Geopolitische Risiken, Cyber-Bedrohungen, oftmals fehlende Strategien und der viel beschworene Fachkräftemangel – die öffentliche Verwaltung hierzulande sieht sich aktuell mit immensen Herausforderungen konfrontiert.
Sie alle stehen einer konsequenten Digitalisierung von Diensten und behördlichen Workflows im Wege. Die Bundesregierung hat das erkannt und als Antwort darauf das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung ins Leben gerufen. Es soll in Zusammenarbeit mit den Ländern Schwung in den Prozess bringen und entsprechende Initiativen zeitnah umsetzen. Der Schlüssel hierzu liegt in einem hohen Maß in der Zentralisierung und Automatisierung – dies wiederum setzt Transparenz, Standardisierung und natürlich den Willen voraus.
Verglichen mit anderen europäischen Ländern hinkt die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland weit hinterher. Dies hat verschiedenste Ursachen, primär fehlt es seit Jahren schlichtweg an Vorgaben, Druck und klaren Strategien hierfür. Ein weiterer Grund: die unzureichende Bereitstellung entsprechender Mittel für neue Systeme. Auch dadurch wird immer mehr Geld in veraltete Strukturen gesteckt, anstatt neue aufzubauen. Eine schlagkräftige, behördliche IT-Infrastruktur lässt sich so nur schwer aufbauen.
Hinzu kommt eine sich rasant verschärfende Bedrohungslage im Hinblick auf die Cyber-Sicherheit, die fatale Folgen insbesondere für Kritische Infrastrukturen (KRITIS) haben kann, wenn beispielsweise öffentliche Versorgungsnetze für Strom, Gas oder Wasser von Hackern angegriffen und lahmgelegt werden. Aber auch reguläre Einrichtungen und nichtkritische Infrastrukturen der öffentlichen Verwaltung sehen sich mit einer rasanten Zunahme gefährlicher Cyber-Attacken konfrontiert. Europa und insbesondere Deutschland müssen nachlegen, was die Selbstständigkeit und Widerstandsfähigkeit der IT-Infrastruktur betreffen.
Fachkräftemangel bremst Digitalisierung
Neben der prekären IT-Sicherheitslage bremst vor allem auch der anhaltende Fachkräftemangel längst überfällige Digitalisierungsinitiativen in der öffentlichen Verwaltung. So führt beispielsweise die anstehende Pensionierung der Baby-Boomer-Generation zu einer beträchtlichen Lücke im Hinblick auf erfahrenes IT-Personal. Zudem fehlen qualifizierte Nachwuchskräfte für Digitalprojekte in der Verwaltung. Diese angespannte Situation belegen auch die Ergebnisse der Studie „Fachkräftemangel im öffentlichen Sektor“ der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC Deutschland): Demnach fehlen dem öffentlichen Sektor im Jahr 2030 erstmals mehr als eine Million Fachkräfte.
Hinzu kommt: Die IT-Infrastrukturen insbesondere der Bundesbehörden gewinnen zunehmend an Komplexität. Aufgrund des Personalnotstands ist es jedoch eine Herausforderung, den Überblick zu behalten und alles sauber zu dokumentieren. So herrscht oft keine Transparenz über den aktuellen Status an Lizenzen und Wartungsverträgen. Darüber hinaus verfügen viele Behörden über schwer integrierbare Legacy-Systeme, was die Komplexität zusätzlich erhöht. Um jedoch Investitionen in neue Technologien und Lösungen verlässlich zu schützen, bedarf es einer lückenlosen und aussagefähigen Dokumentation. Die Industrie strebt daher bereits seit mehreren Jahren nach dem Ideal und Ziel des digitalen Zwillings.
