Strategiemeetings, Budgetrunden, Planungen für 2026. Zum Herbstanfang steigt in deutschen Unternehmen wieder die Meetingfrequenz. 4,7 Stunden pro Woche verwenden Arbeitnehmer im Schnitt darauf.
Laut Studien empfinden sie mehr als zwei Drittel davon als verschwendet. Zu Recht sagt Dr. Sven Damberger, CEO des internationalen Workplace-Dienstleisters MVC Videra und Experte für die Arbeitswelt von morgen. In den meisten Meetings werde zwar viel gesprochen, aber nicht miteinander geredet. Meetings sind tot, lautet sein Fazit. Es sei denn, Unternehmen entwickeln ihre Besprechungskultur weiter – hin zu echter Begegnungskultur.
Ein Szenario zeigt, wie der Alltag in deutschen Besprechungsräumen meist aussieht: Dienstagnachmittag, virtuelles All-Hands-Meeting. Über 30 Teilnehmende, die meisten Kameras aus. Ein paar Emojis im Chat, dann folgen strukturierte Updates vom Redner. Nach jeder Folie die obligatorische Frage, ob es Rückmeldungen gibt. Doch der Chat bleibt leer. Die Mikrofone bleiben stumm. Keine Fragen. Kein Widerspruch. Nur ein paar Daumen-hoch-Reaktionen huschen über den Bildschirm. Nach genau 60 Minuten ist Schluss. Die Kacheln verschwinden so schnell, wie sie erschienen sind.
Kollaboration statt Kacheldienst
„Eine Stunde Information, null Minuten echter Austausch“, fasst Damberger zusammen. Solche Meetings seien kein Einzelfall, sondern Ausdruck eines strukturellen Defizits. „Auf Managementebene finden täglich minutiös organisierte Besprechungen statt. Perfekt getaktet, visuell optimiert, aber ohne wirkliche Beteiligung“, so der Experte. Unternehmen verursachten dadurch nicht nur täglich immense Kosten, sondern vergeben auch die Chance auf echten Dialog mit ihren Mitarbeitenden. Innovationskraft, Unternehmenskultur, Teamdynamik – zu all dem könnten Meetings beitragen. „Doch dafür braucht es in deutschen Unternehmen einen Paradigmenwechsel“, fordert der Workplace-Spezialist. „Resonanz statt Schweigen, Dialog statt Monolog, Kollaboration statt Kacheldienst.“
Voraussetzungen für eine neue Begegnungskultur
Aber was genau bedeutet das in der Praxis? Aus der Erfahrung hunderter Workplace-Konzepte sieht Damberger vier zentrale Hebel, damit aus drögen Meetings Resonanzräume für Ideen und Zusammenarbeit werden.
1. Klare Ziele und konkreter Kontext
Allen voran braucht es mehr Meetings, die einen konkreten Zweck haben, betont der Experte. Oft herrscht kommunikative Leere, weil den Teilnehmern der Sinn eines Treffens nicht klar ist. Typisches Beispiel ist der Jour fixe ohne echtes Ziel. Warum nicht das Format neu denken? Ein Ziel pro Woche, maximal 30 Minuten, rotierende Verantwortung. Dadurch hat das Meeting mehr Fokus und automatisch mehr Beteiligung.
2. Psychologische Sicherheit als Fundament
Viele Mitarbeitende schweigen in Besprechungen aus Angst, sich zu blamieren oder weil Kritik nicht gewünscht ist. Doch lebendige Meetings sind Räume, in denen Meinungen zählen, Zweifel erlaubt sind und Offenheit gewünscht ist. Psychologische Sicherheit in diesen Punkten fördert den Austausch, stärkt das gegenseitige Vertrauen und erhöht nebenbei auch die Problemlösungsgeschwindigkeit.
3. Hierarchien abbauen, Sprache vereinfachen
Oft dominieren wenige Stimmen aus der Führungsebene das Gespräch, während die Mehrheit sich zurückhält. Um das zu ändern, braucht es aktive Perspektivwechsel: Warum nicht die Jüngeren oder Ruhigeren zuerst sprechen lassen. Und: Fachsprache verständlich machen. Zu oft gehen Beteiligung und Anschlussfähigkeit in Meetings verloren, weil Fachjargon regiert.
4. Räume, in denen Menschen sich trauen, echt zu sein
Der wohl wichtigste Faktor: Raum für Persönlichkeit schaffen. In Meetings sollten die Teilnehmer immer auch Mensch sein dürfen, nicht nur Projektbeteiligte. Bei MVC Videra etwa gibt es kurze persönliche Check-ins: Drei Minuten pro Person, wie man da ist. Kein Projektstatus. Nur Menschsein. Das schafft Nähe, Offenheit und das Fundament für einen konstruktiven Austausch.
Impulse für eine lebendige Meetingkultur
„Der Wandel hin zu einer echten Begegnungskultur muss kein Großprojekt sein“, betont Damberger. Kleine, gezielte Veränderungen können große Wirkung entfalten. Der Experte empfiehlt, PowerPoint-Schlachten sukzessive durch interaktive Formate zu ersetzen. Ein „stilles Q&A“, bei dem Fragen anonym im Chat gesammelt werden, senkt die Hürde zur Beteiligung. Ein „Open Mic“-Slot ohne feste Agenda bietet Raum für Themen, die sonst untergehen. Bewährt hat sich bei MVC Videra zudem das Prinzip „No new slides“: Präsentationen werden vorab verschickt, im Meeting selbst wird nur diskutiert. Das spart nicht nur Zeit, sondern schafft Raum für Diskussionen. „Sag weniger, frag mehr und höre zu“, lautet Dambergers Empfehlung für Führungskräfte. So entstehen mehr Nähe und Dialog, mehr Miteinander statt Nebeneinander.
Meetings als Betriebssystem der Zusammenarbeit
Wie ineffizient Meetings aktuell in deutschen Unternehmen ablaufen, haben mehrere Studien unabhängig voneinander belegt. „Unternehmen sollten diesen Handlungsbedarf ernst nehmen und sich fragen, ob ihre Besprechungen noch dem dienen, was sie ursprünglich leisten sollten: Orientierung geben, Austausch ermöglichen und gemeinsame Entwicklung fördern“, sagt der Experte. Meetings dienten schließlich keinem Selbstzweck. Sie seien vielmehr „das Betriebssystem der Zusammenarbeit“. Und wie jedes System müssen auch sie gepflegt, angepasst und von Zeit zu Zeit neu gestartet werden.
(pd/MVC Videra)