Kommentar

Agil sein oder nicht sein – eine Frage der Unternehmenskultur

Moderne Arbeitsmethoden bahnen sich gerade ihren Weg in die Unternehmen und sind mancherorts schon angekommen. Doch arbeiten nach agilen Grundsätzen ist das eine, aber wie agil sieht die Wirklichkeit aus? Das hinterfragt Thorsten Heintke, Gründer der flowedoo GmbH.

Vom angeblichen Modethema zur notwendigen Arbeitsmethode: Fast jede dritte Fach- oder Führungskraft setzt agile Methoden bereits ein. Und tatsächlich kennen über zwei Drittel der Führungskräfte und mehr als die Hälfte der Fachkräfte eine oder mehrere agile Methoden. Die bekanntesten agilen Konzepte sind dabei Kanban, Scrum und Design Thinking. Erstmal lobenswert, dass offensichtlich eine Auseinandersetzung mit agilen Methoden stattfindet und diese sogar schon teilweise Einzug in die Unternehmenswelt halten, denn nur mit einer ordentlichen Prise Agilität schaffen es Unternehmen, den vielfältigen Aufgabenstellungen der digitalen Arbeitswelt adäquat zu begegnen. Immer schneller gilt es auf Marktveränderungen zu reagieren und Entscheidungen zu treffen.

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Der Druck auf die Organisationen zu mehr Anpassungsfähigkeit und Flexibilität steigt stetig – mithalten können Unternehmen nur, wenn sie die entsprechenden Strukturen und vor allem eine Kultur schaffen, die diese Eigenschaften fördern. Und genau hier kommt die Agilität ins Spiel. Ein kreatives Arbeitsumfeld mit einem von Verantwortung geprägten Klima hilft dabei, Ideen und Innovationen zu fördern und so positive Impulse für die Organisation zu setzen. Die Krux an der Sache mit der Agilität: Es reicht keinesfalls aus, einfach agile Arbeitsmethoden einzusetzen, um das Unternehmen agil zu gestalten. Die Konzepte und Methoden bringen nicht viel, wenn das Mindset der Mitarbeiter und Führungskräfte und die damit einhergehende Arbeitskultur nicht agil ausgerichtet sind.

Ein Wandel der Unternehmenskultur erweist sich hier als essenziell, damit Mitarbeiter im agilen und eigenverantwortlichen Arbeiten Unterstützung erfahren. Von einer wirklich agilen Kultur sind viele Unternehmen allerdings noch weit entfernt. Nur etwa 30 Prozent der Beschäftigten dürfen eigenständig Entscheidungen treffen, knapp 20 Prozent geben an, dass Fehler oder Misserfolge nicht gegen die eigene Person verwendet werden. Jeder Zweite kann Probleme nicht offen im Unternehmen ansprechen. Und: Lediglich 16 Prozent der Fachkräfte werden ermutigt, neue Ideen auszuprobieren. Es gibt in der Realität also zahlreiche Baustellen, die einem wirklich agilen Umfeld im Wege stehen.

Ein bloßes Überstülpen der agilen Arbeitsmethoden zeigt keine durchschlagende Wirkung – die Agilität ist damit längst nicht im Mindset der Angestellten angekommen und auch noch nicht in der Unternehmenskultur verankert. In vielen Organisationen besteht eine große Diskrepanz zwischen ‚agil arbeiten‘ und ‚agil sein‘. Manchmal liegt es auch daran, dass nur einige Bereiche eines Unternehmens mehr Agilität schaffen wollen, wohingegen andere in alten Mustern verharren. Um eine nachhaltige Veränderung zu erwirken, benötigt es ein ganzheitliches Vorgehen, viel Einfühlungsvermögen, die aktive Miteinbeziehung der Mitarbeiter und vor allem Zeit. Daneben bedarf die agile Transformation einer klaren Vision, langfristig angelegter Ziele sowie einer großen Portion Durchhaltevermögen.

In der Anfangsphase geht es vor allem um die Ausbildung entsprechender Kompetenzen. Im zweiten Schritt gilt es, die Bereitschaft zum Wandel aller zu gewinnen und diesen Veränderungsprozess eng zu begleiten. Erst dann dreht sich alles um das Verfestigen der neuen Verhaltensweisen. Ein externer professioneller Coach kann diese Vorhaben effektiv von Beginn an begleiten – oftmals lässt sich dadurch mehr Transparenz für etwaige Hürden und deren Bewältigung schaffen. Unternehmen müssen der Wahrheit ins Auge sehen – nur mit agilem Mindset und den entsprechenden Methoden können sie sich den zukünftigen Herausforderungen stellen. Dafür muss allerdings die gesamte Organisation von der Agilität geradezu durchdrungen sein. In dieser Hinsicht besteht noch viel Nachholbedarf. Daher gilt meiner Ansicht nach: Viele wollen es, nur wenige sind es wirklich: agil.

Heintke Thorsten

flowedoo GmbH -

Gründer

(Quelle: Joachim Clüsserath)
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