KI-Agenten auf Shoppingtour

Agentic Commerce: So verändert KI die Machtverhältnisse im E-Commerce

Agentic-Commerce

Die klassische Customer Journey ist vertraut: Suche, Website, Produktseite, Warenkorb, Checkout. Dieses Modell hat sich über Jahre eingeprägt – in Köpfen, Prozessen und IT-Landschaften. Genau hier beginnt der Bruch. Immer mehr Interaktionen wandern in Konversationen.

Nutzer fragen einen KI-Assistenten, statt sich durch Suchergebnisse zu klicken oder eine URL einzutippen. Sie formulieren Probleme, nicht Produktnamen. Etwa: „Finde ein Smartphone mit guter Kamera, langfristigen Updates und einem Budgetlimit von X.“ Und künftig: „Buche mir den günstigsten Sommerurlaub, der zu meinen Nachhaltigkeitspräferenzen passt.“

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Vom Klickpfad zum Gespräch: Wenn der Kunde zum Agenten wird

Was bedeutet das? Beim Agentic-Commerce fällt die Kaufentscheidung nicht mehr am Ende eines starren Klickpfads, sondern direkt im Dialog zwischen Kunde und KI-Agenten. Der eigentliche Checkout ist nicht mehr der zentrale Prozess, sondern erfolgt fast beiläufig als logische Konsequenz einer überzeugenden, individuellen Beratung durch den digitalen Assistenten. Die sichtbare Benutzeroberfläche – also die gewohnte Darstellung von Webseiten, Produktseiten, Warenkorb und Checkout – ändert sich und spielt erst im weiteren Verlauf der Customer Journey eine größere Rolle. 

Die erste Interaktion findet zwischen Inhalten, Kontext und Vertrauenssignalen statt.

Der entscheidende Rollenwechsel besteht darin, dass digitale Agenten schrittweise Aufgaben übernehmen, die bisher bei den Kunden selbst lagen. Sie stellen komplexe, mehrstufige Anfragen, vergleichen Angebote über Anbieter- und Plattformgrenzen hinweg, berücksichtigen Budget, Präferenzen, Risikoappetit und weitere Vorgaben – und sprechen am Ende eine Empfehlung aus oder stoßen direkt eine Transaktion an. Wer für KI-Agenten nicht sichtbar ist, läuft also Gefahr, bei künftigen Kaufentscheidungen erst gar nicht berücksichtigt zu werden.

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Unternehmen haben es damit nicht mehr nur mit menschlichen Kunden zu tun, sondern mit deren KI-Agenten. Die Zielgruppe wird dual. Inhalte müssen emotional und verständlich genug sein, um Menschen zu überzeugen, zugleich aber so präzise, strukturiert und maschinenlesbar, dass Algorithmen sie sicher interpretieren können. Wer in einer dieser beiden Welten schwach ist, verliert Reichweite und Umsatz: Entweder fühlen sich Nutzer nicht abgeholt, oder Agenten verstehen das Angebot nicht und weichen auf Wettbewerber aus.

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KI-Agenten verstehen komplexe Kundenwünsche und filtern aus einer Vielzahl von Angeboten gezielt passende Produkte heraus. Individuelle Anforderungen wie Preis, Ausstattung und Lieferzeit werden dabei direkt im Dialog berücksichtigt. (Bild: CoreMedia)

Neue Interfaces: Chat, Voice, KI-Browser

Conversational Interfaces sind längst kein Experiment mehr. Generative KI verstärkt diesen Trend aber noch einmal deutlich. Chatbots und Assistenten werden semantisch und verstehen Absichten statt einzelner Stichworte. Voice-Interfaces wandern in Fahrzeuge, Smart Speaker und Apps, sodass Commerce jetzt auch „nebenbei“ im Kontext anderer Tätigkeiten passieren kann. Parallel etablieren sich KI-Browser, die über viele persönliche historische Daten verfügen, Suchergebnisse zusammenfassen, interpretieren und direkt mit konkreten Kaufoptionen anreichern.

