Vom Wissen zum Handeln

Souveräne KI: Alles eine Frage der Architektur

Der Chatbot in der Personalabteilung beantwortet Fragen zur Gehaltsabrechnung. Der Sales Agent spricht automatisch Kundengruppen mit hoher Kündigungswahrscheinlichkeit an.  

Das Zusammenfassen von Schadensberichten erleichtert die Arbeit in der Sachbearbeitung. So sieht es aus, wenn GenAI-Anwendungen ihre Stärken in Unternehmen und Behörden ausspielen. Schnellere Abläufe, weniger Handarbeit, mehr Skalierung.   

Anzeige

Wer möchte sich angesichts all dieser Einsatzmöglichkeiten und Potenziale der Technologie länger mit Themen wie einer eingehenden Anbieteranalyse oder Souveränitätsbewertung aufhalten? Offensichtlich zu wenige Unternehmensverantwortliche. Das ist eine Erkenntnis aus dem „Index Digitale Souveränität“, den adesso und das Handelsblatt Research Institute jüngst veröffentlichten.

Zum Hintergrund: Der Index analysiert die Souveränität in sechs zentralen digitalen Dimensionen: Hardware, Software, Cybersicherheit, Datenmanagement, Cloud Computing und KI. Während Aspekte wie Cybersicherheit (88 Prozent) und Datenmanagement (85 Prozent) von Verantwortlichen als Souveränitätsthemen erkannt wurden, achten nur 64 Prozent bei KI-Initiativen auf die nötige Selbstbestimmung. Das ist der unrühmliche letzte Platz.

Dieser blinde Fleck beim Thema Digitale Souveränität bedeutet ein strategisches Risiko für KI-Initiativen. Er kann Unternehmen geradewegs in Kontrollverlust und Lock-in-Effekte führen. Mangelnde Souveränität stellt eine Hürde auf dem Weg zum erfolgreichen Einsatz von KI-Anwendungen dar. Eine Hürde, die Entscheiderinnen und Entscheider jedoch mit der richtigen Planung zu Beginn von KI-Initiativen überwinden können.

Anzeige

Die Architektur der Souveränität

Digitale Souveränität ist die Fähigkeit von Staaten, Verwaltungen, Organisationen und Unternehmen, mit den eingesetzten digitalen Technologien und ihren Daten selbstbestimmt agieren zu können.

Dazu gehört 

  • Kontrolle und Selbstbestimmung: Akteure müssen jederzeit die Kontrolle über die Art und Weise ihres Handelns sowie den Grad der Abhängigkeit von Anbietern und Partnern besitzen.
  • Balance statt Isolation: Digitale Souveränität bedeutet ausdrücklich nicht Autarkie. Es geht nicht um eine strikte Abschottung. Stattdessen wird sie als eine optimale Balance zwischen Unabhängigkeit und Wirtschaftlichkeit definiert.
  • Wahlfreiheit: Verantwortliche können frei die Angebote und Technologien auswählen, die zum angestrebten Grad der Souveränität passen. Ein Wechsel zu anderen Anbietern und Plattformen ist mit vertretbarem Aufwand möglich.

Digitale Souveränität lässt sich also nicht auf die Wahl eines Anbieters oder die Floskel „USA vs. EU“ reduzieren. Sie ist das Ergebnis einer smarten Architekturentscheidung. Hin zu einer Architektur, die es erlaubt, den Grad der Abhängigkeit bei Daten und Modellen selbst zu definieren und zu steuern.

Und was heißt das im KI-Kontext?   

Der GenAI-Stack: Drei Ebenen der Souveränität

Der Proof of Concept (PoC) für KI-Lösungen ist oft trügerisch einfach. Die Auswahl eines Large Language Models (LLM) oder das Prompt Engineering sind schnell gemeistert. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Unter der Oberfläche, im Produktivsystem, lauern die wahren Hindernisse: Skalierbarkeit, Sicherheitsrisiken, regulatorische Anforderungen und der massive Wartungsaufwand (LLMOps) sind nur einige davon. Hinzu kommen die oft komplexe Integration in Kernsysteme, die Schulung von Mitarbeitenden und das Aufsetzen eines passenden Change-Managements.

2025 11 adessoSE Fachartikel ITdaily Grafik1

Wer alle Schwierigkeiten meistern will, muss den gesamten Technologie-Stack betrachten. Erst die Analyse aller drei Ebenen erlaubt eine seriöse Antwort auf die Souveränitätsfrage.

