Integratives Projektmanagement und seine Umsetzung mit iStructure

Heute ist ein größeres Projekt in Unternehmen ohne die Unterstützung von Softwaresystemen nicht mehr vorstellbar. Zu komplex sind intra- und interorganisationale Abhängigkeiten geworden, zu groß der Ressourcen- und Termindruck, der es notwendig macht, Puffer auf ein Minimum zu reduzieren.

Doch auch wenn Software gestütztes Projektmanagement nun schon auf eine lange Tradition zurück blicken kann, liegt immer noch großes Potenzial in seiner Weiterentwicklung. Im Folgenden werden wir vorstellen, wie sich Projektmanagement-Systeme in Zukunft entwickeln können. Von besonderer Bedeutung ist der Schritt weg von monolithischen Einzelsystemen hin zu integrativen Systemen, die es ermöglichen, Daten vieler verschiedener Quellen zu integrieren. Im zweiten Teil des Artikels wird schließlich eine Datenstruktur vorgestellt, mit der eine solche Software flexibel und intuitiv umgesetzt werden kann.

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Exkurs zu ERP: isoliert – integriert – integrativ

Projektmanagement-Systeme befinden sich in der Anfangsphase eines Prozesses, der bereits von anderen Softwaregattungen durchlaufen wurde. Dies ermöglicht uns eine Erläuterung und Prognose der weiteren Entwicklung solcher Systeme. Bevor in diesem Artikel das integrative Projektmanagement vorgestellt wird, möchten wir  deshalb einen kurzen, historischen Exkurs zu einer anderen, allgemein bekannten Klasse von Softwaresystemen voranstellen: Betriebswirtschaftliche Software, oft (etwas unscharf) unter dem Akronym ERP zusammengefasst, nahm einen verschlungenen Pfad zu seiner heutigen Form. Anfangs oft eine Sammlung von recht unzusammenhängenden Einzelprogrammen auf Mainframe-Rechnern, führte die Forderung nach weniger Redundanz und dafür erhöhter Konsistenz in der Datenhaltung, ebenso wie die immer stärkere Verzahnung von Geschäftsprozessen, zur klassischen ERP-Standard-Software eines einzelnen Anbieters  (Single-Vendor-Ansatz), prototypisch vertreten durch SAP R/3. Das Arbeiten auf zentralen Stammdaten und die Verfügbarkeit von Informationen über Geschäftstransaktionen und Produktionskennzahlen in Sekundenbruchteilen revolutionierte die betriebliche Informationsverarbeitung.

Doch lange hielt dieser Zustand nicht an. Zum einen wurden die Probleme, die mit Hilfe der EDV gelöst werden sollten, komplizierter. Es reichte nicht mehr, einzelne Geschäftseinheiten oder Unternehmen abzubilden, sondern es sollten auch über Länder- und Unternehmensgrenzen hinweg Datenbestände abgeglichen und Transaktionen vollautomatisiert werden. Diesen Zielen standen die in der Umsetzung oft komplizierten, von außen kaum zu durchdringenden, hoch integrierten Softwarepakete oft eher im Wege. Weiterhin nahmen das Angebot und die Anwendungsgebiete von Unternehmenssoftware rapide zu, so dass es in jedem Teilbereich oft leistungsfähigere oder flexiblere Produkte gab als die monolithischen ERP-Pakete bieten konnten (Best-of-Breed-Ansatz). Damit kehrte sich der Trend um und die betriebliche Software begann sich wieder zu de-integrieren. Statt einer monolithischen Lösung aus einer Hand ist es heute gerade in Großunternehmen üblich, Software verschiedener Anbieter und Informationen aus unterschiedlichsten Quellen so zusammenzuführen, dass der Endanwender von der Heterogenität möglichst unbehelligt bleibt. Man spricht hier von einem Wandel von integrierten hin zu integrativen Lösungen.

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Entwicklung von PM- Systemen

Heute können wir bei Softwaresystemen zur Unterstützung von Projektmanagement eine ähnliche Entwicklung beobachten, wie sie ERP-Software bereits absolviert hat. Auch hier wurden (Desktop-)Softwarepakete mit speziellen Aufgaben, etwa der Erstellung von Terminplänen, von voll integrierten, monolithischen Projektmanagement-Informationssystemen abgelöst. Diese Systeme erheben den Anspruch, alle Tätigkeiten des Projektmanagements abzubilden: Von der Termin- und Ressourcenplanung, über die Budgetierung und das Kostenmanagement bis hin zur Portfolioplanung und die Entscheidungsunterstützung für das Topmanagement.

Doch auch hier zeigt sich zunehmend, dass einzelne Systeme nicht in der Lage sind, die Anforderungen aller Anspruchsgruppen zu erfüllen (Bild 1). Auch müssen oft große Anstrengungen unternommen werden, um diese hoch integrierten Systeme in den Unternehmenskontext und die Supply Chain einzubetten. Auch wenn das Finanzmanagement Teil der PM-Software ist, ist eine Anbindung an die ERP-Software des Unternehmens oft unumgänglich. Gleichzeitig ist es in Zeiten immer geringer werdender Wertschöpfungstiefen notwendig, die Planungen der Zulieferer in das eigene Projektmanagement einzubeziehen. Bei der Komplexität heutiger Zulieferergeflechte ist dies ohne ein gewisses Maß an Automatisierung kaum noch möglich.
 