Der klassische Webshop verliert damit seine Alleinstellung als Transaktionsplattform. Er bleibt aber wichtig, etwa als Lieferant sauber strukturierter Inhalte und als Fundament der Customer Experience, das dem Kunden weitere Infos, menschlichen Support oder eine gewohnte Brand Experience bietet. Die eigentliche Interaktion verlagert sich in KI-Umgebungen, die eigene Regeln, Rankinglogiken und Sicherheitsanforderungen mitbringen.

Auch wenn autonome KI-Agenten, die selbstständig Einkäufe tätigen, noch am Anfang ihrer Entwicklung stehen, ist davon auszugehen, dass schon bald ein ähnlicher Gewöhnungseffekt gepaart mit wachsendem Vertrauen eintreten wird, wie es zu Beginn des Online-Shoppings zu beobachten war: Mit jeder erfolgreichen Anwendung steigt das Vertrauen der Nutzer in die Technologie, bis hin zu einer breiten Akzeptanz, sobald Vorteile und Sicherheit der Technologie etabliert sind.

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Von SEO zu GEO: Sichtbarkeit in generativen Systemen

Über Jahre drehte sich alles um SEO: Rankings in Suchmaschinen, Keywords, Backlinks. Diese Disziplin bleibt relevant, bekommt aber mit GEO, der „Generative Engine Optimization“, eine mächtige Ergänzung. Während SEO vor allem den Google-Suchalgorithmus im Blick hat, richtet sich GEO an generative Modelle und Agenten, die auf Basis von Inhalten Antworten konstruieren.

Entscheidend ist dabei, ob ein Large Language Model die Informationen eines Unternehmens eindeutig interpretieren und korrekt wiedergeben kann. Dafür braucht es konsistente, sauber strukturierte Angaben zu Preisen, Produktfeatures, Konditionen, Verfügbarkeiten und Servicelevels. Produkte müssen so beschrieben sein, dass sie in semantischen Anfragen, etwa nach nachhaltigen Anbietern mit bestimmter Zertifizierung und Lieferzeit, eindeutig zugeordnet werden können.Neben der technischen Optimierung spielt auch Vertrauen eine zentrale Rolle für die Sichtbarkeit und Empfehlungswürdigkeit einer Marke in generativen Systemen: Ist die Brand eine anerkannte Autorität in ihrem Bereich, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass generative Agenten ihre Inhalte bevorzugt ausspielen und empfehlen. 

Ein besonderes Gewicht legen Large Language Models auf die Konsistenz aller Informationen zu einem Produkt oder einem Unternehmen. Wer unklare oder gar widersprüchliche Aussagen auf den eigenen Websites publiziert, schadet seiner Autorität als glaubwürdige Quelle. 

Auch Reviews, Kundenbewertungen und unabhängige Tests sind wichtige Vertrauenssignale – sowohl für Menschen als auch für KI-Agenten. Sie helfen, die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit eines Angebots zu untermauern und werden von generativen Systemen als positives Signal gewertet. Statt nur Seiten für Suchrankings zu optimieren, muss Produkt-Content als Wissensbasis modelliert werden: mit konsistenten Taxonomien, Ontologien, Metadaten und einem Content-Backend, das als Single-Source-of-Truth für eine immer weiter wachsende Anzahl an Kanäle fungiert. GEO bedeutet in der Praxis, Inhalte agentenfähig zu machen.

Content-Governance als Burggraben im Agenten-Zeitalter

Agenten sind nur so gut wie die Daten, die sie konsumieren. In der Agentic-Commerce-Welt wird Content-Governance damit zum strategischen Wettbewerbsvorteil. Wer Content-Chaos wie widersprüchliche Produktdaten, uneinheitliche Preise oder veraltete FAQs toleriert, riskiert nicht nur verärgerte Kunden, sondern auch fehlerhafte Entscheidungen auf Agentenseite. Das Spektrum reicht von falschen Empfehlungen bis zu handfesten Compliance-Risiken.

