Blockchain in HR: Revolution der Bewerbungsprozesse?

Der Hype um die Blockchaintechnologie ist zuletzt etwas abgeflaut. Mit enormen Vorschusslorbeeren angetreten sind viele Projekte im Pilotstatus eingeschlafen. Was sollte die Blockchain nicht alles möglich machen? Unsere Daten schützen, Transaktionen sicherer machen und die Zuverlässigkeit von Daten garantieren.

Mit einem nüchternen Blick auf die Technologie wird schnell klar, dass die Blockchain auch im Bereich HR – bis dato nicht im Fokus der Entwickler – Lösungen für essentielle Herausforderungen bietet.
 

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Blockchain: Was steckt dahinter? 

Die Blockchain ist ein dezentrales Netzwerk von Servern. Dabei werden Informationen auf allen Servern parallel abgelegt, sodass Fälschungen sofort auffallen. Geflügelt ist inzwischen die Beschreibung als „digitales Grundbuch“. Fälschungen sind durch die mehrfache Absicherung kaum machbar. Stattdessen bieten blockchainbasierte Lösungen angeschlossenen Parteien weitreichende Transparenz.

Diese Features machen die Technologie attraktiv für die Absicherung von digitalen Daten. So bietet die Blockchain die Option der Absicherung von Zeugnissen und Zertifikaten aus dem akademischen wie auch dem Arbeitsumfeld. So kann sie mit einem altbekannten Ärgernis aufräumen: der Übertreibung und Fälschung in Bewerbungen und Lebensläufen.
 

Schummeln im Lebenslauf – keine Ausnahme

Insider nehmen an, dass in bis zu einem Drittel aller Bewerbungen gelogen wird. Zehn Prozent aller Bewerbungen werden von HR-Verantwortlichen sogar als bedenklich eingestuft – hier bleibt es nicht bei Übertreibungen, sondern es finden sich falsche Angaben. Dramatische Fälle von gefälschten Doktortiteln oder fehlende Lizenzen, welche gar eine Gefahrenquelle darstellen könnten, sind zwar krasse Ausnahmen – doch werden regelmäßig Fälle bekannt. Häufig finden sich in Lebensläufen kleinere Schummeleien wie aufgehübschte Sprachkenntnisse, angebliche Schulungen oder erdachte Kompetenzen und Soft Skills. Diese kleinen Lügen können in vielen Unternehmen gänzlich unentdeckt bleiben, doch es ist nicht auszuschließen, dass durch Falschangaben echte Probleme im Ablauf entstehen. So können etwa erdachte EDV-Kenntnisse Prozesse und Deadlines in Gefahr bringen. Der neue Mitarbeiter wird zur Belastung. Erfahrene Recruiter enttarnen diese kleinen Schummeleien zwar oft problemlos – spätestens im Interview. Allerdings ist diese Prüfung zeitintensiv, Zeit die Recruitern im Berufsalltag fehlt. Ein Problem, das besonders bei kleinen und mittleren Unternehmen noch heikler wird. Hier fehlen oft Ressourcen und Fachwissen, um Schummeleien vorbeugen zu können. 

Schließlich werden auch die Fälscher immer raffinierter: Müssen Zeugnisse für Bewerbungen heutzutage eingescannt werden, leidet die Qualität, was es für Fälscher meist noch einfacher macht. Auf YouTube findet man sogar schon Anleitungen zum Fälschen von Zeugnissen und Noten. Die Gefahr einer Manipulation wird folglich nicht abnehmen. Digitale Berufsnetzwerke erhöhen den sozialen Leistungsdruck auf Bewerber zusätzlich. Hemmschwellen sinken tendenziell.
 

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Wie hilft die Blockchain? 

Genau hier kann die Blockchain-Technologie zukünftig Lösungsansätze liefern. Zertifikate und Zeugnisse auf Basis der Blockchain sind fälschungssicher, da Veränderungen durch eine Abfrage auffallen würden. Natürlich würden bei der möglichen Blockchainlösung Abschlüsse, Noten und Qualifikationen nicht für jedermann sichtbar: Bewerber hätten die Möglichkeit, ausgesuchten Unternehmen im Bewerbungsprozess die Erlaubnis zu erteilen, auf bereits hinterlegte und verifizierte Informationen zuzugreifen. Die Blockchain könnte die zeitraubende Überprüfung der Zeugnisse und Zertifikate überflüssig machen. Bewerber müssten sich im Gegenzug nicht mehr mit dem aufwendigen Einscannen der Dokumente aufhalten, könnten Komfortvorteile genießen. Ferner könnten Unternehmen die Prüfung weiter automatisieren – somit noch fairer und faktenbasierter durchführen.
 

Projekte in den Startlöchern

Allerdings steht der fälschungssichere Lebenslauf noch vor einigen Herausforderungen: Im Idealfall sollten alle Aussteller von Zertifikaten auf dieselbe Plattform zurückgreifen, um so die Überprüfung für Personaler möglichst einfach zu gestalten. Hier liegt jedoch eine Schwierigkeit: Von staatlichen Herausgebern wie Schulen oder Universitäten zu privaten Organisationen, wie beispielsweise Anbietern von Fort- und Weiterbildungseinrichtungen, sollte idealerweise eine gemeinsame Blockchainlösung genutzt werden. Jedoch ist bereits absehbar, dass die Entwicklung in die gegenteilige Richtung verlaufen wird: Erst kürzlich gaben die Bundesdruckerei und vereinzelte Bundesländer – darunter NRW, Rheinland-Pfalz und Berlin – bekannt, ein auf der Blockchain basierendes digitales Schulzeugnis ausgeben zu wollen. Der Testbetrieb in NRW stehe schon in den Startlöchern. Ab 2023 sollen die digitalen Zeugnisse dann „in Serie“ gehen. Auf der anderen Seite steht die Velocity Network Foundation, die von vielen der führenden Techunternehmen unterstützt wird. Sie möchte einen gemeinsamen Standard für auf der Blockchain basierte Zertifikate etablieren und arbeitet hier zusammen. 

Die Entwicklung zeigt, dass Unternehmen in Zukunft mindestens zwei verschiedene Blockchain-Anwendungen beherrschen müssen, um Lebensläufe zu checken: Eine staatliche wie auch eine privatwirtschaftliche Lösung. Ferner muss beachtet werden, dass schlussendlich es immer den Bewerbern freigestellt sein wird, ob sie die Blockchain-Zertifikate nutzen wollen oder ob sie weiterhin Scans einreichen möchten. Die Vorurteile, die Menschen aufgrund von Ressentiments gegenüber der Blockchain aufweisen, sind zum Teil immens. Diese Ausgangslage könnte dazu führen, dass HRler noch lange auf die Vorteile der Blockchain warten müssen. 

Michael

Grotherr

Vice President Sales Central Europe

Cornerstone OnDemand

Michael Grotherr ist seit 2017 Vice President Sales Central Europe bei Cornerstone OnDemand und arbeitet von München aus. Grotherr verfügt über umfassende Branchenkenntnisse und detailliertes Wissen in den Bereichen Strategic Leadership, Unternehmensentwicklung und Human Capital Management.
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