Kooperative Lieferketten

Die Zukunft des Online-Handels liegt in der Logistik

Logistik im Onlinehandel

Kaum eine Branche befindet sich derzeit in einem so rasanten Wandel wie der Handel. Immer mehr Transaktionen werden online abgewickelt. Das gilt nicht nur für Non-Food-Artikel, sondern gerade auch im Lebensmittelbereich sind deutliche Umbrüche zu sehen.

Auch dort ist die bequeme und flexible Lieferung direkt nach Hause für die viele Menschen unverzichtbar geworden – und ein weiterer wesentlicher Grund, weshalb die Umsätze im E-Commerce insgesamt seit Jahren steigen. So wuchs der Online-Lebensmittelhandel in den vergangenen acht Jahren von rund 600 Mio. Euro auf über 3,9 Mrd. Euro in 2021. Ich gehe stark davon aus, dass sich, trotz der aktuellen Eintrübung, dieser insgesamt positive Trend auf lange Sicht fortsetzen wird. Und spätestens dann tritt ein wesentlicher Erfolgsfaktor in den Vordergrund: die Logistik. Innovative und leistungsfähige Logistikprozessketten entscheiden dann umso mehr über Erfolg und Misserfolg.

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Der Grund dafür liegt auf der Hand: Immer mehr Konsumenten haben sich bereits an das Same-Day-Delivery Konzept, das etwa Amazon für viele Produktkategorien anbietet, gewöhnt. Der nächste konsequente Schritt könnte daher die Same-Hour-Delivery werden. Wesentlich hierbei wird sein, dass man wirtschaftlich tragfähige Warenkorbvolumina erzielen kann. Meines Erachtens kann dieses Lieferkonzept daher vor allem im regionalen Lebensmittelsektor bzw. in der Nahversorgung zukünftig eine noch bedeutendere Rolle spielen.

Amazon Fresh, Gorillas und Rewe sind bereits dabei, vorhandene Kapazitäten zu skalieren und ihre Lieferinfrastruktur auszubauen. Insbesondere Newcomer wie Foodpanda, Flink oder Gorillas stehen hier aber vor der großen Herausforderung, ihre Supply Chain nachhaltig und wirtschaftlich aufzubauen. Weshalb? Weil sie, aufgrund ihrer (noch) geringen Größe, erhebliche Einkaufsnachteile gegenüber den großen Playern wie Rewe, Edeka, Aldi oder Lidl aufweisen und ihre Logistikhubs erst teuer aufbauen müssen. Hinzu kommt: Das Wertversprechen einer extrem kurzen Lieferzeit setzt insbesondere deren Logistikprozesse einem hohen Druck aus. Unter diesen Voraussetzungen wird klar, dass die aktuellen Warenkorbwerte steigen müssen, um überhaupt wirtschaftlich erfolgreich sein zu können.

Kooperative Lieferketten für mehr Effizienz

Angetrieben von den großen Playern wie Amazon, Zalando, Otto etc. ist es das branchenübergreifende Ziel, den wachsenden Ansprüchen der Verbraucher gerecht zu werden. Bedingt durch die aktuelle politische Weltlage, die vor allem die Transport- und Logistikkosten in die Höhe treibt, wächst gerade auch für mittlere und kleine Händler seit Monaten der Druck, effizientere Lieferketten aufzubauen. Das betrifft alle Branchen, die von reibungslosen und bezahlbaren Logistikketten abhängen. Gerade für kleinere Händler ist es demnach fünf vor zwölf. Es gilt, alternative Beschaffungsstrategien zu formulieren, welche

  • den IST-Zustand im Hinblick auf die Lieferfähigkeit der eigenen Supply Chain klären,
  • den Ausbau der Logistikstruktur vorantreiben, um versteckte Bestände durch Echtzeitaustausch von Daten binnen kürzester Zeit zu identifizieren,
  • im Falle von populären Produkten rechtzeitig – also jetzt! – nach Alternativen, Ersatz- oder Komplementärprodukten recherchieren,
  • gegenüber Kunden offen, transparent und explizit kommunizieren, wenn zum Beispiel Liefertermine nicht gehalten werden können und
  • den Ausbau des Claims-Management vorantreiben und konkrete Maßnahmen erarbeiten, wie Kunden für ausgefallene Lieferungen entschädigt werden können.