Ein omnichannel CMS als Teil einer agilen Digital-Experience-Plattform übernimmt hier die Rolle des Kontrollzentrums. Versionierung und Freigabeprozesse sorgen dafür, dass nur geprüfte Inhalte nach außen gelangen. Rechte- und Rollenmodelle verhindern, dass unterschiedliche Teams unkoordiniert in KI-Ökosysteme hinein publizieren. Klare Lokalisierungsprozesse stellen sicher, dass Inhalte über alle regionalen Kanäle hinweg konsistent sind. Qualitätsmetriken und regelbasierte Checks stellen sicher, dass „falsche Fakten“ frühzeitig auffallen und nicht in externe Systeme exportiert werden. Auch KI-generierte Inhalte sollten immer von Menschen final freigegeben werden, um Halluzinationen oder Fehlinformationen zu vermeiden. Ergänzend kommen Standards zur Content-Provenance hinzu, die Herkunft und Änderungen nachvollziehbar machen. Auf diese Weise entsteht ein Content-Fundament, das für Menschen nachvollziehbar und für Maschinen verlässlich ist – die Grundvoraussetzung für Agentic Commerce.

Struktur statt Seiten: Content als API für KI-Agenten

Agentic Commerce verlangt von uns eine Abkehr vom seitenzentrierten Denken. Für KI-Agenten sind HTML-Seiten eine schlechte Datenquelle. Sie benötigen modulare, klar referenzierbare Bausteine: Produktentitäten mit Eigenschaften, Varianten und Beziehungen, explizit modellierte Vertrags- und Tariflogiken, maschinenlesbare Konditionen, SLAs und Einschränkungen sowie strukturierte Metadaten zu Referenzen, Bewertungen und Zertifizierungen.

Headless- und Composable-CMS-Architekturen liefern hier den passenden Unterbau. Content wird losgelöst vom Frontend aufbereitet und lässt sich von dort aus in Chatbots, Apps, Voice-Interfaces, Marktplätze und eben auch in KI-Agenten integrieren. In diesem Modell wird Content zur Infrastruktur: ein Betriebssystem für KI-basierte Interaktionen, das weit über klassische Marketingkampagnen hinausreicht und Commerce, Service und Beratung gleichermaßen bedient.

Vertrauen wird algorithmisch – und bleibt menschlich

So technisch Agentic Commerce sich auch anhört, am Ende geht es weiterhin um Vertrauen. Der Unterschied: Vertrauen wird parallel auf zwei Ebenen verhandelt. Menschen erwarten transparente Angebote, nachvollziehbare Entscheidungen und Kontrolle über ihre Daten. Agenten wiederum gewichten verifizierte Quellen, prüfen Konsistenz und nutzen Sicherheits- und Herkunftssignale als Rankingfaktoren.

Marken müssen also beides liefern: eine klare, konsistente Story für die menschliche Wahrnehmung und robuste, maschinenlesbare Vertrauenssignale im Datenlayer. Wer in die lückenlose Nachverfolgbarkeit und Dokumentation seiner digitalen Inhalte investiert, verschafft sich einen spürbaren Vorsprung. Denn KI-Agenten werden bevorzugt Anbieter empfehlen, deren Inhalte zuverlässig, vollständig und regelkonform erscheinen.

Fazit: Agentic Commerce als Weckruf für Content-Strategien

Agentic Commerce ist nicht länger ein Modewort für die nächste Folienpräsentation, sondern ein Weckruf für Content-, Commerce- und CX-Strategien. Unternehmen, die weiter primär in Landingpages und Kampagnen denken, überlassen generativen Systemen die Deutungshoheit über ihr Angebot – mit allen Risiken von Missverständnissen, Fehlern und Unsichtbarkeit.

Wer seine Inhalte hingegen als strukturierte Wissensbasis versteht, schafft die Voraussetzung dafür, dass KI-Agenten seine Produkte korrekt einordnen, vergleichen und empfehlen können – bis hin zum Instant Checkout direkt im Dialog. Viele Bausteine sind bereits vorhanden: Daten, Content, CMS. Der nächste Schritt besteht darin, sie agentenfähig zu machen. 

Sören

Stamer

CEO

CoreMedia

Sören Stamer hat über 20 Jahre Erfahrung als CEO in der Softwarebranche. Er hat CoreMedia zusammen mit seinen Uni-Professoren gegründet und das Unternehmen durch die Startup-Phase, das Wachstum und die globale Expansion geführt.
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