Usability im DMS-Auswahlprozess

Document ManagementDurch die wachsende digitale Informationsflut in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) gewinnt der Bereich der Dokumentenmanagementsysteme (DMS) zunehmend an Bedeutung.

DMS unterstützen bei einer schnelleren und effizienteren Abwicklung von Geschäftsprozessen und sind Teil des weiter gefassten Enterprise Content Managements (ECM). Um von den Mehrwerten des Systems profitieren zu können, muss das System ohne Barrieren für jede Nutzergruppe bedienbar sein. Hierbei ist eine benutzerfreundliche Software und die damit verbundene Usability ein bedeutender Erfolgsfaktor. Ein System besitzt genau dann eine hohe Usability, wenn bereits das Design des Systems dem User klarmacht, wie er es zu nutzen hat. Durch die einfachere Handhabung des Systems beeinflusst die Usability eines DMS die Akzeptanz der DMS bei den Mitarbeitern maßgeblich.

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Aber wie kann eine hohe Akzeptanz der DMS ermöglicht werden, wenn die Usability kaum in den Auswahlprozess der Unternehmenssoftware einbezogen wird? In den aktuell angewandten Auswahlmethodiken für DMS wird der Usability-Aspekt in der Regel stark vernachlässigt. Objektive Kriterien zur Bewertung von Usability eines DMS existieren in den meisten Unternehmen nicht. Oftmals wird die Usability erst nach Implementierung im Produktivbetrieb sichtbar. Zu diesem Zeitpunkt ist es jedoch bereits zu spät.

Darüber hinaus ist der DMS-Markt in Deutschland zwar enorm vielfältig, dennoch existieren kaum signifikante Unterschiede bezüglich ihrer funktionalen Leistungen. Allerdings unterscheiden sich die DMS maßgeblich in ihrer Nutzerfreundlichkeit. Zudem besteht eine Diskrepanz zwischen geforderter und am Markt angebotenen Usability. Erhöhte Usability stellt daher ein wichtiges Differenzierungspotential im Softwaremarkt dar, welches zur unmittelbaren Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit beiträgt. Trotzdem wird der Usability-Aspekt in aktuellen Auswahlprozessen von DMS in der Regel stark vernachlässigt.

Grund für das Vernachlässigen der Usability ist ihre Komplexität. Die Anforderungen verschiedener Nutzer an das System sind sehr subjektiv und daher schwer objektiv quantifizierbar. Den Anwendern und Entwicklern von DMS steht kein Kriterienkatalog zur Verfügung, der sich speziell auf das Anwendungsgebiet DMS bezieht. Um diese Lücke zu schließen, wurde im Rahmen des Forschungsprojekts „uSelect DMS“ ein solcher Usability-Kriterienkatalog erstellt. Mit Hilfe des Kriterienkatalogs können Usability-Kriterien in den Auswahlprozess von DMS mit einbezogen werden, um so die Akzeptanz von DMS bei den Anwendern zu erhöhen.

Objektive Kriterien für Usability

Die Grundlage zur Entwicklung der für die verschiedenen Benutzer relevanten Usability-Kriterien bilden Beurteilungen seitens der Anwender. Dazu wurde ein Benutzertest durchgeführt, bei dem die Probanden dazu aufgefordert wurden, laut mitzudenken. Zusätzlich folgte nach jeder bearbeiteten Testaufgabe ein strukturiertes Interview, bei dem der Versuchsleiter den Probanden dazu anhielt, seine Erfahrung mit dem jeweiligen DMS zu reflektieren.

Mit Hilfe der geäußerten Kommentare während der Aufgabenausführung und der Interviews nach jeder Aufgabenbearbeitung erfolgte die Formulierung der Usability-Kriterien. Dazu wurden die Kommentare der Probanden nach Proband, System und Aufgabentyp kategorisiert. Im Anschluss wurde in jedem Kommentar die Kernaussage markiert, um anschließend die gesammelten Kernaussagen zu komprimieren. Anhand der komprimierten Kernaussagen erfolgte die Formulierung der Kriterien.

