Interview über CloudFest

Der Kauf einer Eventfirma in Zeiten der Pandemie

Quelle: CloudFest 2019

Das CloudFest ist der jährliche Treffpunkt der internationalen Cloud- und Internet Service Provider Industrie. Jedes Jahr im März versammeln sich über 7,000 Fachbesucher aus der ganzen Welt und verbringen eine Woche im Europa-Park, der exklusiv gemietet wird.

Messe, Keynotes, Rockkonzerte – alles essenzielle Bestandteile dieses „B2B-Festivals“ vor dessen eingeschworener Gemeinde Sprecher wie Edward Snowden, Steve Wozniak oder Buzz Aldrin gesprochen haben. Doch wie so viele andere Unternehmen und Branchen ist auch die Veranstaltungsbranche hart von der Corona-Pandemie getroffen. Hunderte Messen und Kongresse mussten Pandemiebedingt abgesagt werden. Auch das CloudFest musste im Februar 2020 kurz vor Öffnung der Türen gecancelt werden. Nach einem schwierigen ersten Jahr wurde schnell klar, dass auch im März 2021 kein physisches Event durchgeführt werden kann. Doch genau jetzt, mitten in der wohl schwersten Krise der Veranstaltungsindustrie seit Jahrzehnten, hat eine Gruppe von Investoren den Schritt gewagt und in das CloudFest investiert. Heute sprechen wir mit Christian Jaeger, dem neuen CEO vom CloudFest.

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Hallo Christian, bitte stell Dich und deine CloudFest-Vergangenheit kurz unseren Leserinnen und Lesern vor.

Christian Jaeger: Ich habe vor gut 10 Jahren in der Hosting- und Cloudwelt Fuß gefasst und habe als Werksstudent im Eventmanagement beim CloudFest (das damals noch WebHostingDay hieß) angefangen. Kurz nach Start sagte einer der Gründer zu mir „Christian, wir brauchen jemanden der Sales macht. Du erzählst doch gerne – mach du das doch“. Wir hatten das Glück mit unserem Konzept von Messe + Keynotes + Konzerten in einem Freizeitpark in der Provinz den Nerv einer jungen, aufstrebenden Industrie zu treffen. Außerdem hatten wir viele Internationale Partner, die verrückt genug waren dieses Konzept mit uns weiterzuentwickeln. Wer hätte das gedacht, bei damals doch eher biederen Produkten wie Webhosting, Servern oder Rechenzentren. Unsere Veranstaltung wuchs kräftig und wir organisierten auf einmal Events in Sao Paulo oder Bangkok. Nach einer Weile wechselte ich die Blickrichtung und übernahm verschiedene Rollen bei Hosting Unternehmen, bevor ich im Anschluss die letzten Jahre als Investment Manager mit Fokus auf SaaS Businesses und – sie ahnen es – Hosting- und Cloudfirmen, wurde. Ich bin also auf die Besucher und Ausstellerseite gewechselt.

Investoren sind ja das Stichwort: Wieso investieren erfahrene Investoren in einen Bereich der sich, um es vorsichtig zu sagen, in sehr schwierigem Fahrwasser befindet?

Christian Jaeger: In meiner Zeit als Investment Manager haben wir unsere Einschätzung zu Unternehmen überwiegend rational getroffen. Wie gesund ist die Firma, wie ist das Wachstum, wie gestaltet sich der Markt, usw. Aber auch „weichere“ Faktoren wie das Führungsteam, Produktinnovation oder der Kundenstamm spielten immer eine wichtige Rolle. Entscheidungen aus dem Bauch heraus sind eher selten und wenn man den Stereotyp vom „gefühlskalten Investor“ vor Augen hat, kann man sich vermutlich nicht so leicht vorstellen, dass Emotionen überhaupt eine Rolle spielen könnten. Beim CloudFest ist die Argumentation aber eine andere: Corona trifft viele Veranstaltungsreihen mit voller Wucht. Viele Events, die zuvor sehr erfolgreich waren, stehen vor dem aus oder müssen komplett umsatteln. Das CloudFest bezeichnet sich selbst als eine Veranstaltung „organized by a group of friends“ – und auch die neuen Investoren sind teil dieser Gruppe. Ich würde sogar so weit gehen und sagen sie sind gewisser maßen die Hardcore Fans vom CloudFest.

Superfans als Investoren? Klingt nach Venture Capital Buhei.

Christian Jaeger: Nein, ich meine Fans wirklich im eigentlichen Sinne: Alle unsere Investoren sind seit vielen Jahren regelmäßige Besucher und Aussteller des CloudFests. Wir haben Founder & CEOs der größten Player unserer Industrie in unseren Reihen willkommen heißen dürfen: Ob IONOS, Acronis, Open-Xchange oder HostEurope. Die allermeisten sind schon viel länger dabei als ich. Auch die früheren Gründer sind wieder an Bord. Als sich die Möglichkeit eröffnete in “unser” CloudFest zu investieren war uns allen sofort klar: Das müssen wir machen – die Industrie braucht dieses Event. Wäre das CloudFest ein Musikfestival wie Rock am Ring, so hätten wir beide Arme voll mit Eintrittsbändchen und ich gehe jede Wette ein: Wir haben alle ein CloudFest Shirt oder einen Hoodie im Schrank liegen.