Viele Online-Händler stehen vor diesem Hintergrund vor der Frage, ob sie sich zukünftig entweder einem der Giganten anschließen, um etwa in der Logistik von dessen Größenvorteilen zu profitieren oder ob sie in ihrer Lieferkette unabhängig bleiben, dafür aber höhere Kosten, weniger Flexibilität und tendenziell ein schlechteres Kundenerlebnis in Kauf nehmen. Ein schmaler Grat, auf dem es zu wandern gilt.

Für andere Händler gibt es wiederum kein „Entweder-oder“, sie schlagen einen neuen Weg ein: mit einem kooperativen, unabhängigen Lieferkettenmodell. Auf diese Weise nutzen die daran beteiligten Partner gemeinsam den vorhandene Pool an Logistik-Kapazitäten und Infrastrukturen, ohne sich einem großen Marktplatz unterwerfen zu müssen. Durch den Zusammenschluss können die Beteiligten Synergieeffekte erschließen. Sie zeigen sich etwa in Form von optimierten Kosten und Transportwegen. Ziel der Shopbetreiber bleibt es dabei weiterhin, die Verbraucher schnell, pünktlich und vor allem preislich wettbewerbsfähig beliefern zu können. Der Bekleidungseinzelhändler American Eagle (AE) steht an der Spitze dieses neuen Denkens. Das Unternehmen baut derzeit eine Lieferkettenplattform auf. Ziel ist, Logistik-Partnerschaften zu festigen und auf dieser Basis langfristige Wachstumspotenziale zu erschließen. American Eagle ist dabei aber nicht allein, auch weitere Händler schließen sich dieser Strategie an.

Zunehmende Vernetzung von Online- und Offline-Handel

Und wie sieht es beim Kunden aus? Der erwartet bei der Lieferung ein Maximum an Flexibilität. Die ist nicht nur im Bereich der Liefergeschwindigkeit, sondern zunehmend auch im Bereich des Lieferortes selbstverständlich geworden. Kunden wollen selbst entscheiden, ob die Ware nach Hause, ins Büro, an eine Packstation oder etwa in ein Ladenlokal geliefert werden soll. Andere wiederum geben eine Bestellung im stationären Handel auf, lassen sich die Ware anschließend aber nach Hause liefern. Damit gewinnt die ganzheitliche Vernetzung des Handels an Fahrt und es zeigt sich, dass die Logistik zu einem Gamechanger werden kann, der über Erfolg und Misserfolg entscheidet.

Grundvoraussetzung ist eine reibungslos funktionierende IT-Infrastruktur, in der Echtzeit-Bestands- als auch die -Verfügbarkeitsanzeige sowohl online wie offline zusammenspielen. Shopbetreiber, aber auch stationäre Händler sollten heute schon beginnen, ihre Logistikprozesse zu optimieren. Das heißt vor allem, kritische Bereiche wie etwa Beschaffungslogistik, Lagerlogistik, Distributionslogistik oder Filiallogistik miteinander eng zu vernetzen. Nur wer hier ganzheitlich denkt, wird in Zukunft die hohen Kundenerwartungen erfüllen können.

Bernd Vermaaten solute

Bernd

Vermaaten

solute

CEO

Bernd Vermaaten (Bildquelle: Xing) ist nicht nur CEO des Karlsruher E-Commerce-Unternehmens solute, zu dem das Vergleichsportal billiger.de oder der Adtech-Spezialist Adspert gehören. Als kreativer Kopf hat sich der Diplom-Kaufmann über die Grenzen seines Unternehmens hinaus einen Namen gemacht.
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