Nach anwender- und anbieterseitiger Validierung der Kriterien wurden diese in einen Kriterienkatalog zusammengeführt. Die ermittelten Kriterien beziehen sich, wie in Bild 1 exemplarisch dargestellt, vorrangig auf allgemeine Systemeigenschaften sowie auf die drei Hauptfunktionen Suche, Dokumentenerfassung und Workflow.

Klassifizierung der Kriterien nach Funktionsbezug (Auszug)

Bild 1: Klassifizierung der Kriterien nach Funktionsbezug (Auszug)

Differenziert nach Systemeigenschaften und Hauptfunktionen bietet der Kriterienkatalog sowohl den Anbietern als auch den Anwendern große Vorteile. Zum einen können Anwender die Usability-Bewertung für verschiedene Hauptfunktionen getrennt betrachten, sollte die Nutzung einer bestimmten Funktion von größerer Bedeutung sein. Zum anderen können Anbieter mithilfe der Kriterien Schwachstellen bestimmter Hauptfunktionen aufdecken, dessen Beseitigung zu einer besseren Stellung im Wettbewerb führt. Um außerdem Differenzierungsmerkmale der Anbieter im Markt klar identifizieren zu können, wurde zusätzlich eine Benchmark-Analyse durchgeführt.
Benchmark

Die Benchmark-Analyse erfolgte im Rahmen einer Online-Befragung, bei der die zuvor identifizierten Usability-Kriterien präsentiert wurden. Für die Onlinebefragung wurden auf Basis des Kriterienkatalogs möglichst eindeutige Fragen formuliert, die mit folgenden Optionen beantwortet werden konnten.

  • „Ja, dies ist im Standard der Lösung dargestellt.“
  • „Ja, allerdings ist dafür eine programmtechnische Anpassung der Lösung erforderlich.“
  • „Nein, die Anforderung wird nicht erfüllt.“
  • „Ich kann diese Frage nicht beantworten.“

Erfüllungsgrad ausgewählter Usability-Kriterien

Bild 2: Erfüllungsgrad ausgewählter Usability-Kriterien (Bildquelle FIR e. V. an der RWTH Aachen).

Bild 2 zeigt exemplarisch das Ergebnis für den Funktionsbereich Workflow. Jedes Kriterium kann von mindestens einem der untersuchten DMS nicht erfüllt werden. Des Weiteren können mehrere Systeme einige der Anforderungen nur durch programmiertechnische Anpassungen ausführen. Die Befragung erlaubt zudem weitere Aufschlüsselungen über den DMS-Markt, die sowohl für den Anbieter als auch für den Anwender von DMS interessant sind.

Durch den Benchmark sind Anwender in der Lage zu prüfen, ob die für sie unternehmensrelevanten Usability-Kriterien marktüblich sind oder nicht. Wenn ein Kriterium gefordert ist, welches nur von einem geringen Teil der Systeme erfüllt werden kann, fallen etliche am Markt befindlichen Systeme aus dem Suchraster. Das geforderte Kriterium sollte in dem Fall beim anschließenden Systemtest explizit überprüft werden. Anwender erhalten so eine zusätzliche Orientierungshilfe, um ein geeignetes DMS zu finden, welches alle Anforderungen abdeckt.

Außerdem erhalten die Anbieter einen Überblick über die marktübliche Verbreitung der DMS-Eigenschaften. Durch den Benchmark kann festgestellt werden, welche Merkmale typischerweise im Standard, per Anpassung oder gar nicht dargestellt werden. Durch den Vergleich mit anderen Systemen können funktionale Lücken aufgedeckt und behoben werden. Zusätzlich kann der Anbieter Funktionen im eigenen DMS identifizieren, die bei der Konkurrenz eher unüblich sind und dieses Usability-Kriterium entsprechend kommunizieren und vertrieblich nutzen.