Leider wurde dieser letzte Schritt vom integrierten hin zum integrativen Projektmanagement von PM-Software-Herstellern bisher nur zögerlich in Angriff genommen. Oft ist die Integration in die bestehen Unternehmenssoftware-Landschaft noch ein Stückwerk aus Eigenentwicklungen und manueller Doppeleingabe von Daten. Der relativ langsame Fortschritt auf diesem Gebiet ist allerdings auch nicht verwunderlich. Anders als in der Waren- oder Finanzwirtschaft gab es bisher im Projektmanagement kaum Standards, die aussagekräftig und flexibel genug waren, um einen Datenaustausch und eine Integration zwischen verschiedenen Systemen zuzulassen (vergleiche Bild 2). Als Notlösung fand häufig das Dateiformat von Microsoft Project Verwendung, das aber auf den Funktionsumfang des Project-Pakets beschränkt war und deshalb viele Aspekte moderner Projektmanagement-Software nicht abdeckte.

Standardisierung treibt Integration

Um integrative Projektmanagement-Systeme zu ermöglichen, wurden deshalb mehrere Standardisierungsverfahren angestoßen. Im deutschsprachigen Raum ist mit der Norm DIN 69901-4 nun erstmals ein Standard vorhanden, der ein umfassendes Datenmodell umfasst. Dieser ermöglicht den Austausch von Projektinformationen weit über das bisher mit dem MS Project-Format Mögliche hinaus. Das DIN-Datenmodell umfasst von den Projektstammdaten bis hin zum Reporting und der Projektbuchhaltung alle Bereiche, die von gängiger Projektmanagement-Software abgebildet werden.

Wie bereits angedeutet, ist der reine Datenaustausch jedoch nicht genug. Auch mit einem mächtigen Standard wie der DIN 69901 ist es notwendig, ein zentrales Softwaresystem zu etablieren, das die Daten konsolidiert, filtert, umformt und gegebenenfalls den integrierten Systemen wieder zur Verfügung stellt. Je nach Anwendungsfällen werden diese Funktionen in Unternehmenssoftware/ERP-Software von Master Data Management Komponenten oder auch Data Warehouse Systemen übernommen. Die inhärente Variabilität von Projekten stellt an ein System, das diese zentrale Verwaltungsaufgabe übernimmt, hohe Anforderungen. Da auch innerhalb einer Organisation Projekte je nach Typ und Komplexität in einer Vielzahl von Systemen (von der Tabellenkalkulation bis hin zum Enterprise Project Management System) verwaltet werden, muss eine integrative Projektmanagement-Software in der Lage sein, deren Daten zu sammeln und auch Stammdaten zwischen den Systemen zu synchronisieren.

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Flexible Projektorganisationen abbilden

Eine große Herausforderung im Kontext zentraler Projektdatenverwaltung ist, neben den vielen involvierten Systemen, die heterogene Projekt-Organisationsstruktur. Da Projekte per Definition ein einmaliger Vorgang sind, ist es in der Regel unmöglich innerhalb eines Unternehmens eine einheitliche Organisation für Projekte zu definieren. Die Tatsache, dass gängige Projektmanagement-Software dies verlangt oder sogar eine starre Struktur vorgibt, die auch einmalig nicht verändert werden kann, ist ohne Zweifel ein Hauptgrund dafür, dass auch bei bestehenden PMS-Installationen von Projektmanagern oft auf Tabellenkalkulation und Groupware zurückgegriffen wird. Diese bieten zwar nicht die umfangreiche Unterstützung eines typischen PMS und ihre Anwendung ist oft mit einem deutlichen Effizienzverlust verbunden, da sich gängige Arbeitsschritte nur mühsam automatisieren lassen. Sie bieten dafür aber praktisch grenzenlose Freiheit in der Gestaltung einer Projektorganisation und -governance. Soll ein integratives Projektmanagement-System auch Projekte abbilden können, die heterogene Organisationsstrukturen und über mehrere Systeme verteilte Informationen aufweisen, so muss es auf einer Datenstruktur basieren, die höchste Flexibilität aufweist. Einen solchen Ansatz möchten wir im Folgenden vorstellen.

iStructure

Das Grundelement der Datenstruktur ist die Initiative, weshalb sie kurz auch „iStructure“ getauft wurde. Eine Initiative ist dabei ein Überbegriff für alle Hierarchiestufen eines Plans, sie kann die Form eines Portfolios, Programms, Projekts, bis hin zum einzelnen Vorgang annehmen. Der Schlüssel der Flexibilität ist die (annähernd) freie Rekombination von Initiativen in beliebige hierarchische Strukturen. Somit ist es problemlos möglich, ein System zu entwerfen, das komplexe, organisationsweite Portfolio-Pläne abbildet oder auch simple Ein-Projekt-Pläne mit geringer Planungstiefe (Bild 3).

