Cybersicherheit in der Praxis

Zero Trust auf dem Prüfstand: Fünf Denkfehler, die Unternehmen vermeiden sollten

Zero Trust, Cybersecurity

Die Grundidee von Zero Trust ist einfach: Kein Zugriff wird als sicher vorausgesetzt. Doch in der Praxis zeigt sich, dass gerade diese Einfachheit zu Missverständnissen führt. Viele Unternehmen setzen auf Einzelmaßnahmen und verlieren dabei das strategische Gesamtbild aus dem Blick. Fünf Irrtümer zeigen, worauf es bei der praktischen Umsetzung von Zero Trust wirklich ankommt.

Zero Trust gilt als modernes Sicherheitskonzept, das den Schutz in zunehmend verteilten und hybriden IT-Umgebungen gewährleisten soll. Klassische Schutzmodelle stoßen an ihre Grenzen, da sie primär auf Netzwerk- oder Perimetersicherheit setzen. Dennoch scheitern viele Unternehmen bei der praktischen Umsetzung von Zero Trust. Statt eines übergreifenden Sicherheitsmodells dominieren punktuelle Maßnahmen wie einzelne Tools oder Multifaktor-Authentifizierung. Ein wirksamer Schutz erfordert jedoch ein durchgängiges Konzept, das Identitäten, Kontexte und Zugriffsdynamiken konsequent berücksichtigt. Nur wenn jede Zugriffsanfrage strikt anhand nachvollziehbarer Kriterien geprüft wird, lässt sich ein belastbarer Schutz realisieren. Dieser Anspruch wird in der Realität oft verfehlt.

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Fünf Irrtümer verdeutlichen, weshalb Zero Trust in der Praxis häufig hinter den Erwartungen zurückbleibt und wie Unternehmen mit der richtigen Perspektive mehr erreichen können.

  1. Zero Trust lässt sich einfach durch neue Tools realisieren 
    Zero Trust wird häufig als einzelne Technologie oder Sicherheitslösung verstanden. Tatsächlich handelt es sich um ein umfassendes Architekturprinzip, das technologische, organisatorische und prozessuale Ebenen integriert. Die Einführung einzelner Tools ohne strategische Einbettung kann zwar einzelne Risiken mindern, erfüllt jedoch nicht den ganzheitlichen Anspruch von Zero Trust. Nur ein konsequent durchdachtes Zusammenspiel aller Komponenten schafft belastbare Sicherheit.
  2. Zero Trust ist nur Multi-Faktor-Authentifizierung
    Multi-Faktor-Authentifizierung (MFA) ist eine wichtige Sicherheitsmaßnahme, bildet aber lediglich den Anfang. Zero Trust erfordert eine fortlaufende Bewertung aller Zugriffsanfragen unter Einbeziehung aktueller Kontextfaktoren wie Standort, Gerätezustand oder Nutzerverhalten. Sicherheit entsteht nicht allein beim Login, sondern durch permanente, kontextbasierte Prüfungen während der gesamten Sitzung.
  3. Zero Trust ist reines Misstrauen
    Der Begriff Zero Trust wird häufig fehlinterpretiert: als pauschales Misstrauen gegenüber Nutzern und Systemen. Tatsächlich geht es um differenziertes, kontextbasiertes Vertrauen, das jederzeit belegt, geprüft und bei Bedarf entzogen werden kann. Identitäten, Rechte und Zugriffspfade werden dabei ständig neu bewertet. So entsteht eine adaptive Sicherheitsarchitektur, die sich an realen Risiken orientiert statt an Annahmen.
  4. Zero Trust ist nur für Großunternehmen relevant
    Gerade kleine und mittlere Unternehmen betrachten Zero Trust häufig als zu komplex oder zu teuer. Doch der modulare Charakter des Modells erlaubt eine schrittweise Einführung und ist keineswegs an bestimmte Unternehmensgrößen gebunden. Bereits mit einfachen Maßnahmen wie dem Prinzip minimaler Rechte oder segmentierten Zugriffen lassen sich Risiken wirksam senken. Gerade mittelständische Unternehmen profitieren dadurch von einem wirksamen Schutz, der auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist.
  5. Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit schließen sich aus
    Viele Unternehmen sehen Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit als Gegensätze. Moderne Customer Identity and Access Management-Systeme (CIAM) beweisen jedoch, dass sich hohe Sicherheitsanforderungen mit einem reibungslosen Nutzererlebnis verbinden lassen. Adaptive Authentifizierungsmethoden ermöglichen risikobasierte Prüfungen, die nur bei erhöhtem Verdacht zusätzliche Maßnahmen auslösen. So werden Nutzer entlastet und gleichzeitig steigt die Akzeptanz der Sicherheitsmaßnahmen.

