Wer zum Spielen viel Zeit an der Konsole oder am Computer verbringt, ist häufig Anfeindungen und Beleidigungen ausgesetzt.
Wie eine Befragung der Bertelsmann Stiftung unter 1203 Gamern ergab, wurden 38 Prozent von ihnen beim Gaming «sehr oder eher häufig» beleidigt. Ein Drittel dieser sogenannten Gaming-Enthusiasten sagte, das sei eher selten oder sehr selten der Fall gewesen, der Rest hat das bislang nicht erlebt. Es ging um Menschen, die sich als Gamer sehen und mehrfach pro Woche spielen. Nimmt man Gelegenheitsspieler und andere Gamer hinzu – also insgesamt 4527 Befragte -, so wurden 14 Prozent von ihnen sehr oder eher häufig beleidigt.
Ein großer Teil der Betroffenen sieht sich beim Gaming Mobbing ausgesetzt. Zu den Drohungen gehören körperliche Gewalt und Vergewaltigung. Einige Spielerinnen gaben sich bei Multiplayer-Games zudem als Mann aus, um nicht diskriminiert zu werden. Antisemitische Ansichten sind recht stark ausgeprägt: 43 Prozent der Gaming-Enthusiasten stimmten der Äußerung zu, dass Juden in der Welt zu viel Einfluss hätten. Bei allen Spielenden, die befragt worden waren, lag dieser Wert mit 26 Prozent niedriger. Auch Queerfeindlichkeit und Antifeminismus waren unter den intensiven Gamern relativ weit verbreitet.
Computerspieler sind Spiegelbild der Gesellschaft
«In Gaming-Communitys spiegeln sich viele Probleme der Gesamtgesellschaft», sagt Jessica Gerke, Jugendexpertin der Bertelsmann Stiftung. Es sei wichtig, Gaming-Communitys stärker in den Blick zu nehmen. «Denn damit steigt die Chance, betroffenen jungen Menschen zu helfen und antidemokratischen Tendenzen zu begegnen.» Bildungseinrichtungen, Pädagoginnen und Pädagogen, Jugendhilfe und Familien seien gefragt, Schutzräume zu schaffen und die Gegenrede zu stärken.
Die Online-Befragung stammt aus dem März, teilgenommen haben 6.435 Internetnutzer im Alter von 16 bis 89 Jahren. Etwa zwei Drittel von ihnen gaben an, Games zu spielen. Die Spielenden wurden auch nach ihren politischen Präferenzen gefragt. Bei den Antworten gab es allerdings keine wesentlichen Abweichungen von Wahlumfragen in der ganzen Bevölkerung.
Viele Gamer sind einsam
Eine weitere Erkenntnis der Studie ist, dass Einsamkeit unter Gamern durchaus ausgeprägt ist. Während 43 Prozent aller Befragten – also inklusive der Nicht-Gamer – moderat oder stark vereinsamt sind, liegt dieser Wert unter Gamer-Enthusiasten bei 58 Prozent. Das Klischee, dass Gamer vor allem jung und männlich sind, wird zumindest teilweise bestätigt. Der Umfrage zufolge sind drei Viertel von denen, die sich als Gamer verstehen und mehrfach pro Woche spielen, Männer und 55 Prozent von ihnen sind 16 bis 34 Jahre alt.
Auffällig ist zudem, dass Gamer-Enthusiasten überdurchschnittlich häufig an politischen Debatten teilnehmen oder politisches Interesse zeigen, etwa mit der Teilnahme an Unterschriftenaktionen oder politischen Kommentaren in Social-Media-Kanälen. In den zwölf Monaten zuvor nahmen der Umfrage zufolge 27 Prozent der Gamer-Enthusiasten an einer Demonstration teil, in der Gesamtbevölkerung lag der Schnitt nur bei 14 Prozent.
«Gaming-Communitys sind alles andere als unpolitisch», sagt der Bertelsmann-Experte Joachim Rother. «Für viele junge Menschen sind sie wichtige Kanäle der politischen Meinungsbildung und helfen beim Erlernen demokratischer Spielregeln.» Bislang würden solche Communitys aber oft übersehen oder zu wenig ernst genommen. «Es ist an der Zeit, das demokratische Potenzial der Gaming-Communitys zu nutzen.»
In Köln findet von Mittwoch bis Sonntag die Gamescom statt, die weltgrößte Messe für Video- und Computerspiele. Es werden wieder Hunderttausende Gamingfans erwartet. Für Dienstagabend stand bereits eine Eröffnungsshow auf dem Programm, die Tore für Messebesucher öffnen sich am Mittwochmorgen.
dpa