Zentralisierung, Automatisierung und Berichtswesen optimieren
Um alle diese Herausforderungen in den Griff zu bekommen, sollten Bundesbehörden vor allem drei Kernthemen fokussieren: Zentralisierung, Automatisierung und Berichtswesen. So ist es zunächst wichtig, Systeme innerhalb der einzelnen Behörden zu vereinheitlichen, zu standardisieren und zu zentralisieren. Hierbei rücken zentrale, strategische IT-Dienstleister wie etwa Dataport oder ITZBund immer mehr in den Mittelpunkt. Dies schafft auch neue Möglichkeiten für eine behördenübergreifende Zusammenarbeit. Die Verantwortlichen profitieren dadurch von Kosteneinsparungen, mehr Sicherheit, Effizienzsteigerungen, einer höheren Skalierbarkeit sowie einem Plus an Compliance und Datenschutz. Hierzu ist jedoch ein grundlegender Wandel erforderlich und die Effizienz der IT-Dienstleister des Bundes muss deutlich gesteigert werden – sonst drohen weitere Kritik von Kundenseite sowie erneute Rügen des Bundesrechnungshofs.
Neben der Zentralisierung ist auch ein höherer Automatisierungsgrad unabdingbar. Denn aufgrund des Fachkräftemangels und gleichzeitig reduzierter Budgets für die Beauftragung externer Dienstleister müssen manuelle Tätigkeiten auf ein Minimum reduziert werden. Erforderlich hierfür sind Schnittstellen zum Datenaustausch zwischen verschiedensten Systemen, um eine qualitativ hochwertige und ganzheitliche Dokumentation der IT-Umgebung zu ermöglichen.
Und nicht zuletzt sollten Bundesbehörden ihr Berichtswesen auf den neuesten Stand bringen, um einen ganzheitlichen Überblick über den Ist-Zustand der Systeme zu erhalten. So benötigen Verantwortliche zum Beispiel Klarheit darüber,
• welche Lizenzen und Wartungsverträge mit welchen Laufzeiten aktuell vorhanden sind,
• welche Systeme sich in welchem Lifecycle befinden und wann Upgrades oder Austausch-Maßnahmen erforderlich sind,
• wo welche Applikationen betrieben werden, welche neu erkannte Sicherheitslücken beinhalten,
• welche Kapazitäten aktuell genutzt und verfügbar sind und wann mit einem Engpass zu rechnen ist,
• wie die aktuelle Situation und Entwicklung bezüglich Nachhaltigkeit und CO2-Fußabdruck zu bewerten ist und welche Optimierungsmaßnahmen
sich daraus ableiten lassen.
Digitale Souveränität für Bundesbehörden
Behörden dürfen in dem Zuge die Notwendigkeit für souveräne und widerstandsfähige Dienste nicht aus den Augen verlieren. Dabei müssen sie das Rad nicht neu erfinden. Viele Experten setzen auf Open Source als Allheilmittel. Quellcode manuell an eigene Bedingungen anzupassen und über Jahre hinweg zu verwalten, erfordert jedoch ein spezifisches Experten-Know-how. In den meisten Fällen ist eine Betreuung durch externe Dienstleister zusätzlich notwendig. Für Behörden ist dieses Vorgehen auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten und bedeutet erneut Abhängigkeit von spezifischen Wissensträgern.
Vielmehr sollte sich auf die “best-of-breed”-Lösungen konzentriert werden, die in der EU und besonders in Deutschland bereits zur Verfügung stehen und erwiesen wirksam sind. Auf dieser Basis lässt sich eine Digitalisierungsstrategie entwickeln, die dann nach und nach mit Open-Source-Lösungen ergänzt wird, wo deren Einsatz sinnvoll ist. Letztendlich ist tiefgehende Expertise und ein ganzheitliches Lösungskonzept, mit dem sich die Themen Zentralisierung, Automatisierung und Berichtswesen präzise adressieren lassen, unerlässlich. Bundesbehörden profitieren von einer vollumfänglichen Dokumentation aller Informationen und Abhängigkeiten. Dies sorgt für eine zentrale und konsistente Datenbasis, um entsprechende Optimierungspotenziale zu erkennen und Digitalisierungsinitiativen erfolgreich auf den Weg zu bringen.
Autor: Andreas Thieme, FNT Software GmbH