Angesichts anhaltender Krisen setzen Konzerne weltweit auf Stabilität an der Spitze. Die Zahl neuer CEO-Ernennungen fiel im ersten Halbjahr 2025 auf den niedrigsten Wert seit Beginn der Messungen.
Die Zeiten für Unternehmenschefs sind alles andere als einfach: Handelskonflikte, unterbrochene Lieferketten, volatile Energiemärkte und geopolitische Spannungen machen langfristige Planungen nahezu unmöglich. Viele Vorstände scheuen sich mittlerweile, überhaupt noch Prognosen für das kommende Quartal abzugeben.
Doch während die äußeren Umstände turbulent bleiben, zeigt sich in den Führungsetagen ein bemerkenswerter Trend zur Beständigkeit. Eine aktuelle Analyse der Personalberatung Russell Reynolds Associates zeigt: Die CEO-Fluktuation ist auf einem historischen Tiefstand angelangt.
Nur 114 neue CEOs weltweit
Im ersten Halbjahr 2025 wurden in den größten börsennotierten Unternehmen weltweit lediglich 114 neue Vorstandsvorsitzende berufen – ein Rückgang um 19 Prozent gegenüber dem Vorjahr und der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebung 2018.
Die Studie untersuchte Unternehmen aus 13 wichtigen Börsenindizes, darunter S&P 500, DAX40, FTSE 100, Nikkei 225 und Hang Seng. Das Ergebnis ist eindeutig: In unsicheren Zeiten setzen Aufsichtsräte auf Kontinuität statt auf Veränderung.
“Auf der Suche nach dem richtigen Weg durch die aktuellen Krisen setzen die meisten Unternehmen weltweit nicht auf einen CEO-Wechsel”, erklärt Jens-Thomas Pietralla, Leiter der Globalen Board & CEO Practice bei Russell Reynolds Associates. “Das spricht für Besonnenheit – und für die Erkenntnis, dass mehr denn je externe Faktoren den Geschäftsverlauf bestimmen, die außerhalb des Einflussbereichs des Vorstands liegen.”
Trend zu internen Lösungen hält an
Auch bei der Herkunft der neuen CEOs zeigt sich der Stabilitätstrend. Drei Viertel (76 Prozent) der neu ernannten Vorstandschefs kamen aus den eigenen Reihen, exakt derselbe Anteil wie im Vorjahr. Unternehmen vertrauen offenbar darauf, dass interne Kandidaten die Geschäftsstrategie und Unternehmenskultur besser verstehen. Der Frauenanteil unter den CEO-Neubesetzungen stagnierte unterdessen bei mageren 9 Prozent.
Deutschland: Ruhige erste Jahreshälfte
Im deutschen Leitindex DAX40 war die erste Jahreshälfte besonders ereignisarm. Lediglich die Hannover Rück berief mit Clemens Jungsthöfel einen neuen CEO. Im Durchschnitt der vergangenen acht Jahre gab es jeweils drei Wechsel in der ersten Jahreshälfte.
Ausblick: Stabilität als Strategie?
Die niedrige CEO-Fluktuation könnte verschiedene Ursachen haben. Einerseits scheuen Aufsichtsräte möglicherweise das Risiko eines Führungswechsels in ohnehin turbulenten Zeiten. Andererseits könnte die Erkenntnis reifen, dass externe Schocks wie Pandemien, Kriege oder Lieferkettenprobleme kaum durch einen CEO-Wechsel zu lösen sind.
Ob sich dieser Trend fortsetzt, bleibt abzuwarten. Sollten sich die geopolitischen Spannungen entspannen und die Weltwirtschaft stabilisieren, könnte auch die CEO-Fluktuation wieder anziehen. Bis dahin gilt offenbar die Devise: In der Ruhe liegt die Kraft.
(lb/Russell Reynolds Associates)