Genug der Romantik: 2020 und 2021 wird es kein physisches CloudFest geben. Die Aussichten sind unklar. Viele Menschen leiden nach einem Jahr im Dauerlockdown an „Zoom-Fatigue“. Wäre da nicht ein bisschen weniger Emotion und etwas mehr rationale Analyse angebracht?

Christian Jaeger: Es stimmt, die Zeiten sind mehr als schwierig für Events und ja, ich ertappe mich dabei wie ich den kleinen Mini-Me am unteren Bildschirmrand am Ende eines Tages voller Videokonferenzen nicht mehr sehen will. Aber zum einen sind wir felsenfest davon überzeugt, dass die Relevanz von physischen Events nach der Krise sogar stark zunehmen wird, zum anderen gab es in den letzten Monaten genügend Beispiele was online Konferenzen können und was nicht und auch was man anders machen muss. Es ist für uns klar, dass wir Bausteine wie interessante Keynotes, einfaches Netzwerken und selbst zu einem gewissen Teil Konzerte in die Digitale Welt bringen müssen um uns vom 1000. Webinar abzuheben und einen wirklichen Mehrwert für unsere Community bieten zu können. Aber nichts kann ein persönliches, ungeplantes Gespräch im Aufzug, in der Freizeitpark-Bimmelbahn oder am Tresen der Bar, wirklich ersetzen. Wir sind von dieser These so überzeugt, dass unsere ersten „online Gehversuche“ an der für unsere Besucher innig geliebten „Colosseo Bar“ im Europa-Park stattfanden. Ich möchte auch noch einmal zu einem besonderen rationalen Faktor zurückkommen: Ein treuer Kundenstamm. Viele unserer Partner fragen uns regelmäßig nach unseren Plänen. Sie sehnen sich nach einem physischen Wiedersehen mit Kunden, alten Freunden und mittlerweile selbst mit der Konkurrenz. Zum Glück unterstützen Sie uns auch bei unseren online Events. Wir sind uns sicher: An dem Tag wo es sicher ist den Park für das CloudFest wieder zu öffnen, stehen unsere Besucher, Aussteller und Sprecher schon vor den Toren und warten.

Sind online Events also nur ein Hype und eigentlich nur ein Notnagel in Zeiten von weltweiten Restriktionen?

Christian Jaeger: Wie in vielen Bereichen hat die Krise die Digitalisierung sicherlich beschleunigt. Ich würde mich aber vom Gedanken lösen, dass es nur On- oder Offline gibt. Wir sehen, dass wir durch unsere Onlineangebote eine diversere Kundschaft erreichen können. Als internationale Konferenz können wir auf einmal Menschen willkommen heißen, für die die Anreise in den Schwarzwald bislang unmöglich erschien. Und dennoch haben wir viele Besucher und Aussteller die sich am liebsten zwei Tickets für das vor Ort Event kaufen würden – so sehr freuen sie sich. Die Formate ergänzen sich also wunderbar. Noch so ein rationaler Grund.

Dann nochmal etwas Emotion zum Schluss: Was war denn Dein CloudFest Moment?

Christian Jaeger: Es wäre vermutlich zu peinlich das Gruppenfoto mit mir und den Vengaboys hier zu erwähnen. Aber eins meiner Highlights hat sich sogar vor dem eigentlichen Event abgespielt: Während des CloudFests spielt sich fast alles in den vielen ausgefallenen Locations im Europa-Park und den Park Hotels im verschlafenen Örtchen Rust ab. Im alten Ortskern gibt es das „Zum Ochsen“.  Eine gutbürgerliche Schankwirtschaft samt Dartscheibe, in der ich immer irgendwie das Gefühl habe in Großvaters Kegelkeller zu stehen. Irgendwann erreichte mich der etwas nervöse Anruf mit starkem lokalen Akzent des Wirtes. Er hätte meine Nummer von den Mitarbeitern des Europa-Parks bekommen und gerade „einen Anruf aus Amerika“ erhalten. Sie wollen seinen ganzen Laden mieten, jeden Abend während des Events – und das Geld stimme auch, sagte er. Auf meine Frage, was denn dann das Problem wäre erwiderte er nur: Er hätte seine Kneipe immer auf, und seine Stammgäste seien immer da. Wo solle er sie denn hinschicken wenn er den Laden jetzt exklusiv vermiete? Ich gab ihm den Rat er solle den genannten Preis „des Amerikaners“ einfach verdoppeln und seine Stammgäste im Anschluss zum Essen einladen. Nach dem CloudFest rief er mich glücklich an (auch wenn ich nicht alles verstanden habe) – die kleinen Veranstaltungen im Ochsen fand fortan jedes Jahr während des CloudFests statt. Ich bin mir sicher das wird auch wieder so sein, wenn wir hoffentlich 2022 vor Ort Events organisieren dürfen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Jaeger Christian

CloudFest -

CEO

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