Usability im DMS-Auswahlprozess

Für viele Unternehmen ist es jedoch eine große Herausforderung Usability-Kriterien bei der Auswahl eines passendes DMS rechtzeitig zu berücksichtigen. Aus diesem Grund wurde nicht nur ein Kriterienkatalog erstellt und validiert, sondern außerdem eine Auswahlmethodik für DMS entwickelt, bei der die Usability bereits in der Vorauswahl berücksichtig wird.

Phasen-Modell

Bild 3: Phasen-Modell (Bildquelle FIR e. V. an der RWTH Aachen).

In den aktuell angewandten Auswahlmethodiken für DMS, wie das in Bild 3 exemplarisch dargestellte 3-Phasen-Modell, liegt der Fokus vor allem auf Prozessen, IT-Infrastruktur und funktionalen Anforderungen. Der Usability-Aspekt hingegen wird in der Regel stark vernachlässigt und erst im letzten Schritt des Auswahlprozesses betrachtet. Daher wurde ein Vorgehensmodell entwickelt, welches den Aspekt der Usability bereits zu Beginn des Auswahlprozesses berücksichtigt

Vorgehensmodell zur Bewertung der Usability

Bild 4: Vorgehensmodell zur Bewertung der Usability (Bildquelle FIR e. V. an der RWTH Aachen).

Das in Bild 4 gezeigte Vorgehensmodell sieht vor, dass zur frühzeitigen Beteiligung der Mitarbeiter eine Nutzeranalyse von drei bis fünf Mitarbeitern durchgeführt wird. Die daraus resultierenden Nutzerprofile enthalten Informationen über Nutzerdaten, Kenntnisse und Fähigkeiten der jeweiligen Personen und darüber hinaus Nutzerziele und Erwartungen. Anschließend werden im Rahmen der Context-of-use Analyse die unternehmensspezifischen Usability-Anforderungen definiert, indem die drei wichtigsten Dokumentenarten bestimmt werden und anschließend identifiziert wird, welche Aufgaben mit den genannten Dokumenten ausgeführt werden und welche Erwartungen sich diesbezüglich ergeben. Abschließend wird aus der Nutzer- und Context-of-use Analyse der unternehmensspezifische Handlungskontext definiert, auf dessen Grundlage eine nutzerspezifische Aufgabe und ein Fragebogen formuliert werden.

Nach den Analysen erfolgt die Systempräsentation. Im Anschluss an jede Präsentation findet der Usability-Test statt, in dem die Nutzer die zuvor formulierte Aufgabe bearbeiten. Im Usability-Test soll den Nutzern das „Look and Feel“ durch Ausprobieren der DMS vermittelt werden. Nach erfolgreich ausgeführter Aufgabe füllen die Nutzer einen auf Nutzer- und Aufgabenprofil zugeschnittenen Fragebogen aus. Der Fragebogen zielt auf die Bewertung der Usability der einzelnen DMS ab, wodurch der subjektive Eindruck der Nutzer bezüglich der verschiedenen DMS eingefangen wird. So werden die Bedürfnisse verschiedener Anwendergruppen entsprechend berücksichtigt und durch das frühzeitige Einbeziehen in den Auswahlprozess wird die Akzeptanz der Anwender hinsichtlich einer neuen Software erhöht.

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Fazit

Abschließend lässt sich festhalten, dass Usability bereits im frühen Stadium des DMS-Auswahlprozesses mit einbezogen werden sollte, um den Anwendern die Nutzung bzw. Umstellung so einfach wie möglich zu machen. Da Usability häufig schwer zu beurteilen ist, helfen identifizierten Kriterien dem Anwender bei der frühzeitigen Berücksichtigung von Usability. Darüber hinaus können Anbieter mit Hilfe der Usability-Kriterien ihre eigenen Systeme bewerten und Anpassungsmaßnahmen ableiten.

Steffen Nienke Kira Frings

Steffen Nienke, Stellvertretender Bereichsleiter Informationsmanagement, und Kira Frings, FIR e.V. an der RWTH Aachen

www.uselect-dms.de

 

 

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