E-Commerce: viel Lärm um Open Source Software

Stefan HollmannAnalyse von Stefan Hollmann, Practice Director Intershop Communications AG.

Über Open versus Closed Software im E-Commerce diskutieren Anwender und Experten derzeit vermehrt und kontrovers. Nicht zuletzt aufgrund knapperer finanzieller Mittel erwägen einige Unternehmen die quelloffene Variante, stützen sich dabei aber häufig auf zu kurz greifende Argumente pro Open Source.

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Geschenkt gibt’s nix

Software ohne Lizenzkosten zu nutzen, scheint auf den ersten Blick sehr attraktiv, gerade für kleinere Unternehmen. Jedoch bleibt ein Open-Source-Softwareprojekt in der Regel nicht lange kostenlos, zumal wenn die IT-Erfahrung in diesem Bereich fehlt. Dann sind für Wartung, Anpassung und Weiterentwicklung externe Dienstleister zu zahlen. Entscheidend ist daher, dass die Kosten-Nutzen-Rechnung langfristig stimmt, wobei auch Posten wie Hardware oder Hosting zu berücksichtigen sind. So resümiert auch Forrester in seiner Aufdeckung von Mythen rund um Open Source E-Commerce, dass man nichts geschenkt bekomme.

Die gängige Annahme, Lizenzmodelle seien mit hohen Kosten verbunden, greift ebenfalls zu kurz. Es kann nämlich für die Buchhaltung durchaus vorteilhaft sein, Investitionen über mehrere Jahre abzuschreiben. Weiterhin sind die Kosten im Voraus besser kalkulierbar, wenn Software und Support aus der Hand eines Komplettdienstleisters stammen. Außerdem gibt es vielfältige Abrechnungsmodelle, die z.B. ohne Vorabinvestitionen auskommen.

Frei und ungebunden: gilt für Händler und Community

Ein Argument, das häufig pro Open Source verwendet wird, ist die geringe Abhängigkeit. Der Shopbetreiber ist nicht an einen Anbieter gebunden. Jedoch besteht auch umgekehrt keine Bindung der Community an einen „Kunden“. Die Lösung kann sich daher auch in Richtungen weiterentwicklen, die für den Händler ungünstig sind. Anbieter von Closed-Source-Standardsoftware dagegen sind – im Rahmen eines Support-Vertrags – an ihre Kunden gebunden, daher fließt in die Weiterentwicklung auch langfristig deren Feedback ein.

Abhängigkeit entsteht auch bei Open-Source-Projekten mit hohem individuellen Anpassungsbedarf, wenn die Basisversion die Anforderungen des Unternehmens nur unzureichend erfüllt. In diesen Fällen kommt der Händler nur schwer ohne einen Implementierungspartner oder eigenen Entwickler aus. Daher hat sich Open Source bislang auch eher für standardisierte Bereiche wie Betriebssysteme oder technische Infrastrukturkomponenten durchgesetzt. Denn sie müssen nicht passgenau zugeschnitten werden.

Balance von Geben und Nehmen

Individuelle Anpassungen zur Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb sind bei Open Source zwar möglich, müssen jedoch immer wieder neu erbracht werden. Stellt doch kein „geschäftstüchtiger“ Online-Händler seine Innovationen der Community zur Verfügung. Daher funktioniert hier der Kreislauf von Geben und Nehmen in der Online-Gemeinde nur bedingt. Closed Source dagegen schützt die Investitionen und Erfahrungen nicht nur des Herstellers. Individuelle Entwicklungen eines Softwareanbieters kann sich ein Kunde vertraglich schützen lassen, so dass ein speziell auf seine Anforderungen entwickeltes Feature nicht für seine direkte Konkurrenz verfügbar ist. Damit hat der Kunde die Sicherheit des Kundendienstes (Support) und der Individualität seines Angebotes.

Mehrwerte durch Innovationen

Anbietern von Standardsoftware wird häufig Trägheit vorgeworfen. Zwar sind deren Innovationszyklen in der Regel länger, dafür sind diese aber auch langfristig ausgerichtet. Denn bei ihnen forscht eine ganze Abteilung, daneben beobachtet ein Team den Markt, weitere Experten bringen Erfahrungen aus Kundenprojekten ein. Sie haben eine finanzielle Grundlage für ihre Arbeit, können im Verborgenen entwickeln und ausgereifte Innovationen herausbringen. Nicht alles jedoch muss über einen Softwareanbieter selbst entwickelt werden. Über vertraglich fixierte Partnerschaften kann zusätzliches Spezialwissen eingebunden werden. Beispielsweise bieten einige Closed-Source-Anbieter ihren Kunden diese Möglichkeit an, umfassende Social-Commerce-Funktionen zu nutzen, mit denen diese ihre Shopbesucher enger an sich binden.

Wer sich als Anwender nicht vorschnell auf ein Entwicklungs- oder Lizenzmodell festlegt, sondern anhand seiner Anforderungen entscheidet, über welche E-Commerce-Lösung er preislich am besten fährt, sich vom Wettbewerb differenziert und langfristig den höchsten Nutzen erzielt, kann das Kriegsgeheul getrost ignorieren.

Analyse von Stefan Hollmann, Practice Director Intershop Communications AG

 

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