Auf den ersten Blick mag die Suche nach den sogenannten „Best-of-Breed“-Cybersicherheitslösungen als ein kluger Schachzug erscheinen, auch wenn sie so manchem Kopfzerbrechen bereitet.
Es mag verlockend sein – vor allem angesichts der überzeugenden Angebote von Spitzenanbietern –, die besten Einzellösungen für jeden Aspekt der Cybersicherheit einzukaufen. Gerne wird dabei jedoch vergessen, dass mit dieser Strategie schnell ein verwirrendes Geflecht aus Komplexität einhergeht, in dem jedes spezialisierte Tool trotz seiner vielversprechenden Eigenschaften am Ende isoliert, ineffizient und nicht ausreichend genutzt wird.
Verlockung des „Best-of-Breed“
Dabei suggeriert der Begriff „Best-of-Breed“ gemeinhin eine klare, scheinbar rationale Idee: Wer für jede Cybersicherheitsherausforderung die leistungsstärkste Lösung auswählt – z.B. Firewalls von dem einem Anbieter, Endpunktschutz von einem anderen und Intrusion Detection von einem dritten –, wird eine undurchdringliche Verteidigung aufbauen. Auf dem Papier klingt das perfekt. Doch in der Praxis entspricht dieses Traumszenario für jeden Security-Architekten nur selten der idealisierten Erwartung.
Wenn die einzelnen Komponenten nicht so konzipiert sind, dass sie nahtlos miteinander interagieren, sehen sich die Teams mit einer echten Herausforderung konfrontiert: Sie müssen dann nämlich defacto isolierte Security-Inseln verwalten. Anstelle eines robusten Schutzes erhalten sie Silos aus unterschiedlichen Systemen, die jeweils spezielles Fachwissen und ständige Aufmerksamkeit erfordern. Die Komplexität nimmt stetig zu und plötzlich wird das, was als strategischer Schachzug gedacht war, zu einem operativen Chaos.
Realitätscheck: Operative Komplexität
Es lässt sich im Alltag häufig beobachten: Die meisten Unternehmen nutzen nur einen Teil der Fähigkeiten, in die sie investiert haben. Das Problem ist nicht mangelndes Know-How oder Nachlässigkeit, sondern die Komplexität. Die Verwaltung mehrerer eigenständiger Tools mit einzigartigen Schnittstellen, Aktualisierungsplänen und betrieblichen Besonderheiten erfordert Ressourcen, Fachwissen und Zeit – regelmäßig mehr, als ein Team realistischerweise aufbringen kann.
Ein Blick auf die eigene Umgebung genügt oft schon. Wie viele der eigenen Security-Produkte sind vollständig integriert und ermöglichen einen schnellen und sinnvollen Austausch wichtiger Bedrohungsdaten? Wie viel Zeit verbringt das eigene Team mit der Fehlersuche bei Integrationen, anstatt die Sicherheit zu verbessern? In den allermeisten Fällen sind diese Zahlen nicht gerade schmeichelhaft.
Warum Appliance-basierte Sicherheit nicht ausreicht
Traditionelle, Appliance-basierte Lösungen galten über viele Jahre hinweg als Eckpfeiler des Schutzes zahlreicher Unternehmen. In heutigen IT-Umgebungen stoßen sie jedoch zunehmend an ihre Grenzen und erweisen sich als unzureichend. Zwar waren diese Appliances bei ihrer Einführung eine echte Innovation, doch angesichts der heutigen dynamischen Anforderungen zeigen sich mittlerweile gravierende Schwächen.
Ein zentrales Problem ist die eingeschränkte Skalierbarkeit: Da Appliances nur über feste Kapazitäten verfügen, sind bei Unternehmenswachstum oder strategischen Veränderungen teure Upgrades oder gar der komplette Ersatz notwendig. Dadurch wird Wachstum eher zur Belastung als zur Chance.
Hinzu kommt, dass die Infrastruktur solcher Lösungen sehr starr ist. Moderne Netzwerke werden immer flexibler. Benutzer (und bestimmte Netzwerk-Ressourcen) müssen nahtlos zwischen lokalen Standorten, der Cloud und entfernten Niederlassungen wechseln können. Appliance-basierte Systeme, die auf physischer Hardware basieren, werden dieser Dynamik kaum gerecht. Die Folge sind hohe Gesamtbetriebskosten (Total Cost of Ownership, TCO), denn die Anschaffung, Bereitstellung und Wartung eines komplexen Gerätebestands verschlingen nicht nur erhebliche finanzielle Mittel, sondern binden auch wertvolle personelle Ressourcen, die dann für strategische Initiativen fehlen.
Ein weiteres wesentliches Defizit betrifft die Kompatibilität mit der Cloud. Während immer mehr Unternehmen auf SaaS-Anwendungen und Cloud-native Architekturen setzen, erzwingen traditionelle Appliances häufig ein ineffizientes Backhauling des Datenverkehrs. Dazu gehört unter anderem die Bündelung, der Transport und ggf. zusätzliche Funktionen wie Tunneling, QoS oder Verschlüsselung, bis der Traffic den nächsten hierarchisch höheren Netzabschnitt erreicht.
