Kurioser Streit um Gartner-Quadrant zu Backup & Recovery

Laut der aktuellen Gartner-Analyse hat sich seit 2017 im Markt für Backup und Recovery wenig geändert: Im Magic Quadrant 2019 sind Commvault, Veritas, Veeam, Dell EMC und IBM führend. Einige Hersteller sehen das allerdings ganz anders. Vor allem Rubrik hat einen öffentlichen Streit angezettelt…

Gartner Magic Quadrant für Data Center Backup and Recovery 2019Gartner Magic Quadrant für Data Center Backup and Recovery 2019Die Neuigkeit des »Magic Quadrant for Data Center Backup and Recovery Solutions« 2019 ist, dass es keine Neuigkeit gibt, zumindest was die Einordnung in Kategorien wie Marktführer, Nischenanbieter oder Visionäre betrifft. Die Gartner-Analysten sehen den Markt in etwa wie vor zwei Jahren. Vor allem Rubrik wehrt sich öffentlich gegen diesen Befund und auch Arcserve ist nicht zufrieden.

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Der Magic-Quadrant für Backup- und Recovery-Lösungen für Rechenzentren konstatiert durchaus einen Wandel, nämlich hin zu einfacheren, agileren und kostenoptimierten Lösungen. Bis zum Jahr 2022 werden 40 Prozent der Unternehmen ihre Datensicherungs-Lösungen ersetzen oder aktualisieren.

Commvault ist der Top-Anbieter seit acht Jahren und Veritas seit 14 Jahren im Leader-Quadranten. Führende Unternehmen sind dazu Dell EMC, IBM und Veeam. Alle drei waren dort in der Ausgabe 2017 vertreten. Während die Kategorie Challengers unbesetzt bleibt, bilden Unitrends und Micro Focus als Neueinsteiger, Acronis und Arcserve die Nischenspieler. HPE ist durch den Verkauf von Data Protector an Micro Focus aus dem Quadranten verschwunden. Das Quadranten-Viertel für Visionäre teilen sich Cohesity, Actifio und Rubrik.

Die heilige Kuh: Der Gartner Magic-Quadrant

Gartner selbst gibt an, dass man für 2019 die Marktdefinition vereinfacht habe und sich auf Organisationen des gehobenen Mittelstands und Großunternehmens konzentriert. Kriterien sind:

  • Bereitstellung von Point-in-time-Kopien über heterogene Workloads
  • Einsatz eines Sekundärgeräts wie Tape, Disk, SSD, optischer Speicher und/oder Cloud
  • Die Möglichkeit, spezifische Daten wiederherzustellen und Systemen zur Verfügung zu stellen

Neben der Auflistung der Kriterien, beinhaltet der Report Beschreibungen des Unternehmens und ihrer Marktdurchdringung sowie eine Auflistung von Stärken und Schwächen, hauptsächlich des Produktangebots und der Marktaktivitäten. Im Report 2019 wird Arcserve als Nischenanbieter geführt, Rubrik als bester Visionär. Das gefällt aber beiden Anbietern nicht.

Gartners Begründung für eine nicht bessere Einstufung ist, dass Arcserve UDP sich nicht in Snapshot-Funktionen führender Clouds wie AWS und Microsoft Azure integrieren ließe, in Großunternehmen wenig Reputation genieße und eingeschränkte Funktionen für die Berichterstellung und Fehlerbehebung für Ransomware mitbringe. Neben positiven Aspekten wird bei Rubrik bemängelt, dass mehrere Drittlösungen (OEM-Lizenzen z.B. für Office-Anwendungen) integriert wurden, das Erfordernis von mindestens vier Knoten den Preis für KMU unwirtschaftlich mache und unterschiedliche internationale Präsenz eine Schwäche sei.

Interessenskonflikt oder Krokodilstränen?