Wer Zero Trust strategisch umsetzen will, muss über Einzelmaßnahmen hinausdenken. Die Fehleinschätzungen zeigen, wie leicht sich Organisationen auf technische Teilaspekte fokussieren und dabei den übergreifenden Rahmen verlieren. Umso wichtiger ist ein strukturiertes Vorgehen, das die richtigen Fragen stellt und alle Beteiligten an einen Tisch bringt.

Sicherheit braucht Struktur und Zusammenarbeit

Zero Trust scheitert selten an fehlender Technologie, sondern an fehlender Struktur. Eine fundierte Analyse der vorhandenen IT-Landschaft ist unverzichtbar: Welche Anwendungen sind besonders schützenswert? Welche Identitäten existieren? Welche Risiken sind prioritär? Nur wenn diese Fragen strategisch beantwortet sind, lassen sich geeignete Maßnahmen ableiten. Ebenso entscheidend ist die enge Abstimmung zwischen IT, Sicherheit und den Fachbereichen. Zero Trust ist kein IT-Projekt, sondern ein organisationsweites Vorhaben, das klare Verantwortlichkeiten und ein gemeinsames Sicherheitsverständnis erfordert.

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Digitale Identität als Ausgangspunkt für Zero Trust

Im Zentrum jeder Zero-Trust-Architektur steht die digitale Identität. Sie entscheidet darüber, welche Nutzer oder Systeme Zugriff auf welche Ressourcen erhalten und unter welchen Bedingungen dieser Zugriff erlaubt wird. Ein leistungsfähiges Identity and Access-Management ermöglicht es, Identitäten kontextbezogen zu bewerten, Zugriffe flexibel zu steuern und verdächtige Aktivitäten frühzeitig zu erkennen.

Passwortlose Authentifizierung, adaptive Zugriffskontrollen und eine fein abgestufte Rechtevergabe schaffen ein Sicherheitsniveau, das sich kontinuierlich an veränderte Bedrohungslagen anpassen kann. Vertrauen wird nicht dauerhaft gewährt, sondern laufend überprüft, bei jedem Zugriff, jeder Aktion, jeder Sitzung.

Zero Trust ist kein Zustand, der einmal erreicht und abgeschlossen ist. Es handelt sich um einen fortlaufenden Prozess, der regelmäßige Anpassung und konsequente Weiterentwicklung erfordert. Wer digitale Identitäten ganzheitlich absichert, legt den Grundstein für eine widerstandsfähige Sicherheitsarchitektur, die auch steigenden regulatorischen und technologischen Anforderungen standhält.

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Fazit: Sicherheit entsteht durch Strategie und nicht durch Einzelmaßnahmen

Zero Trust entfaltet seine Wirkung nicht durch einzelne Technologien, sondern durch ein strategisches Zusammenspiel aus Identitätsmanagement, Zugriffskontrolle und kontinuierlicher Risikoprüfung. Unternehmen sollten daher nicht bei Multifaktor-Authentifizierung oder punktuellen Tools stehenbleiben, sondern eine klare Zielarchitektur entwickeln, die schrittweise umgesetzt wird.

Dazu braucht es vor allem eines: Klarheit über die eigenen Schutzbedarfe und die Bereitschaft, organisatorische Silos zu überwinden. Wer Zero Trust als gemeinsames Vorhaben von IT, Security und Fachbereichen versteht, schafft die Basis für langfristige Resilienz. Entscheidend ist es, nicht auf den perfekten Start zu warten, sondern pragmatisch und fokussiert mit den kritischsten Zugriffspfaden zu beginnen.

So wird aus einem vermeintlich komplexen Sicherheitsansatz ein praktikabler Weg zu mehr Widerstandsfähigkeit und Zukunftssicherheit, auch und gerade für mittelständische Unternehmen.

Stephan

Schweizer

CEO

Nevis Security GmbH

Stephan Schweizer verantwortet als Chief Executive Officer der Nevis Security AG, einem Spin-off der AdNovum Informatik AG, den strategischen Geschäftsaufbau der Nevis Security Suite auf dem internationalen Markt.
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