Diese Form des Backhauling führt zu Leistungsengpässen und beeinträchtigt letztlich die Nutzererfahrung. Darüber hinaus reagieren Systeme, die auf Appliances basieren, oft verzögert auf neue Bedrohungen, da sie für gewöhnlich regelmäßige Updates und manuelle Eingriffe erfordern. Das verlangsamt die Reaktionsfähigkeit auf die heute so schnelllebigen Cyberbedrohungen und steht im Widerspruch zum Bedarf an Flexibilität in der modernen Cybersicherheit.
Unternehmen leiden zudem unter einer eingeschränkten Transparenz und Kontrolle, wenn sie auf Appliances setzen. Diese schaffen naturgemäß blinde Flecken, insbesondere wenn sich Daten außerhalb ihres unmittelbaren Einflussbereichs befinden. In Remote- oder Multi-Cloud-Konfigurationen entstehen dadurch Sichtbarkeitslücken, die es erschweren, Bedrohungen rechtzeitig zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren.
Die Entwicklung hin zu Cloud-gestützter Sicherheit
Der heutige Alltag in der Cybersicherheit erfordert einen radikal neuen Ansatz, bei dem Integration, Einfachheit und Flexibilität im Mittelpunkt stehen. Moderne, Cloud-basierte Sicherheits-Frameworks wie Secure Access Service Edge (SASE), Zero Trust Network Access (ZTNA) und Extended Detection and Response (XDR) sind inzwischen zu unverzichtbaren Elementen der Cyberverteidigung geworden. Sie adressieren nicht nur die Schwachstellen traditioneller Sicherheitsmodelle, sondern eröffnen Unternehmen zugleich neue Möglichkeiten, ihre IT-Infrastruktur effektiv zu schützen.
Flexibel und skalierbar
Ein wesentlicher Vorteil dieser Lösungen liegt in ihrer erhöhten Flexibilität und Skalierbarkeit: Die Sicherheitsmaßnahmen wachsen nahtlos mit dem Unternehmen mit und passen sich dynamisch an veränderte Betriebsumgebungen an. Darüber hinaus ermöglichen Cloud-native Sicherheitsansätze eine Reaktion auf Bedrohungen in Echtzeit. Durch die automatisierte Integration von Bedrohungsdaten werden neu auftretende Gefahren sofort erkannt und eingedämmt, ohne dass manuelle Updates oder regelmäßige Aktualisierungen erforderlich sind.
Auch die Verwaltung wird durch diese modernen Frameworks erheblich vereinfacht. Da sämtliche Sicherheitsfunktionen auf einer einzigen Plattform zusammengeführt werden, können sich IT-Teams stärker auf strategische Verbesserungen konzentrieren, anstatt Zeit mit administrativer Fehlersuche zu verschwenden. Eine einheitliche Sicht auf alle sicherheitsrelevanten Vorgänge ermöglicht zudem schnellere und präzisere Reaktionen auf potenzielle Vorfälle.
Unternehmen profitieren ferner von niedrigeren Betriebskosten. Cloud-Lösungen reduzieren den Aufwand, der mit physischen Appliances verbunden ist, und bieten sowohl wirtschaftliche als auch betriebliche Vorteile. Dies zeigt sich unter anderem in rationalisierten Prozessen, einer vereinfachten Bereitstellung und leichter durchführbaren Updates. Insgesamt führen diese Entwicklungen dazu, dass Unternehmen ihre Cybersicherheit effizienter, kostengünstiger und zukunftssicher gestalten können.
Zeit für einen Strategiewechsel
Im Bereich der Cybersicherheit kann der Wunsch nach Perfektion den Blick auf die praktischen Realitäten trüben. Der „Best-of-Breed“-Ansatz mag in einem Verkaufsgespräch verlockend klingen oder in einem Diagramm beeindruckend aussehen, doch die Praxis sieht anders aus. Übertriebene Komplexität kann schnell zum größten Feind werden, da sie die Sicherheit durch Fragmentierung untergräbt, statt sie durch Spezialisierung zu stärken.
Die Einführung integrierter, Cloud-basierter Modelle ist nicht nur ein kluger Schritt, sondern geradezu unerlässlich. Es geht darum, zu erkennen, dass die Vorteile von Einfachheit und Kohärenz die vermeintlichen Vorteile der Auswahl eigenständiger, spezialisierter Tools überwiegen. Das Ziel von Cybersicherheitsexperten sollte es nicht sein, die am besten bewerteten Tools einzeln zu kaufen, sondern eine zusammenhängende, effektive und flexible Verteidigung aufzubauen, die das Unternehmen wirklich schützt.
Es gilt den Schwerpunkt von der Jagd nach fragmentierter Perfektion auf integrierte Höchstleistungen zu verlagern. Im Ergebnis wird dies zu besserem Schutz, geringerer Komplexität und zufriedeneren Teams führen. Alles bedeutende Aspekte für echten Erfolg in der Cybersicherheit.
Autor: Tunay Eren, AVP Central Europe bei Cato Networks