen fĂĽhrt und gleichzeitig das Vertrauen in echte KI-Entwicklungen untergraben kann.
Use-Case-First-Ansatz: Vom Geschäftswert zur Technologie
KI dient primär als Treiber zur Optimierung bzw. Neugestaltung bestehender Geschäftsprozesse sowie zur Unterstützung strategischer Prioritäten. Der strategische Ansatz muss deshalb immer von den Geschäftszielen und nicht von der Technologie selbst abgeleitet werden. Erfolgreiche Implementierungen beginnen mit der Identifikation von Anwendungsfeldern mit hohem Potential, beispielsweise der Qualitätssicherung in der Produktion, der Personalisierung der Kundenansprache, der zielführenderen Forschung und Entwicklung sowie der Integration intelligenter Algorithmen in Kernprodukte und -dienstleistungen. Eine aktuelle PWC-Studie belegt, dass die deutsche Wirtschaft allein durch den Einsatz von GenAI jährlich um 0,4 bis 0,7 Prozent wachsen könnte. Bis 2030 entspräche dies einem zusätzlichen potentiellen BIP von bis zu 220 Mrd. Euro.
Demokratisierung und Kosten der KI-Entwicklung
Entscheidend ist, dass die Fachbereiche befähigt werden, Anwendungsfälle in einem kontrollierten Umfeld autonom umzusetzen. Hierfür lohnt sich die Investition in ganzheitliche KI-Lösungen, die verschiedene Personen in einer standardisierten Umgebung zusammenbringen. Diese bieten Kontrolle, Compliance und Transparenz und ermöglichen zugleich die Auswahl der jeweils besten Lösung für den Anwendungsfall.
Eine kontinuierliche Herausforderung besteht darin, den konkreten ROI von KI für die Organisation messbar zu machen. Im Gegensatz zu klassischen KI-Anwendungsfällen, bei denen ein Großteil der Kosten beim initialen Training der Modelle anfällt, sind bei GenAI-Anwendungsfällen die laufenden Kosten oft der deutlich größere und schwerer zu antizipierende Faktor. Jede neue Interaktion mit einem Chatbot verursacht Kosten: Bei Open-Source-KI entfallen zwar die Lizenzgebühren, doch verursachen die Infrastruktur- und Wartungskosten (z. B. für Cloud-Ressourcen und Ops-Personal) erhebliche Ausgaben (eine Kostenreduktion ist aber aufgrund von immer effizienteren Modellen zu erwarten). Kommerzielle Modelle bieten planbare Skalierbarkeit, bergen aber das Risiko exponentiell steigender (Token/)Nutzungskosten (auch hier sinken die Kosten dank effizienterer Modelle und Wettbewerb spürbar).
Transparenz als Erfolgsfaktor
Unternehmen benötigen Transparenz über die Mehrwerte und Kosten ihrer GenAI-Anwendungsfälle. Dazu gehört auch die Möglichkeit, bestimmte Anwendungsfälle proaktiv zu beschränken oder ganz zu stoppen, beispielsweise durch Kostenlimits auf Nutzer-, Gruppen- oder Anwendungsebene. Mehr als ein Drittel der Unternehmen verfügt bereits über ein eigenes Budget für GenAI und muss damit einer Rechenschaftspflicht gegenüber der Führungsebene nachkommen. Laut einer Umfrage von Databricks und Dataiku unter 400 führenden KI-Experten messen 21 Prozent der IT-Führungskräfte den ROI von GenAI überhaupt nicht spezifisch. Oftmals besteht die Herausforderung darin, dass nicht nur eine KI-Anwendung, sondern gleich mehrere pro Unternehmen eingesetzt werden. Wenn diese dann auch noch unabhängig voneinander agieren, wird es schwer, den Überblick zu behalten und deren Wertschöpfung einheitlich zu messen.
Ganzheitliche KI-Lösungen schaffen hier Abhilfe für entsprechende Governance-Herausforderungen. Solche integrierten Anwendungen gehören mittlerweile zum Standard und werden vorrangig als gehostete Dienste angeboten. 85 Prozent der Befragten nutzen sie bereits aktiv oder prüfen ihren Nutzen. Zudem können dezidierte Datenverantwortliche in Unternehmen dabei helfen, die tatsächliche Wertschöpfung von KI sichtbar zu machen.
Modernisierung der Tech-Landschaft
Laut eigenen Angaben haben mehr als die Hälfte der Unternehmen aufgrund von Datensilos und inkonsistenten Daten keine unternehmensweit homogene Datenbasis und kein einheitliches Datenmanagement. 96 Prozent der Unternehmen legen deshalb einen Fokus auf den Auf- oder Ausbau von Datenplattformen, um eine bessere Dateninteroperabilität zu erreichen. Die Datenqualität bleibt jedoch nach wie vor die größte Hürde: 58 Prozent der IT-Führungskräfte bemängeln eine unzureichende Datenqualität als Haupthindernis für ihre KI-Projekte.
Ganzheitliche Lösungen, die auf verschiedene Datenquellen mit entsprechender Sicherheit nativ zugreifen können, bieten eine optimale Möglichkeit, den Aufwand zur Verbesserung der Datenqualität zu demokratisieren. Datenzugriff und -qualität wird angesichts der anstehenden Umsetzung von KI-Agenten an Relevanz weiter zunehmen. Nur mit Zugang zu Daten über Silos (bspw. Daten aus SAP, Salesforce, ServiceNow) hinweg können KI-Agenten ihr Versprechen nach Automatisierung eines Ende-zu-Ende-Prozesses wirklich erfüllen.
Voraussetzungen fĂĽr eine nachhaltige KI-Implementierung
Eine erfolgreiche KI-Transformation erfordert zwingend die Integration der gesamten Belegschaft. Analysen identifizieren vier Kernmaßnahmen für die vertrauensbasierte Implementierung: Authentisches Leadership-Commitment, bei dem Führungskräfte als Vorbilder agieren, differenzierte Talent-Identifikation durch die gezielte Förderung von “Early Adopters”, also Mitarbeitenden mit ausgeprägter KI-Affinität, funktionsspezifische Qualifizierungsprogramme mit Fokus auf praxisnahe Anwendungen im jeweiligen Arbeitskontext und die Etablierung einer experimentierfreudigen Innovationskultur, um die fachbereichsübergreifende Kollaboration zwischen unterschiedlichen Unternehmensbereichen zu fördern.
Fazit: Nachhaltige KI-Strategien jenseits des Hypes
Führungskräfte müssen den Fokus von technologiegetriebenen auf anwendungsfallspezifische bzw. prozessspezifische Strategien verlagern, robuste Governance-Strukturen etablieren und in die Kompetenzentwicklung ihrer Belegschaft investieren. Zentralisierte Plattformlösungen bieten dabei den entscheidenden Vorteil einer einheitlichen Infrastruktur, die Kontrolle, Transparenz und Skalierbarkeit gewährleistet, ohne die notwendige Flexibilität bei der Technologieauswahl zu beschränken. Nur so können Unternehmen echte Wettbewerbsvorteile durch KI realisieren, statt dem oberflächlichen Marketing-Trend des AI Washing zu erliegen.