Planung wandelt sich zur Hypothese, Sicherheit zu Wunschdenken – in den letzten Jahren haben sich die Koordinaten verschoben. Führungskräfte versuchen, inmitten dieser Situation Stabilität zu simulieren, währenddessen haben ihre Mitarbeitenden längst ein anderes Bedürfnis entwickelt.
Sie wünschen sich Orientierung im Ungewissen. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten sehnt sich daher nach Hoffnung von ihren Führungskräften, ein gutes Drittel hat zudem Vertrauen als zweites zentrales Bedürfnis: also Hope und Trust. „Das sind keine Soft Skills, sondern harte Signale. Wer heute führt, muss nicht nur operative Fragen beantworten, sondern auch Antworten auf emotionale Unsicherheit geben“, erklärt Ben Schulz, Unternehmensberater und Führungsexperte. „Es entstehen zwei Pole, indem der Markt Tempo forciert, die Menschen aber Halt fordern. Aus dieser Spannung ging in ‚Hope & Trust Leadership‘ eine neue Führungsdimension hervor.“ Was zunächst sanft klingt, kristallisiert sich als radikal heraus. „Es geht um nichts weniger als einen Perspektivwechsel, weg von Führung als Steuerung, hin zu Führung als Resonanz“, fügt er an.
Wichtiger Hebel
Was genau macht diese neue Dimension der Führung aus? Hope Leadership bedeutet, Handlungsfähigkeit dort herzustellen, wo Angst lähmt. Trust Leadership dagegen schafft Nähe, wo Distanz entstanden ist. „Beides zusammen verkörpert das Fundament, auf dem Unternehmen in einer Dauerkrise überleben – und wachsen können. Die Rolle von Hoffnung in diesem Zusammenhang ist weder positives Denken noch Motivationstraining. Sie meint, Menschen zu befähigen, Zukunft zu gestalten, obwohl sie unsicher ist“, so der Experte. In Zahlen spiegelt sich dies wider: Entsprechende Unternehmen mit hoher Vertrauenskultur erreichen bis zu 74 Prozent weniger Stress, 29 Prozent mehr Lebensfreude und 50 Prozent höhere Produktivität bei den Mitarbeitenden. „Dazu korreliert Hoffnung direkt mit Engagement, stärker als beispielsweise Bezahlung oder Arbeitszeitmodelle. Damit stellt Hope & Trust Leadership einen echten Wirtschaftsfaktor dar“, stellt Schulz heraus. Für Unternehmen ist das dementsprechend ein bedeutendes Thema – doch viele Mittelständler tun sich nach wie vor schwer, darüber zu sprechen.
Was tun?
In Unternehmen herrscht oftmals noch der Glaube, dass es sich bei Konzepten wie Hope & Trust vor allem um sogenanntes Feel-Good-Management handelt. Im Gegensatz dazu geht es aber vielmehr um Wirksamkeit und die Fähigkeit, Menschen in Bewegung zu halten, wenn äußere Sicherheit nicht gegeben ist. Hier liegt eine große Chance. „Gerade im industriellen Mittelstand – in Stadtwerken, im Maschinenbau, in der Energiebranche – bleibt Vertrauen oft das einzige Kapital, das Krisen übersteht. Und Hoffnung ist der Treibstoff, der Veränderung überhaupt erst ermöglicht“, zeigt Schulz auf. Führungskräften gelingt es mit drei Prinzipien, ihren Mitarbeitenden dies zu vermitteln. „Sie erzählen von der Zukunft, aber beschönigen sie nicht. Eher machen sie sichtbar, wofür es sich lohnt. Außerdem teilen sie Verantwortung und investieren so in Vertrauen. Darüber hinaus lassen sie Nähe zu, frei nach dem Motto ‚Menschen folgen Menschen‘“, so Schulz. Demnach ist Führung heute kein Machtinstrument mehr, sondern ein Beziehungssystem