1&1 gibt sein Handynetz frei

Mobilfunk

Welches Handynetz ist für mich das beste – von der Telekom, von Vodafone oder von O2? Diese Frage stellen sich Verbraucher hin und wieder. Künftig können sie die Liste um eine Option erweitern.

Nach einer deutlichen Verzögerung beim Ausbau steht das vierte deutsche Handynetz nun endlich in den Startlöchern. Der Telekommunikationsanbieter 1&1 will seine mobilen Dienste bei einer Feier in Montabaur am Freitagnachmittag offiziell in Betrieb nehmen, Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) wird als Gast erwartet. Das Netz existiert zunächst nur im Mini-Format: Ende September waren 60 Antennenstandorte bereit für die Handyverbindungen, Anfang 2024 sollen 200 aktiviert sein. Gefunkt wird in Städten wie Montabaur, Düsseldorf und Frankfurt. Zum Vergleich: O2 hat bundesweit mehr als 28 000 Standorte – 1&1 hat also noch eine weite Wegstrecke vor sich.

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Bisher gibt es hierzulande Handynetze der Deutschen Telekom, von Vodafone und von Telefónica Deutschland (O2). Überall dort, wo 1&1 keine Antennen hat – also in den allermeisten Gegenden Deutschlands – werden Neukunden mit dem O2-Netz verbunden. Die Bestandskunden wiederum bekommen ohnehin O2-Netz, da die Firma bisher nur als virtueller Handynetzbetreiber tätig war. Für das eigene Geschäft wurden also Kapazitäten der Konkurrenz angemietet, vor allem von O2.

Milliardenschwere Auktionsteilnahme

2019 entschied sich Firmenchef Ralph Dommermuth für ein eigenes Netz, um den drei etablierten Handynetzbetreibern Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica Deutschland (O2) auf Augenhöhe begegnen zu können. Damals ersteigerte 1&1 erstmals Frequenznutzungsrechte für rund 1,1 Milliarden Euro. Dazu kommen Ausbaukosten – alles in allem plant 1&1 bis 2030 mit fünf Milliarden Euro für das Netzvorhaben.

Wer schon jetzt 1&1-Kunde ist, für den ändert sich zunächst nichts. Denn mit dem Netzstart haben zwar Neukunden Zugriff auf die Antennen, der Bestand an den rund 12 Millionen Vertragskunden wird hingegen erst schrittweise bis Ende 2025 auf das neue Netz umgebucht. Im Sommer oder Herbst 2024 greift zudem ein Vodafone-Vertrag zum National Roaming, also zur Funkverbindung abseits der 1&1-Standorte. Das heißt, vereinfacht gesagt: Wo heute 1&1 drauf steht, ist viel O2 drin. Und künftig wird viel Vodafone drin sein.

1&1 setzt auf ein offenes Funkzugangsnetz (Open Ran). Diesem Konzept wird auch von der Konkurrenz großes Potenzial beigemessen: Im Gegensatz zu den von der Branche bisher genutzten geschlossenen Systemen, die an einzelne Hersteller gebunden sind, sind beim Open Ran Standards und Schnittstellen offen. Dadurch können Komponenten unterschiedlicher Firmen genutzt werden. Das innovative Netz soll eine sehr geringe Reaktionszeit (Latenz) haben.

Positive Folgen für Verbraucher erwartet

Verkehrsminister Wissing wertet den Handynetz-Start von 1&1 positiv. «Für die Verbraucher und Unternehmen ist der Markteintritt eines vierten Netzbetreibers eine sehr gute Nachricht», sagt er. «Das bedeutet: mehr Auswahl, steigende Netzqualität und attraktive Preise.» Er erwarte, dass der Ausbau der Mobilfunknetze einen zusätzlichen Schub erhalte.

Auch der Daumen von Verbraucherschützern zeigt nach oben. «Die bestehenden Netze der drei Anbieter werden zwar stetig verbessert und leistungsfähiger, trotzdem sehen sich Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin Funklöchern und neuerdings auch leicht steigenden Preisen einiger Anbieter ausgesetzt», sagt Felix Flosbach von der Verbraucherzentrale NRW. «Der Start eines weiteren Netzes kann hier zu neuem Wettbewerb in einem etablierten Markt führen, der in besseren Netzen und günstigeren Preisen für die Verbraucherinnen und Verbraucher münden kann.»

Jens-Uwe Theumer vom Vergleichsportal Verivox sagt, dass der vierte Netzbetreiber frischen Wind und mehr Wettbewerb in den Markt bringen werde. In Deutschland gab es lange Zeit vier Handynetze, 2014 fusionierten aber O2 und E-Plus. Nun steigt die Zahl der Handynetze wieder auf vier. «Fast zehn Jahre lang gab es drei etwa gleich große Anbieter, die kein Interesse an großen Verwerfungen hatten», sagt Branchenexperte Theumer. «1&1 bricht das jetzt auf.» Der Markt werde dynamischer werden, mit mehr Wahlmöglichkeiten für Verbraucher. «Dies ist dringend zu wünschen: Derzeit ist Deutschland mit einem durchschnittlichen Gigabyte-Preis von 2,50 Euro der drittteuerste Anbieter für mobiles Internet in Europa.»

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Ausbau verlief bisher schleppend

Der Netzausbau war bisher keine Erfolgsgeschichte für 1&1. Laut einer staatlichen Vorschrift hätte die Firma Ende 2022 1000 5G-Standorte aktiviert haben müssen, es waren aber nur fünf. Das begründete 1&1 mit Lieferschwierigkeiten von Ausbaupartnern. Wegen der Verzögerung droht der Firma ein Bußgeld durch die Bundesnetzagentur.

Um einer anderen Vorschrift Genüge zu tun, hatte 1&1 vor knapp einem Jahr seine wenigen Antennen für ein Festnetz-Ersatzprodukt in Betrieb genommen: Haushalte in der Nähe der Standorte konnten Mobilfunk bekommen und brauchten daher keinen Festnetz-Vertrag. Wer mit seinem Smartphone an den Antennen vorbeilief, wurde aber nicht verbunden. Der Handynetz-Start wurde zunächst für das Sommerquartal 2023 geplant, dann aber verschoben. Nun ist es so weit.

Blick nach vorn

Nach den Schwierigkeiten soll der Ausbau im kommenden Jahr Fahrt aufnehmen. Laut Auflagen der Bundesnetzagentur müssen die Antennen des Unternehmens bis Ende 2025 mindestens 25 Prozent der deutschen Haushalte erreichen und bis Ende 2030 mindestens 50 Prozent. Die restlichen Haushalte sollen mit Roaming Netz bekommen.

Enorm wichtig ist zudem die Frage, ob im nächsten Jahr eine weitere Mobilfunk-Auktion stattfindet. Denn bisher nutzt die Firma nur Frequenzblöcke in zwei Funkbändern, für ein optimales flächendeckendes Netz sind aber weitere Blöcke in anderen Bändern nötig. Daher will 1&1 nachkaufen. Nach vorläufigen Plänen der Bundesnetzagentur soll die Versteigerung aber ausfallen und bisherige Nutzungsrechte sollen verlängert werden – dann bliebe 1&1 hierbei außen vor und den bisherigen Platzhirschen Telekom, Vodafone und 1&1 würde der Rücken gestärkt. In Montabaur werden diese Behördenpläne sehr kritisch gesehen.

Von Wolf von Dewitz, dpa

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