  1. Fundament: Hardware und Infrastruktur
    Die Basis bildet die Rechenleistung. Leistungsfähige GPUs sind für komplexe KI-Applikationen unerlässlich. Wichtig ist hier die strategische Entscheidung zur Betriebsumgebung: On-Prem, Private oder Public Cloud. Diese Entscheidung beeinflusst Kosten, Skalierbarkeit und den Grad der Souveränität der KI-Anwendung. 
  2. Gehirn: Foundational Models
    Auf der Infrastruktur laufen die Modelle. Die Auswahl ist entscheidend. Unternehmen benötigen leistungsfähige LLMs, aber auch spezialisierte multimodale oder kleinere Small Language Models (SMLs). Die Modellauswahl bestimmt die Präzision und die Betriebskosten der Anwendung. Sie beeinflusst die Digitale Souveränität der Lösung.  
  3. Steuerung: Software
    Die Software-Ebene verbindet die Modelle mit den Geschäftsprozessen. Tools steuern die Orchestrierung, Sicherheit, Evaluierung oder das Datenmanagement. Erst diese Schicht macht die KI-Lösung funktional, robust und sicher.

2025 11 adessoSE Fachartikel ITdaily Grafik2

Nur wenn alle drei Ebenen strategisch zusammenspielen und gemeinsam betrachtet werden, kann Technologie zu einer produktiven und souveränen Business-Lösung werden.

Die gute Nachricht: Das Ökosystem rund um den GenAI-Stack ist riesig. Für jede Komponente gibt es heute die Wahl zwischen Hyperscaler-Tools, Closed-Source-Spezialisten und leistungsfähigen Open-Source-Alternativen sowie zwischen On-Prem- und Cloud-Angeboten.

Die Aufgabe der Verantwortlichen besteht nun darin, exakt den Grad der Souveränität zu bestimmen, der für eine konkrete KI-Anwendung angemessen ist. So stellt etwa eine Marketinglösung, die Empfehlungen aus dem Klickverhalten generiert, fundamental andere Anforderungen an die Souveränität als ein digitaler F&E-Assistent, der die Materialeigenschaften neuer Werkstoffe vorhersagt. Für das erste Szenario ist vielleicht ein günstiges und einfach skalierbares Hyperscaler-Angebot inklusive eines der großen LLMs die richtige Wahl. Für die KI in der F&E lohnt sich eventuell der Betrieb einer On-Prem-Lösung, auf der eine individuell angepasste Open-Source-Anwendung läuft. 

Newsletter
Newsletter Box

Mit Klick auf den Button "Jetzt Anmelden" stimme ich der Datenschutzerklärung zu.

Vom Wissen zum Handeln: der Weg zur passenden Souveränität 

Um die Kontrolle bei der Implementierung von GenAI zu behalten und die digitale Souveränität sicherzustellen, müssen die Verantwortlichen die Aufgabe strategisch analysieren. Drei Schritte sind dafür zentral: 

  1. Review des GenAI-Stacks: Eine Bestandsaufnahme aller Komponenten und die Definition des jeweils notwendigen Souveränitätsgrades.
  2. Entwickeln eines Betriebsmodells (Target Operation Model), das speziell auf den Einsatz von KI-Lösungen abzielt, die den nötigen Souveränitätsgrad erfüllen. 
  3. Erstellen einer konkreten Roadmap, welche die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen klar definiert.

Dieses Vorgehen adressiert den „blinden Fleck” der Digitalen Souveränität. Es verwandelt risikoreiche Sorglosigkeit in eine bewusste Architekturentscheidung. Eine Entscheidung, die Souveränität und Kontrolle strategisch planbar macht.

„Wer heute bei KI nur auf Use Cases schaut und nicht auf Architektur, programmiert die Abhängigkeiten von morgen gleich mit.“

Unternehmen dürfen sich beim Thema KI weder abschotten noch die Augen verschließen. Sie müssen handeln. Das Ziel ist eine smarte Architektur, mit der sie den Abhängigkeitsgrad bei Daten und Modellen selbst definieren und steuern können.

Das ist der wahre Geschäftswert der Digitalen Souveränität: Sie ist das Fundament für den umfassenden, sicheren und gewinnbringenden Einsatz von KI-Anwendungen quer durch alle Unternehmensbereiche. 

Bonnmann

Benedikt

Bonnmann

Vorstand

adesso

Anzeige

Artikel zu diesem Thema

Weitere Artikel

Newsletter
Newsletter Box

Mit Klick auf den Button "Jetzt Anmelden" stimme ich der Datenschutzerklärung zu.