Unternehmen stehen oft vor der Herausforderung, ihre Lagerbestände so zu steuern, dass weder teure Überbestände noch schmerzhafte Engpässe entstehen.
Klassische Modelle zur Bestellmengenplanung setzen jedoch stabile Nachfrage und zuverlässige Lieferzeiten voraus – Bedingungen, die in der Realität selten erfüllt sind.
Ein Forscherteam der Mercatory-Universität und der Universität Neapel Federico II hat nun ein neues Verfahren entwickelt, das stärker an den praktischen Bedingungen ausgerichtet ist (via Pressetext).
Das bekannte Economic Order Quantity (EOQ)-Modell dient seit Jahrzehnten als Grundlage für Entscheidungen im Lagerwesen. Es geht jedoch davon aus, dass Nachfrage und Nachschub konstant und berechenbar sind.
Die italienischen Wissenschaftler haben diesen Ansatz erweitert: In ihrem Modell werden Verkauf und Lieferung als einfache „Ja-oder-Nein“-Ereignisse betrachtet – eine Einheit wird verkauft oder eben nicht, eine Lieferung trifft ein oder sie bleibt aus. Auf Grundlage der Wahrscheinlichkeitstheorie, genauer gesagt sogenannter Bernoulli-Versuche, lassen sich daraus Muster für Nachfrage- und Lieferverhalten ableiten. So kann das Modell sowohl gleichmäßige als auch stark schwankende Tagesumsätze realistisch erfassen.
Präzisere Kennzahlen für die Praxis
Das neue Verfahren berechnet entscheidende Größen wie:
- durchschnittlicher Lagerbestand
- Länge eines Lagerzyklus
- Häufigkeit von Engpässen
- Füllrate (Anteil der Nachfrage, die direkt aus dem Lager bedient wird)
Besonders hervorzuheben ist eine neu entwickelte Formel für den durchschnittlichen Lagerbestand. Sie zeigt in Tests eine deutlich höhere Genauigkeit als die bislang genutzten Schätzmethoden – gerade dann, wenn Nachfrage unregelmäßig verläuft und Lieferungen unzuverlässig sind.
Relevanz für Handel und Industrie
Die Vorteile dieser höheren Genauigkeit liegen auf der Hand:
- Ein Supermarkt vermeidet verdorbene Ware, die am Folgetag nicht mehr verkäuflich ist.
- Ein Händler reduziert das Risiko, Werbeartikel nach Ablauf einer Aktion nicht mehr absetzen zu können.
- Eine Fabrik stellt sicher, dass dringend benötigte Ersatzteile rechtzeitig verfügbar sind.
In all diesen Situationen können schon kleine Fehlkalkulationen hohe finanzielle Verluste oder Imageschäden nach sich ziehen. Mit der neuen Methode lassen sich Bestände so planen, dass nur die Mengen eingelagert werden, die realistisch abgesetzt werden können.
Die Arbeit von Forschern der Mercatory-Universität und der Universität Neapel Federico II zeigt, dass künstliche Intelligenz klassische Modelle der Lagerplanung sinnvoll weiterentwickeln kann. Für Unternehmen eröffnet sich damit die Chance, Kosten zu senken und die Kundenzufriedenheit zu steigern – nicht durch größere Lager, sondern durch klügere Prognosen.