Jede Initiative unterstützt die Verknüpfung mit vielen weiteren Datenstrukturen. So ist es beispielsweise möglich, Ressourcen auf jede Initiative zu buchen, unabhängig davon, ob sie die Rolle einer Aufgabe, eines Arbeitspakets oder eine Projekts hat. Gleiches gilt beispielsweise für Kosten oder Budgets. Damit unterstützt die iStructure auf elegante Weise eine iterative Planung. Während zu Jahresbeginn Budgets auf Programme oder Projekte verteilt werden, können diese Grobbudgets im Verlauf der Detailplanung auf die darunter liegenden Initiativen (Teilprojekte, Arbeitspakete, Vorgänge…) weiter verfeinert werden.

Wichtiger noch als die Planungsflexibilität ist, dass es durch die Generalisierung dieser Funktionen möglich ist, auch innerhalb einer Planungshierarchie, also etwa innerhalb eines Unternehmensportfolios, Daten von verschiedenen Projektorganisationen, Softwaresystemen und Aggregationsstufen zu konsolidieren. In einem ERP-System liegt die Budgetierung und die Buchhaltung in der Regel nicht auf dem Niveau einzelner Vorgänge, sondern zusammengefasst für bestimmte Projekte, manchmal sogar Abteilungen oder Ressourcen vor. Gleichzeitig weisen in Microsoft Project erstellte Projektpläne oft einen wesentlich höheren Detailgrad auf, der in einem integrativen Projektmanagement-System natürlich nicht verloren gehen soll.

Versieht man das integrative Projektmanagement-System mit weiterhin generischen Schnittstellen zur iStructure, können auch problemlos weitere Applikationen angebunden werden. Zeiterfassung kann so beispielsweise in vertrauten Personal Information Management (PIM) Tools wie Microsoft Outlook oder Lotus Notes erfolgen. Grobplanungen können in einem Mindmapping-Tool erzeugt und anschließend als Baum der iStructure in das PMS importiert werden. Der hohe Integrationsgrad hat hier wiederum den Charme, Mehrfacheingaben überflüssig zu machen. Erfasste Stunden können für Abrechnungszwecke zurück in die ERP-Software übertragen werden. Gleichzeitig können umfassende Reports erstellt werden, die etwa den Fertigstellungsgrad in die Kalkulation mit einbeziehen und so eine Earned Value Analyse ermöglichen.

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Implementierung in saprima

Die iStructure-Technologie schlägt sich in den ersten Versionen der Software saprima der Inteco GmbH, Landshut, nieder – einer Lösung, die fortlaufend weiter entwickelt wird. Um die Stärken der iStructure voll nutzen zu können, positioniert sich das System nicht als vollständiges PMS, sondern nimmt die Rolle einer auf Projektdaten spezialisierten Enterprise Application Integration Plattform ein. Sie dient einerseits der Transformation von Daten in ein standardisiertes, DIN 69901-kompatibles Format. Das Laden und Konvertieren der Daten geschieht mit Hilfe spezieller Konnektoren, etwa SAP ERP oder Primavera P6. Andererseits können die Daten über die gleichen Konnektoren wieder in die Ursprungssysteme zurück geschrieben und somit über die gesamte PM-System-Landschaft konsistent und synchron gehalten werden. Die vereinheitlichte Datenspeicherung ermöglicht schließlich auch eine Standardisierung des Reportings und damit die Auslieferung umfangreicher Auswertungen. saprima dient also nicht nur als Einbahnstraße zur Sammlung und Konsolidierung von Daten einer heterogenen Projektlandschaft, sondern in der Gegenrichtung zur Verteilung von angereicherten Daten in die beteiligten Quellsysteme. Somit wird das System zur Datendrehscheibe der Projektumgebung – zum Project Information Hub (PIH).

Zusammenfassung

Wie bereits in anderen Bereichen der betrieblichen Informationssysteme ist auch im Projektmanagement eine weitere Spezialisierung und Differenzierung unumgänglich. Im Bau und Maschinenbau sehen wir schon jetzt eine Welle neuer Systeme, die 3D-Modelle der zu erstellenden Produkte mit den Ablaufplänen verknüpfen. Bei IT-Projekten kommt immer häufiger Software im Projektmanagement zum Einsatz, die den IT-Bebauungsplan in die Planung einbezieht. Mittelfristig wird somit gerade in größeren Unternehmen ein integratives Projektmanagement-System unumgänglich, möchte man eine Fragmentierung der Projektlandschaft verhindern. Gleichzeitig eröffnet man so Projektleitern deutlich mehr Freiheiten in der Wahl der Methoden und Tools. Damit wäre auch im Projektmanagement der Übergang von den typischen Single-Vendor-Lösungen zu einem Best-of-Breed-Ansatz vollzogen. Die hier vorgestellte iStructure eignet sich für die Erstellung von Software-Systemen und bildet in einem solchen Szenario den zentralen Baustein, der alle PM-Tools verbindet. saprima ist eine iStructure-Implementierung und gleichzeitig der erste Vertreter dieser neuen Softwaregeneration.

Michael Kaiser, Prof. Dr. Frederik Ahlemann

Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe Juni 2010 des it management.

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