Pikant sind dabei vor allem die Hintergründe: Der Magic-Quadrant für Backup- und Wiederherstellungslösungen wurde erstmals von den Analysten Santhosh Rao, Chandra Mukhyala und Nik Simpson erstellt und im Oktober 2019 veröffentlicht. Die geplante Ausgabe 2018 musste zunächst abgesagt werden, da der größte Teil des damaligen Analysten-Teams von Rubrik rekrutiert worden war. Der nächste Veröffentlichungstermin, Mai 2019, konnte nicht gehalten werden, weil der Hersteller Rubrik Beschwerde bezüglich der Kriterien und Bewertungen eingelegt hatte. Dafür unterhält Gartner eigens eine Ombuds-Abteilung.

In der aktuellen Ausgabe des in Frage gestellten Reports gibt Gartner nun selbst an, seine Analysen und Prognosen bis 2022 »ab dem Stand Anfang 2018« aufgestellt zu haben. Das macht etwas hellhörig. Arcserve wurde mit einer geringeren Umsetzung/Execution als im Jahr 2017 bewertet, obwohl der Umsatz im Vergleich zu anderen Anbietern gesteigert und organisatorische Änderungen vorgenommen wurden. Der Anruf der Ombuds-Stelle bei Gartner brachte jedoch nichts. Doch hat der Hersteller seine Anfrage öffentlich gemacht.

Rubrik: #5 lebt – Report schwerwiegend fehlerhaft?

Rubrik CEO Bipul Sinha ging einen Schritt weiter und nennt den Quadranten in einem Blog-Beitrag »schwerwiegend fehlerhaft« und mahnt »Unabhängigkeit, Objektivität und Genauigkeit« an. Er führt an, sein Unternehmen habe Absatz und Mitarbeiterzahl seit 2017 verfünffacht und erheblichen Markteinfluss gewonnen. Er will im aktuellen Gartner-Report zudem 17 faktische Fehler identifiziert haben.

Zudem seien 2018 vier Analysten von Gartner zu Rubrik gewechselt. Aus Enttäuschung darüber sei ein fünfter Kandidat, damals wie heute Gartner-Angestellter, beim Analystenunternehmen verblieben und nun 2019 als Lead-Analyst für Rubrik zuständig gewesen. Auch in diesem Fall konnten die Probleme mit dem Ombudsmann/-frau von Gartner nicht gelöst werden, sehr zum Unmut von Sinha (»We expected that this conflict of interest would have been disclosed, as Gartner’s policy requires, and it was not.«). Der Analyst wird im Blog-Beitrag des CEO nur als »#5« bezeichnet.

Gartner wiederum antwortete darauf selbst in einem Blog-Post auf seiner Webseite und weist die Vorwürfe zurück. Die Verzögerungen bei der Veröffentlichung seien in erster Linie auf Rubriks Bedenken zurückzuführen, die intensiv geprüft worden seien. Die Reports würden nicht auf der Meinung eines Analysten beruhen, sondern auf mehreren Säulen und Fakten. In diesem Falle über 100 Anwenderstimmen zum Hersteller Rubrik. Die Prüfung der Befunde habe keine Änderung der Einschätzungen und also des magischen Quadranten ergeben. Der Lead-Analyst sei aber dennoch vorsichtshalber ausgetauscht worden.

Marktanalysen für Deutschland nur bedingt gültig

Bereits im September sah sich der Gartner Ombudsmann Frank DiPerma auf die Frage zu antworten, was es kosten würde, von Gartner berücksichtigt zu werden. Seine Antwort: nichts.

Eine Frage, die wir und unsere Leser immer wieder stellen, wie aussagekräftig sind Marktzahlen, die Gartner-Quadranten oder auch die Forrester-Wave? Wir in der speicherguide.de-Redaktion mögen Marktzahlen. Sie sind für uns ein guter Markt-Indikator, wohl aber auch, weil wir keinen besseren haben. Die in der Regel weltweiten Zahlen sind vor allem im Backup/Recovery-Segment nur bedingt auf Deutschland übertragbar. Wir hatten dies auch schon im Beitrag »Forrester bewertet Backup-Anbieter neu« angemerkt.

Wie sehen Sie die Ergebnisse von Gartner & Co? Nutzen Sie Marktanalysen? Wenn ja, in welcher Form? Oder glauben Sie, dass die Studien sowieso nur gekauft sind?

Lesen Sie zudem mehr über Datenschutz und Data-Protection in unserem eMagazine: Backup für den Mittelstand.

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